Dienstag, 31. Januar 2023

Im Grunde ist die Wissenschaftslehre realistisch.

 asv-metiers.fr                                                                          zu Philosophierungen
 
Die Wissenschaftslehre hebt nicht an bei der Frage, ob es eine Wirklichkeit gäbe außer der Vorstellung, sondern warum jeder vernünftige Mensch davon ausgeht, dass es so sei. Die erste Frage wäre metaphysisch, die zweite ist transzendental. Und nur die zweite ist daher vernünftig. Dass es so sei ist die Voraussetzung, aus der die Transzendentalphiloso-phie nicht heraustreten kann, ohne die Vernunft zu verlassen. Auf der ersten semanti-schen Ebene ist auch sie realistisch. Idealistisch ist sie erst auf der zweiten Ebene, der Reflexion der Vernunft auf sich selbst.
17. 6. 17


Realistisch ist sie, aber eben nicht naiv. Dass es so vernünftig sei, ist ein Urteil, und als solches Ergebnis einer Reflexion. Doch die Frage, warum es so vernünftig ist, ist be-reits kritisch.

Auch dünkt sich die Wissenschaftslehre nichts besseres als der gesunden Menschenver-stand. Sie ist nicht besser, sondern sie weitet ihren Blick nur auf Dinge aus, die man fürs tägliche Leben gar nicht wissen muss. Das ist nicht einmal klüger; nur weiser.
2. 5. 19


Montag, 30. Januar 2023

Der Realismus kann nichts erklären oder auch nur beschreiben.

    zu Philosophierungen zuJochen Ebmeiers Realien

Nehmen wir an, die Informationen nähmen sponte suae ihren Weg vom Ding ins Emp-fängnis des Subjekts. Wo kommen sie an? Im Rezeptakel ist nach Voraussetzung keine Echokammer vorgesehen. Sie versänken also bodenlos im... was? Doch zweifellos durch irgendeine Membran, durch die sie wie auch immer den Einzelteilen des Gesamtorganis-mus mitgeteilt würden. Fällt ein Stein mir auf den Fuß, schmerzt der Fuß, der rein me-chanisch, nämlich reflexhaft reagiert. Eine Gedächtnisspur mag im Fuß angelegt bleiben, aber nirgends wird je vermerkt, dass dort etwas geschehen ist, geschweige denn, was. Eine Bestimmung als dieses oder jenes kann nicht geschehen. Nicht Reflex ist Bewusstsein, sondern Reflexion. Im realistischen Modell wird nichts reflektiert, es verschwindet alles unwiederbringlich in einem schwarzen Loch; auch alle Energie, die der Information je innegewohnt haben wollte.

Man kann die Geschichte durch tausenderlei Differenzierungen und Subtilisierungen komplizieren, doch das Grundschema bleibt dasselbe: Eine Meldung wird man unterm Strich nicht herausholen. Man wird sie von Anbeginn hinein tun müssen.

In der umgekehrten, idealistischen Sicht werden Energie und Rückwirkung als Anfang von allem vorausgesetzt. Der Wissenwollende will seinen Blick nicht auf dem Ding ver-weilen lassen (nicht einmal der bloß Betrachtenwollende im ästhetischen Zustand), son-dern hat es auf die Rückmeldung apriori abgesehen. Ohne Absicht keine Reflexion, kein Einsehen und keine Bewusstheit.

Und  sagen Sie, das wäre ausgedroschenes Stroh? Doch von selbst versteht es sich bis heute nicht. Dabei ist es ganz einfach, wenn man's nur zuerst mit dem Vorstellen ver-sucht, bevor man beim Begriffshubern den Verstand verliert.

Man sollte es als Zugangsfrage an den Pforten der Hochschulen stellen, und ganz beson-ders bei den exakten Fächern.


Sonntag, 29. Januar 2023

Die immanente Genesis der Vernunft.

                                                       zu Philosophierungen 

Die Wissenschaftslehre ist also der Versuch eines vernünftigen Wesens, sich sein Bewusst-sein zu erklären. Zu verstehen, was es ist, nämlich wie es verfährt. Nicht, wie es geworden ist: Entstanden ist es einmal, nun habe ich damit zu tun, wozu es geworden ist. Heute ver-fährt es so, als sei es immer so verfahren. Ich muss es auffassen als ein Ganzes: ein Sys-tem.

Es mag wohl sein, dass unser Gehirn tatsächlich wie ein System funktioniert. Aber darum geht es bei der Vernunft nicht. Da geht es darum, sie aus sich selbst zu erklären: aus ihren eigenen Voraussetzungn und ohne auch nur in einem Moment einen äußeren Beitrag in Anspruch zu nehmen: Wer die Vernunft nicht immanent erklärt, erklärt sie gar nicht. Ver-nünftig ist dabei nicht, dass kausal eines aus dem vorigen folgt, sondern dass sich eine Richtung ergibt, weil sie einen Zweck anstrebt. Vernünftig ist daran, dass sie jederzeit ur-teilt, welcher Zweck gelten soll.

Ihre Voraussetzung ist das Noumenon eines unbestimmt-bestimmbaren Wollens-über-haupt, am Zielpunkt muss folglich das Noumenon eines unbestimmt-bestimmbaren Zweckes-überhaupt stehen. Nur so ist Vernunft als System möglich. 

