Courbet, Zwei Ringer zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Der letzte Grund aller Wirklichkeit für das Ich
ist demnach nach der Wissenschaftslehre eine ursprüngliche
Wechselwirkung zwischen dem Ich und irgend einem Etwas ausser dem-selben,
von welchem sich weiter nichts sagen lässt, als dass es dem Ich völlig
entgegenge-setzt seyn muss. In dieser Wechselwirkung wird in das Ich
nichts gebracht, nichts fremdar-tiges hineingetragen; alles was je bis in
die Unendlichkeit hinaus in ihm sich entwickelt, ent-wickelt sich
lediglich aus ihm selbst nach seinen eigenen Gesetzen; das Ich wird
durch jenes Entgegengesetzte bloss in Bewegung gesetzt, um zu handeln,
und ohne ein solches erstes bewegendes ausser ihm würde es nie
gehandelt, und, da seine Existenz bloss im Handeln be-steht, auch nicht
existirt haben. Jenem bewegenden kommt aber auch nichts weiter zu, als
dass es ein bewegendes sey, eine entgegengesetzte Kraft, die als solche
auch nur gefühlt wird.
Das Ich ist demnach abhängig seinem Daseyn nach;
aber es ist schlechthin unabhängig in den Bestimmungen dieses seines
Daseyns. Es ist in ihm, kraft seines absoluten Seyns, ein für die
Unendlichkeit gültiges Gesetz dieser Bestimmungen, und es ist in ihm ein
Mittelver-mögen, sein empirisches Daseyn nach jenem Gesetze zu
bestimmen. Der Punct, auf wel-chem wir uns selbst finden, wenn wir zuerst
jenes Mittelvermögens der Freiheit mächtig werden, hängt nicht von uns
ab, die Reihe, die wir von diesem Puncte aus in alle Ewigkeit
beschreiben werden, in ihrer ganzen Ausdehnung gedacht, hängt völlig von
uns ab.
Die Wissenschaftslehre ist demnach realistisch. Sie zeigt, / dass das Bewusstseyn endlicher Naturen sich schlechterdings nicht
erklären lasse, wenn man nicht eine unabhängig von denselben vorhandene,
ihnen völlig entgegengesetzte Kraft an nimmt, von der dieselben ihrem
empirischen Daseyn nach selbst abhängig sind. Sie behauptet aber auch
nichts weiter, als eine solche entgegengesetzte Kraft, die von dem
endlichen Wesen bloss gefühlt, aber nicht erkannt wird.
Alle mögliche Bestimmungen dieser Kraft, oder dieses Nicht-Ich, die in
die Unendlichkeit hinaus in unserem Bewusstseyn vorkommen können, macht
sie sich anheischig, aus dem bestimmenden Vermögen des Ich abzuleiten,
und muss dieselbe, so gewiss sie Wissenschaftslehre ist, wirklich
ableiten können.
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J. G. Fichte, Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, SW Bd. I, S. 279f.
Donnerstag, 18. September 2025
Real ist die Wechselwirkung.
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