Samstag, 30. September 2023

Ich und das Absolute.

                                                                aus Philosophierungen

Den gestrigen Eintrag würde ich so umformulieren wollen:

Vernünftig ist ein freier Wille, der als Maß für sich nichts Geringeres gelten lässt als das Absolute.

Das Absolute ist das Maß der Vernünftigkeit. Vernünftigkeit ist eine Sache der Selbstach-tung.

Dagegen sind zwei Einwände möglich: 1) Ein Absolutes gibt es nicht. 2) Der Wille ist nicht frei. Praktisch bedeuten sie beide dasselbe: Es gibt keine Vernunft.
26. 11. 15



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Freitag, 29. September 2023

Indiziert der Denkzwang ein 'An sich' der Vernunft?

  Sixt. Kapelle                 aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Das eigentliche Mysterium, das Fichte immer wieder mal umschleicht, aber nie wirklich aufs Korn nimmt, ist das Faktum des 'Denkzwangs': Ich kann nicht anders denken als dass zwei mal zwei vier ist - ob ich nun mit Äpfeln rechne oder ein ausgefeiltes arithme-tisches System habe. Es ist dieses Faktum, das seine Vernunft schwankend macht und den Gedanken, dass der Mensch seine Vernunft selber mache, an die Annahme verrät, dass die Vernuft 'da' war, bevor je ein Mensch gedacht hat. 

Ich kann mich freilich Wahnvorstellungen hingeben, und dann ist zwei mal zwei womög-lich fünfunddreißig. Doch dann ist jede Art von Verkehr in einer 'Reihe vernünftiger We-sen' abgeschnitten. Der ist allerdings die Nagelprobe auf die Vernünftigkeit meines Vor-stellens, und wenn ich vernünftig bleiben will, dann geht's nur so. 

Mysteriös bleibt es. Man kann es sich vielleicht so erläutern, dass das Ensemble meiner Vor-stellungen zu einem System gefügt ist, das auf Prämissen ruht, die aufeinander gebaut sind; Bilder, die im Innern unbestimmt bleiben, aber nach außen hin Anderes ausschlie-ßen. In der Wissenschaftslehre ist das transzendental dargestellt, 'so, als ob' das allezeit und immer wieder aufs Neue geschähe; genauer gesagt, jenseits der Zeit.

Etwas, das in der Zeit geschieht, sich aber nicht in der Zeit darstellen lässt. Ein solches ist auch Gegenstand der Hirnphysiologie. Das Geschehen im Gehirn wird systemisch aufge-fasst, nicht kausal, wo eines auf das andere folgt. Das unterscheidet es vom diskursiven, logischen Denken; oder besser, das unterscheidet das logisch-diskursive Denken von ihm. Aber nicht nur dies. Der Hauptunterschied ist: Wenn auch die Hirnphysiologie in ihrer Betrachtung systemisch verfährt, so betrachtet sie doch immer nur die Form der Verknüp-fungen, die Form der Weitergabe, und womöglich die formalen Alterationen, die das Wei-tergegebene durch das Weitergeben erfährt. Nicht aber das, was weitergegeben wird. 

Wie ist es möglich, dass aus einer Vorstellung - die ja kein eingegrenzter Begriff, sondern ein unbestimmtes Bild ist - nur diese andere, aber nicht irgendeine beliebige Vorstellung folgen kann? Eben dadurch, dass die miteinander verkehrende 'Reihe vernünftiger Wesen' nicht in Vorstellungen miteinander verkehrt - die sich, weil sie nicht bestimmt eingegrenzt sind, nicht diskursiv verknüpfen lassen -, sondern sie zum Behuf der Weitergabe (und schon, um während des Sprechens nicht zu vergessen, was man sagen wollte) eben be-stimmen muss: zu Begriffen,;die sie begreifen können, und die mir erlauben, meine Vor-stellungen zu behalten und zu einander zu ordnen.

Behalten und ordnen, das ist, unabhängig von dem jeweils Gemeinten (Vorgestellten), das, was der allgemeine Verkehr Aller miteinander auf jeden Fall ebenfalls besorgt, unabhängig von den verfolgten Zwecken im jeweiligen Augenblick. Erst das Ordnen macht das Behal-ten reell, denn was man nicht wiederfindet, hat man verloren. Aber das Ordnen ist zu-gleich die Probe darauf, ob die in Begriffen aufbewahrten Vorstellungen zu einander passen oder nicht.

Da kann man sich irren. Nämlich wenn man bei den Begriffen vorzüglich auf die Form-seite absieht. Dann kann es passieren, dass sich Vorstellungen, die einander in Herkunft und Absicht ganz fremd sind, doch ähnlich sehen. Und dass Vorstellungen, von denen eine auf der andern beruht oder die sogar einander bedingen, so aussehen, als hätten sie gar nichts mit-einander zu tun. Etwa könnte man Freiheit so definieren, dass sie mit Wil-len gar nichts zu tun hat, und Willen so, dass man ohne Freiheit wollen könnte (z. B. Schopenhauer).  