Dass ein Bewusstsein sich als schlechterdings wollend auffasst; dass ein Bewusstsein sich als vernünftig begreift; dass ein Bewusstsein sich als schlechterdings zielgerichtet be-stimmt: das alles bedeutet dasselbe. Ob aber diese Bedingungen gegeben sind, ist eine Frage an die historische Realität

Dass sie jedoch sein soll, folgt aus ihr, sobald sie möglich geworden ist.
6. 6. 17


Eine Korrektur habe ich in den letzten Tagen allerdings vorgenommen: Ganz ohne einen "äußeren Beitrag" kommt auch die Wissenschaftslehre bei ihrer Rekonstruktion der Ge-nesis der Vernunft nicht aus. Die Aufforderung durch eine Reihe vernünftiger Wesen ist keine immanente Hervorbringung des sich-selbst-bestimmenden Ichs, sondern greift in jene von außen ein. Aber eben nicht transzendent, nicht als ein 'erstes Individuum' und 'höheres, unbegreifliches Wesen', wie Fichte selbst es tat (und nicht anders konnte). Viel-mehr muss die Perspektive umgekehrt werden: Die Vorstellung des einen sich selbst set-zenden und fortbestimmenden Ichs muss in der Wirklichkeit aufgefasst werden als Ab-straktion der sich zusammenfindenden und gemeinsam ausbildenden 'Reihe vernünftiger Wesen'. 

In der historische Wirklichkeit entsteht Vernunft nicht als Begegnung von zu-Bewusst-sein-gekommenen Einzelnen, sondern das Bewusstsein der Einzelnen erwächst aus dem tatsächlichen Verkehr historischer Individuen miteinander, der ihren realen - sei es vorstel-lenden, sei es sinnlichen - Tätigkeiten vorgegeben ist, und der durch ihre Wechselwirkung den Übergang zu idealer Tätigkeit - Reflexion - ermöglicht hat. 

Sorum betrachtet handelt es sich dann doch um eine immanente Genesis.

31. 5. 19



Nota. Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

Samstag, 28. Januar 2023

Materiallogisch und genetisch.

                                                                                 zu Philosophierungen;

Es ist ärgerlich, dass als Logik seit vielen Generationen nur noch die formale Richtigkeit der Verknüpfung definierter Begriffe verstanden wird; das bringt manche Unsicherheit des Ausdrucks mit sich.

Gr. logos heißt Wort, Sinn, Verstand, Bedeutung, und kommt von legein, das lesen, auf-lesen und durchschauen bedeutet. 'Logisch' sollte sich also auf alles beziehen, auf das diese Bezeichnungen zutreffen, und das ist ziemlich viel. Sein Gegensatz wäre nicht 'un-logisch', sondern faktischnämlich sofern man sich ein Faktum ohne seine Bedeutung denkt.

Denken kann man letzteres, aber, und das ist hier der springende Punkt, man kann es sich nicht vorstellen. Die Verengung des Begriffs Logik auf das korrekte Schließen aus gege-benen Begriffen setzt offenbar die Gegebenheit der Begriffe unbedingt voraus. Dann wä-ren sie logisch das 'Erste'.

Das ist aber eine grundlose Annahme. Material logisch beruhen die Begriffe auf Gehal-ten, und diese Gehalte sind Vorstellungen, die in begriffliche Form gebracht werden müs-sen, um sie operabel zu machen. Die Operalibilität der Begriffe macht ihre Form aus, die Vorstellungen sind der Stoff. Daher ist eine Darstellung der Art und Weise, wie sich sach-lich eine Vorstellung aus der andern entwickelt, wie die eine in der andern Vorstellung schon enthalten sein mag, ohne als solche deutlich angeschaut worden zu sein - eigentlich ist eine solche Darstellung in einem eminenteren Sinn logisch zu nennen als die bloß-for-male, in der Begriffe durch Schlussketten miteinander verknüpft werden.


Aber unser Sprachgebrauch lässt das nicht zu. Fichte hat das materiallogische Verfahren der Wissenschaftslehre daher
 genetisch nennen müssen, und es sah aus, als handle es sich zwischen logischer und historischer Betrachtung um eine eigenständige Kategorie. In phi-losophischer Hinsicht erheblich ist aber die einfache Unterscheidung zwischen historisch-faktischer und materiallogischer Betrachtung. Die formallogische Untersuchung ist ein Derivat, ein Reflexionsmittel zum Behuf des kritischen Geschäfts.

30. 10. 16




Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE 

Mittwoch, 25. Januar 2023

Das einzige rein Wahre ist meine Selbstständigkeit.

                                                     zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Abriss der Wissenschaftslehre
von Johann Gottlieb Fichte
Einleitung zu
System der Sittenlehre nach Prinzipien der Wissenschaftslehre
in ders., Sämmtliche Werke Bd. IV. S. 1-12
 


Die ersten zwei Prinzipien der Wissenschaftslehre.

                                                             
1. Wie ein Objektives jemals zu einem Subjektiven, ein Sein für sich zu einem vorgestell-ten werden möge - dass ich an diesem bekannteren Ende die Aufgabe aller Philosophie fasse - wie es, sage ich, mit dieser sonderbaren Verwandlung zugehe, wird nie jemand er-klären, welcher nicht einen Punkt findet, in welchem das Objektive und Subjektive über-haupt nicht geschieden, sondern ganz Eins sind. Einen solchen Punkt nun stellt unser System auf, und geht von demselben aus. Die Ichheit, die Intelligenz, die Vernunft, oder wie man es nennen wolle, ist dieser Punkt.

Diese absolute Identität des Subjekts und Objekts im Ich lässt sich nur schließen, nicht etwa unmittelbar als Tatsache des wirklichen Bewusstseins nachweisen. Wie ein wirkliches Bewusstsein entsteht, sei es auch nur das Bewusstsein unserer selbst, erfolgt die Trennung. Nur inwiefern ich mich, das Bewusstseiende, von mir, dem Gegenstande dieses Bewusst-seins, unterscheide, bin ich mir meiner bewusst.

