 zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
                              zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik2. Jetzt, da das 
eigentlich Reale in Absonderung aufgestellt worden ist, soll gesprochen 
wer-den von dem Idealen in Rücksicht auf dasselbe, nämlich auf unseren 
Zustand. 
Eine solche ideale Tätigkeit, die auf etwas schon Vorausgesetztes geht, heißt Reflexion. 
A. Die Reflexion ist schlechthin frei in der Wahl des Mannigfaltigen, 
auf welches sie geht, es ist kein absoluter Grund da, warum sie dies 
oder jenes wähle. 
(Ich bin da nach meinem ursprünglichen Sein, darauf soll reflektiert werden; durch die Re-flexion und die Ge/setze,  an welche die Reflexion gebunden ist, wird mein Sein ein Man-nigfaltiges.)
Das Reflektierende ist Ich und zwar ideales Vermögen, welches durch die oben aufgezeigte Bestimmung des realen
 Ich nicht bestimmt ist. Aber es ist Charakter der Ichheit, sich 
schlechthin selbst zu bestimmen, absolut Erstes, nie Zweites zu sein; 
die Reflexion ist also absolut frei. Diese absolute Freiheit der 
Reflexion ist selbst etwas Übersinnliches; in der Ge-bundenheit, nur auf 
Teile und nur auf solche [?]
 Teile reflektieren zu können, tritt erst das Sinnliche ein. Hier ist 
der Vereinigungspukt der übersinnlichen und sinnliche Welt angege-ben.
Die in dieser Reflexion
 entstehende Bestimmtheit ist Abbildung meiner selbst im Kleinen, aber 
kein Ich ohne absolute Freiheit, sonach muss auch diese darin vorkommen.
Diese Freiheit der 
Reflexion ist auch auf der andern Seite empirisch, und ein empirisches 
Ich ist nur möglich durch diese Freiheit; das Wesen der Empirie besteht 
in diesem allmäh-lichen Auffassen und Hinzusetzen (dies ist sinnlich). 
Aber in diesem Auffassen und Hinzu-setzen besteht die Freiheit (dies ist 
übersinnlich). Wir haben hier die Synthesis der Freiheit und der Empirie
 der Reihenfolge, eins kann ohne das andere nicht sein. Das Intelligible
 ist nur, in wiefern es zur Reihenfolge hinzugedacht wird, um das 
Mannigfaltige in ihr zu verei-nigen; die Reihenfolge ist nicht möglich 
ohne die Freiheit, da sie erst durch die Freiheit der Reflexion zu 
Stande kommt.
Hier haben wir den wahren Entstehungspunkt des Bewusstseins, die Freiheit der Reflexion.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 156f.
Nota. - Das 'eigentlich Reale' ist unser 'Zustand'. Das ist einmal ein klares Wort. 'Ideal' ist meine Reflexion
 auf denselben. Reflektieren kann ich auf meinen Zustand aber nicht als 
auf ein Ganzes, ich löse ihn auf in Mannigfaltige, diese müsste ich 
eines nach dem andern auf-fassen und eins zu den andern hinzufügen: Das 
ist das Empirische (also eigentlich Sinnli-che) daran; aber welches von den Mannigfaltigen ich wähle und ob ich überhaupt wähle, ist Sache meiner Freiheit, und die ist das Intelligible daran.
(Will sagen: In welche 'Teile' und in 'wieviele' ich meinen 'ganzen Zustand' vermannigfaltige, ist Sache meines Wollens.) Fichte scheint die Freiheit hier aber nur auf die 'Reihenfolge' beziehen zu wollen.
Ich
 glaube hierin Kants transzendentale Synthesis wiederzuerkennen. Unklar 
bleibt mir: Frei bin ich in der Wahl, in welche und in wieviele 
Mannigfaltige ich meinen ganzen Zu-stand zerlege. Aber mein ganzer Zustand
 soll es am Schluss der Reihenfolge doch wieder werden, nicht wahr? 
Welches ist das Kriterium? Und liegt auch dies in meiner Freiheit? 
JE, 12. 1. 17 
 
 
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