Am Anfang Freiheit - als Schluss das Absolute/Zweck der Zwecke! Kann man (sollte man nicht) jedes für sich definieren: als "Begriff"? Es sind aber Ideen, 'unbestimmbare Vorstel-lungen', die nur miteinander einen Sinn haben: wenn ich das Absolute - Zweck der Zwecke - nicht aus Freiheit wählen könnte, wenn es mir als ein Zuwählendes vorgege-ben wäre, dann würde es ein Objektives; eines, das ich für mich verantwortlich machen kann; eines, um des-sentwillen ich meine Freiheit hintergehen kann. Aber dann wäre es nicht absolut, sondern bedingt.

*


Dem Denkzwang bin ich auch nicht näher gekommen.

irgendwann Ende 2016


Aber warum Anschauung ohne Begriff blind ist; warum nicht Begreifen der 'zweite Schritt' des Erkennens ist, sondern der 'erste' - die Anschauung - durch den 'zweiten' überhaupt erst wirklich wird; weshalb also Einbilden ohne Kritik so gut wie 'gar nicht stattgefunden hat' - das wird ein wenig deutlicher.
9. 5. 18



Inzwischen - September '18 - bin  ich dem Denkzwang nahegekommen, nämlich dem, was Fichte sich darunter vorstellt; und zwar, gewissemßen als Erleuchtung - vor der Phi-losophie: Es ist die (ästhetische) Anschauung der ewigen Wahrhheit, die der Vernunft als Quell zu Grunde liegt (und der sie womöglich als ihrem Ziel entgegenströmt?).  [Da war ich wohl auf einem Holzweg. 2. 12. 21]

Donnerstag, 28. September 2023

Die Anschauung der inneren Tätigkeit zum Begriff fixieren.

                                      zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik 

Ich richte meine Aufmerksamkeit auf den Zustand der Ruhe, in dieser Ruhe wird das, was eigentlich ein Tätiges ist, ein Gesetztes; es bleibt keine Tätigkeit mehr, sondern ein Pro-dukt, aber nicht etwa ein anderes Produkt als die Tätigkeit selbst, kein Stoff, kein Ding, welches vor dem Vorstellen des Ich vorherging; sondern bloß das Handeln wird dadurch, dass es angeschaut wird, fixiert; so etwas heißt ein Begriff, im Gegensatz der Anschauung, welche auf die Tätigkeit als solche geht.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 32f.


Man nennt die innere Thätigkeit, in ihrer Ruhe aufgefasst, durchgängig den Begriff... Der Begriff ist überall nichts anderes, als die Thätigkeit des Anschauens selbst, nur nicht als Agilität, sondern als Ruhe und Bestimmtheit aufgefasst. ...

Im gemeinen Bewusstseyn kommen nur Begriffe vor, keinesweges Anschauungen als sol-che; unerachtet der Begriff nur durch die Anschauung, jedoch ohne unser Bewusstseyn, zu Stande gebracht wird. Zum Bewusstseyn der Anschauung erhebt man sich nur durch Freiheit, wie es soeben in Absicht des Ich geschehen ist; und jede Anschauung mit Be-wusstseyn bezieht sich auf einen Begriff, der der Freiheit die Richtung andeutet. Daher kommt es, dass überhaupt, so wie in unserem besonderen Falle, das Object der Anschau-ung / vor der Anschauung vorher daseyn soll. Dieses Objekt ist eben der Begriff. Nach unserer gegenwärtigen Erörterung sieht man, dass dieser nichts anderes sey, als die An-schauung selbst, nur nicht als solche, als Thätigkeit, sondern als Ruhe aufgefasst. 
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ders., Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre, [1797] SW I, S. 533f. 


Begreifen heißt, ein Denken an ein anderes anknüpfen, das erstere vermittelst des letz-teren denken. Wo eine solche Vermittlung möglich ist, da ist nicht Freiheit, sondern Mechanismus
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ders., Das System der Sittenlehre nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW IV, S. 182

 
Nota I. - Der Begriff ist nicht die Anschauung selber, sondern deren Bild: Ein Schema. Er ist nicht, wie jene, Stoff des Denkens, sondern sein Fixativ. Denn nur als ein Fixiertes kann es geprüft werden. 
21. 12. 18
 
 
Nota II. - Die Wissenschaftslehre stellt dar den Ausbildungsgang der Vernunft von der Selbstsetzung des Ich bis zur prozessierenden Bestimmung einer intelligiblen Welt durch die Reihe vernünftiger Wesen
 
Die 'Dinge' der intelligiblen Welt sind gegeben als Begriffe - Erfahrungsbegriffe und Nou-mena. In der intelligiblen Welt verkehren die vernünftigen Wesen auf diskursive Weise - indem sie ihr Denken darstellen als ein Verknüpfen von Begriffen. Dies geschieht im All-tagsgebrauch des gesunden Menschenverstands ebenso wie in den reellen Wissenschaften.
 