Auf den mancherlei Ansichten dieser Trennung des Subjektiven und Objektiven und hin-wiederum der Vereinigung beider, beruht der ganze Mechanismus des Bewusstseins.

2. 
Das Subjektive und das Objektive wird vereinigt oder als harmonierend angesehen zu-vörderst so, dass das Subjektive aus dem Objektiven erfolgen, das erstere sich nach dem letzteren richten soll: Ich erkenne. Wie wir zu der Behauptung einer solchen Harmonie kommen, untersucht die theoretische Philosophie. Beides wird als harmonierend ange-sehen so, dass das Objektive aus dem Subjektiven, ein Sein aus meinem Begriffe (dem Zweckbegriffe) folgen soll: Ich wirke. Woher die Annahme einer solchen Harmonie ent-springe, hat die praktische Philosophie zu untersuchen.

Der erste Punkt, wie wir dazu kommen mögen, die Übereinstimmung unserer Vorstellun-gen mit unabhängig von uns vorhanden sein sollenden Dingen zu behaupten, ist denn allenfalls in Frage gekommen. Was den zweiten anbelangt, wie es möglich sei, einige unse-rer Begriffe zu denken als darstellbar und zum Teil wirklich dargestellt in der ohne unser Zutun bestehenden Natur, darüber hat bisher die Philosophie sich auch nicht einmal ge-wundert. Man hat es ganz natürlich gefunden, dass wir auf die Welt wirken können. Wir tun es ja alle Augenblicke, wie jedermann weiß; es ist dies Tatsache des Bewusstseins; und damit gut.

Seiten. 1 - 3


Ich finde mich als wirkend in der Sinnenwelt.

                                                                      

4. Ich finde mich als wirkend in der Sinnenwelt. Davon hebt alles Bewusstsein an; und ohne dieses Bewusstsein meiner Wirksamkeit ist kein Selbstbewusstsein; ohne dieses kein Bewusstsein eines anderen, das nicht ich selbst sein soll. Wer einen Beweis dieser Behaup-tung begehrt, der findet denselben ausführlich in folgenden zweiten Hauptstücke. Hier wird sie nur aufgestellt als unmittelbare Tatsache des Bewusstseins, um daran unser Rä-sonnement an zu knüpfen.

Welches Mannigfaltige ist in dieser Vorstellung meiner Wirksamkeit enthalten; und wie mag ich zu diesem Mannigfaltigen kommen?

Möge man auch vorläufig annehmen, dass die Vorstellung des bei meiner Wirksamkeit fortdauernden und durch sie schlechthin nicht zu verändernden Stoffes, die Vorstellung der Beschaffenheiten dieses  Stoffes, die durch meine Wirksamkeit verändert werden, die Vorstellung dieser fortschreitenden Veränderung, bis die Gestalt dasteht, die ich beabsich-tigte; dass alle diese in der Vorstellung von meiner Wirksamkeit enthaltenen Vorstellungen mir von außen gegeben werden, welchen Ausdruck ich freilich nicht verstehe; dass es Er-fahrung ist, oder wie man etwa diesen Nichtgedanken noch ausdrückt; so liegt doch noch etwas in der Vorstellung von meiner Wirksamkeit, was mir schlechthin nicht von außen kommen kann, sondern in mir selbst liegen, was ich nicht erfahren und lernen kann, son-dern unmittelbar wissen muss: dass ich selbst der letzte Grund der geschehenen Verände-rung sein soll.

Ich bin der Grund dieser Veränderung, heißt: Dasselbe und kein anderes, welches um die Veränderung weiß, ist zugleich auch das Wirkende; das Subjekt des Bewusstseins und das Prinzip der Wirksamkeit sind Eins. Was ich aber beim Ursprunge alles Wissens vom Sub-jekte des Wissens selbst aussage, was ich weiß, dadurch, dass ich überhaupt weiß, kann ich aus keinem anderen Wissen gezogen haben; ich weiß es unmittelbar, ich weiß es schlecht-hin. 

Demnach, sowie ich überhaupt nur weiß, weiß ich, dass ich tätig bin. In der bloßen Form des Wissens ist das Bewußtsein meiner selbst und meiner selbst als eines Tätigen enthal-ten und dadurch unmittelbar gesetzt.

Nun könnte es wohl sein, dass, wenn auch nicht unmittelbar, dennoch vermittelst des so-eben aufgezeigten Unmittelbaren in der bloßen Form des Wissens alles übrige Mannigfal-tige, das in der oben berührten Vorstellung meiner Wirksamkeit liegt, gleichfalls enthalten wäre. Sollte es sich so finden, so würden wir der misslichen Annahme, daß es von außen komme, schon dadurch überhoben, dass wir es auf eine andere und natürlichere Weise zu erklären vermöchten. Es würde durch diese Erklärung die oben aufgeworfene Frage be-antwortet, wie wir dazu kämen, uns eine Wirksamkeit in einer Sinnenwelt außer uns zuzu-schreiben, indem die Notwendigkeit einer solchen Annahme unmittelbar aus dem voraus-gesetzten Bewusstsein abgeleitet würde.

Wir wollen versuchen, ob eine solche Ableitung möglich sei. Ihr Plan ist folgender: Was in der Vorstellung von unserer Wirksamkeit liege, haben wir soeben gesehen. Die Vorausset-zung ist, dass dasselbe im Bewusstsein überhaupt enthalten und mit demselben notwendig gesetzt sei. Wir gehen daher aus von der Form des Bewusstseins überhaupt, leiten ab von ihr; und unsere Untersuchung ist geschlossen, wenn wir auf dem Weg der Ableitung wie-der zur Vorstellung unserer sinnlichen Wirksamkeit zurückkommen. 
Seiten 3f.



Wissen und Sein sind nur im Bewusstsein getrennt.

                                                          

5. Ich setze mich als tätig, heißt nach obigem: Ich unterscheide in mir ein Wissendes und eine reelle Kraft, die als solche nicht weiß, sondern ist; sehe aber beides als schlechthin Eins an. Wie komme ich zu dieser Unterscheidung; wie gerade zu dieser Bestimmung der Unterschiedenen? Die zweite Frage dürfte wohl durch Beantwortung der ersten zugleich mit beantwortet werden. 

Ich weiß nicht, ohne etwas zu wissen; ich weiß nicht von mir, ohne eben durch dieses Wissen mir zu etwas zu werden; oder, welches dasselbe heißt, ein Subjektives in mir und ein Objektives zu trennen. Ist ein Bewusstsein gesetzt, so ist diese Trennung gesetzt, und es ist ohne sie gar kein Bewusstsein möglich. Durch diese Trennung aber ist unmittelbar zugleich das Verhältnis des Subjektiven und Objektiven zueinander gesetzt. Das letztere soll bestehen ohne Zutun des Subjektiven und unabhängig von ihm, durch sich selbst; das erstere soll abhängig sein vom letzteren, und seine materielle Bestimmung nur daher er-halten. Das Sein ist durch sich selbst, das Wissen aber hängt ab vom Sein; so muss uns beides erscheinen, so gewiss uns überhaupt etwas erscheint; so gewiss wir Bewusstsein haben.

Die wichtige Einsicht, welche wir dadurch erhalten, ist folgende. Wissen und Sein sind nicht etwa außerhalb des Bewusstseins und unabhängig von ihm getrennt, sondern nur im Bewusstsein werden sie getrennt, weil diese Trennung Bedingung der Möglichkeit alles Bewusstseins ist; und durch diese Trennung entstehen erst beide. Es gibt kein Sein außer vermittelst des Bewusstseins, sowie es außer demselben auch kein Wissen, als bloß subjek-tives und auf sein Sein gehendes, gibt. Um mir nur sagen zu können: Ich, bin ich genötigt zu trennen; aber auch lediglich dadurch, dass
 ich dies sage und indem ich es sage, geschieht die Trennung. Das Eine, welches getrennt wird, das sonach allem Bewusstsein zum Grun-de liegt, und zufolge dessen das Subjektive und Objektive im Bewusstsein als Eins gesetzt wird, ist absolut = X, kann als einfaches auf keine Weise zum Bewusstsein kommen.

Wir finden hier eine unmittelbare Übereinstimmung zwischen dem Subjektiven und Ob-jektiven: ich weiß von mir dadurch, dass ich bin, und bin, dadurch, dass ich von mir weiß. Es wäre möglich, dass alle andere Übereinstimmung beider, ob nun das Objektive aus dem Subjektiven folgen solle, wie beim Zweckbegriffe, oder das Subjektive aus dem Ob-jektiven, wie beim Erkenntnisbegriffe, nichts anderes wäre, als nur eine besondere Ansicht jener unmittelbaren Übereinstimmung; und sollte sich dies wirklich / nachweisen lassen, so wäre - da diese unmittelbare Trennung und Übereinstimmung die Form des Bewusst-seins selbst ist; jene anderen Tren- nungen und Übereinstimmungen aber den gesamten Inhalt alles möglichen Bewusstseins erschöpfen - zugleich erwiesen, dass alles, was im Bewusstsein nur vorkommen kann, durch die bloße Form desselben gesetzt sei. Wie es sich damit verhalte, wird sich ohne Zweifel im Verlaufe unserer Untersuchung ergeben.
Seite 4f.



Tätigkeit gibt es nicht überhaupt, sondern nur die eine oder die andere.

                                                            
6. Ich setze mich als tätig, heißt in dem zu untersuchenden Gemütszustande keineswegs, ich schreibe mir Tätigkeit überhaupt, sondern, ich schreibe mir eine bestimmte, gerade eine solche und keine andere Tätigkeit zu.

Das Subjektive wird, wie wir soeben gesehen haben, durch seine bloße Trennung vom Objektiven ganz abhän- gig und durchaus gezwungen, und der Grund dieser seiner mate-riellen Bestimmtheit, seiner Bestimmtheit in Rücksicht des Was, liegt keineswegs in ihm, sondern in dem Objektiven. Das Subjektive erscheint als ein bloßes Erkennen eines ihm Vorschwebenden, keineswegs und in keiner Rücksicht als ein tätiges Hervorbringen der Vorstellung. So muss es beim Ursprunge alles Bewusstseins, wo die Trennung des Subjek-tiven und Objektiven vollkommen ist, notwendig sein. Im Fortgange des Bewusstseins erscheint, aber vermittelst einer Synthesis, das Subjektive auch als frei und bestimmend, indem es als abstrahierend erscheint; und dann vermag es z. B. auch Tätigkeit überhaupt und als solche zwar nicht wahrzunehmen, aber doch frei zu beschreiben. Hier aber stehen wir beim Ursprunge alles Bewusstseins, und die zu untersuchende Vorstellung ist daher notwendig eine Wahrnehmung, d. h. das Subjektive erscheint in ihr als ganz ohne sein eignes Zutun bestimmt.

Was heißt nun das: eine bestimmte Tätigkeit, und wie wird sie zur bestimmten? Lediglich dadurch, dass ihr ein Widerstand entgegengesetzt wird; entgegengesetzt durch ideale Tä-tigkeit, gedacht und eingebildet als ihr gegenüberstehend. Wo und inwiefern du Tätigkeit erblickst, erblickst du notwendig auch Widerstand; denn außerdem erblickst du keine Tä-tigkeit.