Eine historische Beschreibung des diskursiven Verkehrs der Reihe vernünftiger Wesen un-tereinander ist nicht Gegenstand der Wissenschaftslehre. Sie demonstriert vielmehr gene-tisch, wie die Begriffe aus Anschauungen hervorgebracht wurden. Mehr ist nicht ihres Amtes. Sie hat den Gebrauch der Vernunft vom gesunden Menschenverstand bis zu den reellen Wissenschaften gerechtfertigt. Als Kritik ist sie allenthalben berufen, ihren korrekten Gebrauch zu prüfen. Dazu mögen kritische historische Darstellungen notwendig sein - "nach Prinzipien der Wissenschaftslehre", wie Fichte sagen würde. 

Er hätte gut daran getan, diesen von ihm selbst eingeführten Unterschied in Sachen Na-turrecht und Sittenlehre besser zu beherzigen.
11. 3. 21


Begreifen heißt, ein Phänomen in Begriffe auflösen oder, was dasselbe ist, aus Begriffen zusammensetzen.

Man mag sagen, im Verfahren des Begreifens bildeten sich die Begriffe erst aus. Nun ja: Anfangen kann man mit ihnen jedenfalls nicht. Anfangen kann man immer nur durch einen Akt der Freiheit.
JE, 19. 11. 2022
 
 
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Mittwoch, 27. September 2023

Wie und was.

 Renate Korinek, Vereinigt Orange-Braun,

Der Verstand sucht Relationen auf, die Vernunft erkennt Qualitäten. Die Vernunft ope-riert, der Verstand schaut an. Dem Verstand erscheinen die Qualitäten als gegeben,  er setzt sie nur zu einander ins Verhältnis. Die Vernunft nimmt sie wahr, d. h. ‚wert’. Die Vernunft wertet, der Verstand misst.

Beide sind nicht unterschiedliche Vermögen verschiedenen Ursprungs. Das Denken ist Eins. Der Unterschied erscheint erst in der Reflexion – sobald das eine Denken sich sel-ber denkt. Es unterscheidet, was es jeweils tut – und hernach, wie. So erst entsteht der Unterschied. Er ist nicht real, sondern logisch.

Das Rätsel ist nicht, wie wir dazu kommen, Qualitäten, die schon mal da sind, miteinan-der zu vergleichen; sondern wie wir zu Qualitäten überhaupt kommen. Prägen sie sich unserm Erleben von draußen ein, oder finden wir Etwas, wenn und weil wir etwas schon gesucht haben?

Die Kritische Philosophie wie die gegenwärtige Hirnforschung geben die letztere Ant-wort; die eine aus logischen, die andere aus empirischen Gründen.

Dezember 11, 2009


Montag, 25. September 2023

Vorstellung und Begriff, oder erste und zweite semantische Ebene.

                                                                             zu Philosophierungen

Die Schwierigkeit der Transzendentalphilosophie liegt darin, dass unablässig aus der ersten semantischen Ebene in die zweite gewechselt wird, und wieder zurück. Es ist schwierig ge-nug, auf der ersten Ebene die 'reale' Tätigkeit als fortschreitendeVorstellungs arbeit darzu-stellen. Doch die reflektierende 'ideale' Tätigkeit bedient sich zum Zwecke der Kritik der Begriffe. Es lässt sich kaum vermeiden, dass sich die Begriffe immer wieder unbemerkt den Vorstellungen unterschieben, obwohl doch jene 'realer', nämlich ursprünglicher sind als sie.

22. 8. 20


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Sonntag, 24. September 2023

Das absolut Wahre.

 Bosch, Garten der Lüste         zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

"Wer nach Wahrheit sucht, kann auf das Absolute nicht verzichten" - so zitiert ein Beitrag der Neuen Zürcher  G. W. F. Hegel zu seinem morgigen zweihundertfünfzigsten Geburts-tag. Auch wenn es mich wurmt, dem großen Scharlatan Recht zu geben - an diesem Punkt kann ich nicht anders.

Aber...!

Angenommen, es gibt das Absolute, nämlich das Wahre - was wäre daran das Sinnstiften-de und Bedeutende? Dass es sie gibt? Wenn keiner davon wüsste, wäre es gehupft wie gesprungen. Das Wahre oder die Wahrheit ist nur etwas, sofern sie gilt. Nicht allein, dass von ihr gewusst würde; sondern dass die Willensakte der Menschen in ihrer Lebenswelt darauf gegründet werden. Nicht, dass dieser oder jener so handelt, und mancher doch nicht. Das läge in ihrem Belieben. Sondern dass ein jeder voraussetzt und voraussetzen kann, dass alle andern es ebenso halten.