Zuvörderst lasse man sich hierbei dies nicht entgehen: Dass ein solcher Widerstand er-scheint, ist lediglich Resultat der Gesetze des Bewusstseins, und der Widerstand lässt sich daher füglich als ein Produkt dieser Gesetze betrachten. Das Gesetz selbst, nach welchem er für uns da ist, lässt sich ableiten aus der notwendigen Trennung eines Subjektiven von einem Objektiven, und aus dem schlechthin gesetzten Verhältnisse des ersteren zum letz-teren, wie es soeben geschehen ist. Aus diesem Grunde ist das Bewusstsein des Wider-standes ein vermitteltes, keineswegs ein unmittelbares Bewusstsein; vermittelt dadurch, dass ich mich als bloß erkennendes und in dieser Erkenntnis von der Objektivität ganz abhängiges Subjekt betrachten muss.

Dann entwickle man die Merkmale dieser Vorstellung von einem Widerstande aus ihrer Entstehungsweise. Dieser Widerstand wird als das Gegenteil der Tätigkeit vorgestellt; also als etwas nur Bestehendes, ruhig und tot Vorliegendes, das da bloß ist, keineswegs aber handelt, das nur zu bestehen strebt, und daher allerdings mit einem Maße von Kraft zu bleiben, was es ist, der Einwirkung der Freiheit auf seinem eignen Boden widersteht, nim-mermehr aber dieselbe auf ihrem Gebiete anzugreifen vermag; kurz, bloße Objektivität. So etwas heißt mit seinem eigentümlichen Namen Stoff.

Ferner, alles Bewusstsein ist bedingt durch das Bewußtsein meiner selbst, dieses ist be-dingt durch die Wahrnehmung meiner Tätigkeit, diese durch das Setzen eines Widerstan-des als eines solchen. Also, der Widerstand mit dem soeben angegebenen Charakter er-strecket sich notwendig durch die ganze Sphäre meines Bewusstseins; dauert neben dem-selben fort, und die Freiheit kann nie gesetzt werden als das geringste über ihn vermö-gend, weil dadurch sie selbst und alles Bewusstsein und alles Sein wegfiele. - Die Vorstel-lung eines durch meine Wirksamkeit schlechthin nicht zu verändernden Stoffes, die wir oben in der Wahrnehmung unserer Wirksamkeit enthalten fanden, ist aus den Gesetzen des Bewusstseins abgeleitet.

Die eine der aufgeworfenen Hauptfragen ist beantwortet: wie wir nämlich dazu kommen, ein Subjektives, einen Begriff anzunehmen, der aus einem Objektiven, einem Sein, folgen und dadurch bestimmt sein soll. Es ist dies, wie wir gesehen haben, die notwendige Folge davon, dass wir ein Subjektives und ein Objektives in uns im Bewusstsein trennen und doch als eins ansehen. Das bestimmte Verhältnis aber, dass das Subjektive durch das Ob-jektive bestimmt sein soll, nicht aber umgekehrt, entsteht aus dem schlechthin gesetz-ten Verhältnissedes Subjektiven als solchen zu einem Objektiven als solchen. Und so ist das Prinzip und die Aufgabe aller theoretischen Philosophie abgeleitet.
Seiten  6-8.



Die absolute Selbstständigkeit des Begriffs gegen das Begriffene.

                                                    

7. Ich setze mich als tätig. Vom Subjektiven und Objektiven in diesem Setzen, seiner Trennung, seiner Vereinigung und dem ursprünglichen Verhältnisse beider zu einander ist zur Genüge gesprochen; nur das Prädikat, welches dem einen und unzertrennlichen Ich zugeschrieben wird, haben wir noch nicht untersucht. Was heißt doch das, tätig sein, und was setze ich eigentlich, wenn ich mir Tätigkeit zuschreibe?

Das Bild der Tätigkeit überhaupt, einer Agilität, Bewegung oder wie man es mit Worten ausdrücken mag, wird bei dem Leser vorausgesetzt und lässt sich keinem andemonstrie-ren, der es nicht in der Anschauung seiner selbst findet. Diese innere Agilität lässt dem Objektiven als solchen schlechthin sich nicht zuschreiben, wie wir soeben gesehen haben; es besteht nur und ist und bleibt, was es ist. Nur dem Subjektiven, der Intelligenz als sol-cher, kommt sie der Form ihres Handelns nach zu. Der Form nach, sage ich; denn das Materielle der Bestimmung soll, wie wir oben gesehen haben, in einer anderen Beziehung durch das Objektive bestimmt sein. /

Das Vorstellen, seiner Form nach, wird angeschaut als freieste innere Bewegung. Nun soll ich, das Eine unteilbare Ich, tätig sein; und das, was auf das Objekt wirkt, ist ohne allen Zweifel dies Objektive in mir, die reelle Kraft. Dies alles bedacht, lässt meine Tätigkeit sich nur so setzen, dass sie ausgehe vom Subjektiven, als bestimmend das Objektive; kurz, als eine Kausalität des bloßen Begriffs auf das Objektive, welcher Begriff insofern nicht wieder durch ein anderes Objektives bestimmt werden kann, sondern absolut in und durch sich selbst bestimmt ist.


Es ist jetzt auch die zweite der oben aufgeworfenen Hauptfragen beantwortet: Wie kom-me ich dazu, anzunehmen, dass ein Objektives aus einem Subjektiven, ein Sein aus einem Begriffe erfolge? - und es ist dadurch das Prinzip der ganzen praktischen Philosophie ab-geleitet. Diese Annahme kommt nämlich daher, weil ich mich absolut als tätig setzen muss - aber, nachdem ich ein Subjektives in mir und ein Objektives unterschieden habe, diese Tä-tigkeit nicht anders beschreiben kann, denn als eine Kausalität des Begriffs. 

- Absolute Tätigkeit ist das eine schlechthin und unmittelbar mir zukommende Prädikat; Kausalität durch den Begriff ist die durch die Gesetze des Bewusstseins notwendig ge-machte und einzig mögliche Darstellung desselben. In dieser letzten Gestalt nennt man die absolute Tätigkeit auch Freiheit. Freiheit ist die sinnliche Vorstellung der Selbsttä-tigkeit, und dieselbe entsteht durch den Gegensatz mit der Gebundenheit des Objekts und unserer selbst als Intelligenz, inwiefern wir dasselbe auf uns beziehen.

Ich setze mich frei, inwiefern ich ein sinnliches Handeln oder ein Sein aus meinem Be-griffe, der dann Zweckbegriff heißt, erkläre. Das oben aufgestellte Faktum: Ich finde mich wirkend, ist daher nur unter der Bedingung möglich, inwiefern ich einen von mir selbst entworfenen Begriff voraussetze, nach welchem die Wirksamkeit sich richten und durch ihn sowohl  begründet als materialiter bestimmt sein soll. Wir erhalten sonach hier außer den schon oben aufgestellten mannigfaltigen Merkmalen in der Vorstellung unserer  Wirksamkeit noch ein neues, welches oben zu bemerken nicht nötig war, und das hier zugleich mit abgleitet wurde. Aber es ist wohl zu merken, dass das vorhergegangene Entwerfen eines solchen Begriffs nur  gesetzt werde und lediglich zur sinnlichen Ansicht unserer Selbsttätigkeit gehöre.

Der Begriff, aus welchem eine objektive Bestimmung erfolgen soll, der Zweckbegriff, wie man ihn nennt, ist, wie soeben erinnert worden, nicht selbst wieder durch ein Objektives bestimmt, sondern er ist absolut durch sich selbst bestimmt. Denn wäre er dies nicht, so wäre ich nicht absolut tätig und würde nicht unmittelbar so gesetzt, sondern meine Tätig-keit wäre abhängig von einem Sein und dasselbe vermittelt, welches gegen die Vorausset-zung läuft. Im Verlauf des angeknüpften Bewusst-Seins obwohl nicht bestimmt, doch be-dingt; so aber ist hier, beim Ursprunge alles Bewusstseins, wo von der Tätigkeit ausgegan-gen wird und dieselbe absolut ist, die Sache nicht anzusehen. - Das wichtigste Resultat hieraus ist dieses: 

Es gibt eine absolute Unabhängigkeit und Selbstständigkeit des Begriffs (das Kategorische in dem sogenannten kategorischen Imperativ) zufolge der Kausalität des Subjektiven auf das Objektive, ebenso wie es ein absolutes durch sich selbst gesetztes Sein (des materiel-len Stoffs) geben soll, zufolge der Kausalität des Objektiven auf das Subjektive; und wir haben sonach die beiden Enden der ganzen Vernunftwelt aneinander geknüpft. (Wer nur wenigstens die Selbstständigkeit des Begriffs gehörig fasst, dem wird damit das vollkom-mene Licht über unser ganzes System und mit ihm die unerschütterlichste Überzeugung von der Wahrheit desselben entstehen.)
Seiten 8 - 10


Das Objektive stammt aus dem Begriff.

                                                            

8. Aus dem Begriff erfolgt ein Objektives. Wie ist dies möglich und was kann es heißen? Nichts anderes, als dass der Begriff selbst mir als etwas Objektives erscheine. Aber der Zweckbegriff, objektiv angesehen, wird ein Wollen genannt, und die Vorstellung eines Wollens ist gar nichts anderes, / als diese notwendige Ansicht des - selbst nur um unserer Tätigkeit bewusst zu werden, gesetzten - Zweckbegriffs. Das Geistige in mir, unmittelbar als Prinzip einer Wirksamkeit angeschaut, wird mir zu einem Willen.

Nun aber soll ich auf den schon oben seiner Entstehung nach beschriebenen Stoff wir-ken. Aber es ist mir unmöglich, eine Wirkung auf ihn zu denken, außer durch das, was selbst Stoff ist; und wiefern ich mich so erblicke, nenne ich mich einen materiellen Leib. Ich, als Prinzip einer Wirksamkeit in der Körperwelt angeschaut, bin eine artikulierter Leib, und die Vorstellung meines Leibes ist nichts anderes denn die Vorstellung meiner selbst als Ursache in der Körperwelt; mithin nichts anderes als eine gewisse Ansicht meiner ab-soluten Tätigkeit.

Nun soll aber doch der Wille Kausalität und zwar eine unmittelbare Kausalität haben auf meinen Leib; und nur soweit, als diese unmittelbare Kausalität des Willens geht, geht mein Leib als Werkzeug oder als Artikulation. (Bis zur Ansicht meines Leibes als einer Organi-sation erstreckt sich diese vorläufige Übersicht nicht.) Der Wille wird daher vom Leibe auch unterschieden; erscheint daher nicht als dasselbe. Aber diese Unterscheidung ist nichts anderes denn eine abermalige Trennung des Subjektiven vom Objektiven, oder noch bestimmter: eine besondere Ansicht dieser ursprünglichen Trennung. Der Wille ist in diesem Verhältnisse das Subjektive, und der Leib das Objektive.
Seiten 10 - 11


Das einzige Absolute ist Tätigkeit.

 Rodin                                                                                      

9. Aber meine wirkliche Kausalität, die Veränderung, die dadurch in der Sinnenwelt erfolgen soll, die durch diese Kausalität veränderliche Sinnenwelt, was sind sie?

Indem ein Subjektives in mir selbst sich in ein Objektives, den Zweckbegriff in einen Willensentschluss und dieser in eine gewisse Modifikation meines Leibes verändern soll, stelle ich ja offenbar mich selbst vor als verändert. Aber das letzte, was ich zu mir rechne, mein körperlicher Leib, soll in Ver-/bindung mit der gesamten Körperwelt stehen; wie daher der erste als verändert angeschaut wir, wird notwendig auch die letzte so erblickt.


Das durch meine Wirksamkeit veränderliche Ding oder die Beschaffenheit der Natur ist ganz dasselbe, was das Unveränderliche oder die bloße Materie ist; nur angesehen von einer anderen Seite; ebenso wie oben die Kausalität des Begriffs auf das Objektive, von zwei Seiten angesehen, als Wille und als Leib erschien. Das Veränderliche ist die Natur - subjektiv, und mit mir, dem Tätigen, in Verbindung angesehen; das Unveränderliche, die-selbe Natur, ganz und lediglich objektiv angesehen und unveränderlich, aus den oben an-gezeigten Gründen.

Alles in der Wahrnehmung unserer sinnlichen Wirksamkeit liegende Mannigfaltige ist gegenwärtig aus den Gesetzen des Bewusstseins abgeleitet, wie gefordert wurde; wir finden als letztes Glied unserer Folgerungen dasselbe, wovon wir ausgingen, unsere Un-tersuchung ist in sich selbst zurückgelaufen und also geschlossen.

Das Resultat derselben ist kürzlich folgendes: Das einzige Absolute, worauf alles Be-wusstsein und alles Sein sich gründet, ist reine Tätigkeit. Diese erscheint zufolge des Ge-setzes des Bewusstseins und insbesondere zufolge seines Grundsatzes, dass das Tätige nur als vereinigtes Subjekt und Objekt (als Ich) erblickt werden kann, als Wirksamkeit auf et-was außer mir. Alles, was in dieser Erscheinung enthalten ist, von dem mir absolut durch mich selbst gesetzten Zwecke an, an dem einen Ende, bis zum rohen Stoffe der Welt, an dem anderen, sind vermittelnde Glieder der Erscheinung, sonach selbst auch nur Erschei-nungen. Das einzige rein Wahre ist meine Selbstständigkeit.
Seite 11f. 

Dienstag, 24. Januar 2023

Real und ideal gilt nur relativ.

 blackflip                                      aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Es folgt also

Die Lehre von der produktiven Einbildungskraft.


Um uns den Weg zu bahnen, untersuchen wir erst etwas anderes. Wir orientieren uns eigentlich. Das gegenwärtig überlegte Denken war das reale Denken, es ist vermittelt durch das Denken der Bestimmtheit, einer verursachenden sachlichen / Kraft. Diese ist in gewisser Beziehung auch ideal. Es ist demnach hier Synthesis des Idealen und Realen.

(Die Begriffe Ideales uns Reales gelten nur relativ, in den Zwischenräumen liegen Mittel-glieder, die ideal und real sind, je nachdem man sie vorwärts oder rückwärts bezieht.)

Diese Synthesis und ihre Bestimmtheit ist wieder durch eine andere Synthesis vermittelt. Wir sehen, dass wir anstatt des obigen Plans, ein einzelnes Denken aneinander zu knüp-fen, lauter Synthesen aufstellen. Die vermittelnde Synthesis nun, durch welche  hindurch die Bestimmtheit der physischen Kraft bestimmt würde, wäre das Entwerfen des Zweck-begriffs, in der folgendes liegt: das Entwerfende, Tätige, dem - inwiefern es Intelligenz ist - entgegensteht die tätig sinnliche Kraft; zweitens das Bestimmte, was den wirklichen Zweckbegriff hat.

Beides ist nur durcheinander möglich, dies ist nun selbst in gewisser Rücksicht im Ver-hältnisse der Idealität und Realität; nur betrachte man diese Objektivität noch nicht sinn-lich, es ist bloß von Anhalten und Bestehen des Denkens die Rede, beides ist offenbar beieinander. Im Entwerfen ist die Aussicht auf den künftigen Zweckbegriff, im Realen ist der aufgefasste bestimmte Begriff vom Zwecke. (Wir können sagen: Das Ich entsteht für sich durch eine Synthesis seiner selbst als ideal und real, als bloß denkend und [bloß] füh-lend.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 199f. 



Nota. - Dass die Wissenschaftslehre den Gang des lebendigen Vorstellens nachzeichne und nicht das Verhältnis definierter Begriffe zueinander, ist keine formale Unterschei-dung. Der Begriff ist eingegrenzt, er endet, wo der Nachbarbegriff (den man insofern als seinen Gegen-Satz ansehen kann) anfängt. Im  lebendigen Vorstellen bleiben die Begriffe gleichsam als bloße Markierungen am Wegrand liegen; tatsächlich verweist jeder (reale) Fort-Schritt im Denken schon auf den möglichen nächsten und, wenn man (ideal) rück-wärts blickt, noch auf den vorangegangenen. - Es ist ja immer nur ein Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten, und wo immer man sich befindet, ist - relativ; wie die Unterscheidung von Real und Ideal.
JE 8. 3. 17




Montag, 23. Januar 2023

Das Gefühlte ist das apriori Bestimmte und Bedingung allen Bestimmens.

                      aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Wir kennen die Sphäre des Bestimmbaren noch nicht anders als unter dem Prädikate eines ins Unendliche teilbaren Mannigfaltigen; aber ein solches ist nichts, ein solches ins Unend-liche Teilbare gibt keine Anhalten, kein Bindendes, mithin keine ideale Tätigkeit und mit-hin auch keine Tätigkeit ins Unendliche. Mithin widerspricht sich der Begriff von Etwas, welches weiter nichts sein soll als teilbar / ins Unendliche. Und da dieser Begriff unter den Bedingungen des Bewusstseins vorkommt, so käme uns letzteres [als] ein Unmögli-ches vor.

Es müsste sonach etwas Positives, welches nicht weiter teilbar wäre, angenommen wer-den, um die ideale Tätigkeit des praktischen Vermögens zu erklären; dies ist aber ein Rea-les, das Unteilbare müsste also unteilbar sein als Realität, als Quantität aber müsste es wohl teilbar sein. Nun soll die ideale Tätigkeit hier so gebunden sein: nicht, dass sie als Bewegliche fortgerissen werde, sondern dass sie angehalten und fixiert werde.


Das, was die ideale Tätigkeit fixiert, soll Stoff einer Wahl sein; aber die Wahl kann nur mit Be-wusstsein des Gewählten* geschehen, aber es gibt kein Bewusstsein von Etwas ohne Entgegensetzung. Sonach müsste es in dieser Ansehung Zustände des Gemüts geben, die nur Einheit und Gleichheit sind, nicht aber Vielfalt in eben und demselben Zustande. Es muss Grundeigenschaften geben (die nicht weiter zergliedert werden können) des Be-stimmbaren und ein Sein dieses Bestimmbaren.


Alles, was auf ideale Tätigkeit sich bezieht, ist Setzen, und entweder Tätigkeit des Ich, Gebundenheit der idealen Tätigkeit, oder Sein des NichtIch; ein Gesetztsein, durch wel-ches ein Werden und Machen negiert wird. Wenn die Möglichkeit der Entgegensetzung so abgeleitet wird, so wird der oben behaupteten Teilbarkeit ins ins Unendliche nicht wider-sprochen, denn ich kann ja dasselbe Sein vermehren oder vermindern.

Das oben Gezeigte wird sich unten zeigen als dasjenige, was durch das unmittelbare Ge-fühl gegeben ist, z.B. rot, blau, süß, sauer. In diesen Gefühlen ist der Zustand des Gemüts nicht Vielheit, sondern Einheit. Die Vielheit findet aber dabei statt, nämlich dem Grade nach, ich kann mehr oder minder Rotes, aber ich kann nicht sagen, wo es aufhört, rot zu sein. Wie ist das Setzren oder das Bewusstsein dieses Etwas möglich? Wie kommts in das Ich?

Dieses Etwas und das Bewusstsein davon geht allem Handeln voraus, denn das Handeln ist da-durch bedingt. Das Gegeben ist die Sphäre alles möglichen Handelns; das Han-deln aber ist absolut nichts Einfaches, sondern ein Zweifaches. Es liegt gleichsam eine Ausdehnung des sich-selbst-Affizierens und ein Widerstand desselben, der es aufhält und zu einem Anschaubaren macht, darin.

Was in der Sphäre des Bestimmbaren liegt, ist das Handeln. Jedes Mögliche muss etwas dem Ich Angehöriges (Tätigkeit) und etwas ihm Widerstrebendes sein. Dieses  Etwas ist als ein wirkliches Handeln nicht gesetzt; was also davon dem Ich angehört, ist nicht zu erklären aus einer wirklichen Selbstaffektion. Das Ich wird hier nur gesetzt als das Ver-mögen des Handelns in diesem Mannigfaltigen. Nun kommt aber dieses Vermögen hier nicht vor als ein bloßes Vermögen, als ein Mögliches im Denken, sondern als ein An-schaubares, welchem in sofern der Charakter des Seins zukommt.

Der Charakter des Seins ist Bestimmtheit, folglich müsste hier liegen ursprüngliche Be-stimmtheit zum Handeln überhaupt. – Das Ich, sobald es gesetzt ist, ist nicht frei zu handeln überhaupt, sondern nur, ob es dieses oder jenes handeln will. Wir bekommen hier ein notwendiges Handeln. Das Wesen des Ich ist Tätigkeit, folglich wäre hier ein Sein der Tätigkeit. Das den Begriff von seinem Willen entwerfende Ich ist gebunden, aber die Gebundenheit deutet auf ein Sein, und zwar auf ein eigentliches Sein. Das Bindende und insofern Setzende ist dem Ich angehörig, aber das Ich ist hier praktisch (Tätigkeit), sonach ist hier ein Sein der Tätigkeit.

Beide sich widersprechende Begriffe sind hier vereinigt (nämlich Sein und Tätigkeit), und diese Vereinigung wird hier betrachtet als ein Gefundenes. Ich finde etwas, aus welchem ich mein Handeln zusammensetze; in diesem liege ich selbst, also hier wird Tätigkeit ge-funden. Diese Tätigkeit ist eine zurückgehaltene Tätigkeit, und davon bekommt sie den Charakter des Seins. So etwas ist aber ein Trieb, ein sich selbst produzierendes Streben, das im Innern dessen, dem es zugehört,  gegründet ist [...], es ist Tätigkeit, die kein Han-deln ist, etwas Anhaltendes, die ideale Tätigkeit Bestimmendes, eine innere, fortdauernde Tendenz, den Widerstand zu entfernen.

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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982,  S. 64ff.


Nota. - Als Fühlendes ist das Ich nicht mehr bloßes Vermögen, sondern ist anschaubar und dadurch zu einem Sein geworden. Davon geht alles Handeln aus. Oder so rum gesagt: Indem es vom Fühlen zum Handeln übergeht, erweist sich überhaupt erst das Vermögen. 
JE 30. 12. 15



Nota. Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

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