Wahrheit ist, was als Maß aller Urteile selbstverständlich gilt. Was sie ist? Ach, was wahr ist, wäre ja in jedem Falle - ob es 'sie gäbe' oder nicht - strittig, und wäre es anders, würde es keiner brauchen. Entscheidend ist, dass es gilt; nämlich dass, wenn ohnehin gestritten wird, darüber gestritten wird. Denn nur das ist vernünftig. 

Die Suche nach dem Wahren ist nie etwas anderes als der Streit darum, was vernünftig ist.

Und was mehr ist, ist von Übel: Das Wahre und das, was bedingungslos gilt, sind dasselbe. Da ist keine Wechselbestimmung, sondern ein Pleonasmus. Mehr als danach suchen geht gar nicht.
26. 8. 20




Samstag, 23. September 2023

War der Wert schon vor dem Tausch?

  zisch-stimme                                                                                                     aus Marxiana

Die Waare, als die elementarische Form des bürgerlichen Reichthums, war unser Aus-gangspunkt, die Voraussetzung für die Entstehung des Capitals. Andrerseits erscheinen Waaren jetzt als das Product des Capitals.

Dieser Cirkellauf unsrer Darstellung entspricht sowohl der historischen Entwicklung des Capitals, für welche ein Waarenaustausch, Waarenhandel, eine der Entstehungsbedingun-gen bildet, die sich selbst aber auf der Grundlage verschiedner Productionsstufen bildet, denen allen gemein ist, daß in ihnen die capitalistische Production noch gar nicht oder nur noch sporadisch existirt. Andrerseits ist der entwickelte Waarenaustausch und die Form der Waare als allgemein nothwendige gesellschaftliche Form des Products selbst erst das Re-sultat der capitalistischen Productionsweise. /

Betrachten wir andrerseits die Gesellschaften entwickelter capitalistischer Production, so erscheint in ihnen die Waare sowohl als die beständige elementarische Voraussetzung des Capitals wie andrerseits als das unmittelbare Resultat des capitalistischen Productionspro-zesses.

Waare und Geld sind beide elementarische Voraussetzungen des Capitals, entwickeln sich aber erst zu Capital unter gewissen Bedingungen. Capitalbildung kann nicht stattfinden, ausser auf Grundlage der Waarencirculation, (welche Geldcirculation einschließt), also auf einer schon gegebnen, zu einer gewissen Umfang gediehenen Stufe des Handels, während umgekehrt Waarenproduction und Waarencirculation zu ihrem Dasein keineswegs die ca-pitalistische Productionsweise voraussetzen, vielmehr, wie ich früher schon auseinander-gesetzt, auch „vorbürgerlichen Gesellschaftsformen angehört“. Sie sind historische Vor-aussetzung der capitalistischen Productionsweise.

Andrerseits aber wird die Waare erst die allgemeine Form des Products, muß alles Product die Form der Waare annehmen, ergreifen Kauf und Verkauf nicht nur den Ueberfluß der Production, sondern ihre Substanz selbst, und treten die verschiednen Productionsbedin-gungen selbst umfassend als Waaren auf, die aus der Circulation in den Productionspro-ceß eingehn, nur auf Grundlage der capitalistischen Production. Wenn die Waare daher einerseits als Voraussetzung der Capitalbildung, erscheint andrerseits die Waare, so weit sie allgemeine elementarische Form des Products ist, wesentlich als das Product und Resultat des kapitalistischen Productionsprocesses. Producte nehmen auf frühren Productionsstu-fen theilweise die Form der Waare an. Das Capital dagegen producirt sein Product noth-wendig als Waare.

Im Maaß der Entwicklung der capitalistischen Production, i. e. des Capitals, realisiren sich daher auch die allgemeinen über die Waare entwickelten Gesetze, z. B. die den Werth be-treffenden, in den verschiednen Formen der Geldcirculation. 

Es zeigt sich hier, wie selbst früheren Productionsepochen angehörige ökonomische Ca-tegorien auf Grundlage der capitalistischen Productionsweise einen spezifisch verschied-nen, historischen Charakter erhalten.

_______________________________________________________________          K. Marx, Ökonomisches Manuskript 1863-1865, MEGA II/4.1, S. 24f.


Nota. - "...auch die allgemeinen über die Ware entwickelten Gesetze, z. B. die den Wert betreffenden" - hier ist Marx unterlaufen, was Kenner eine Hegelsch-platonische Fehl-leistung nennen würden. 

Die Preise folgen dem Spiel von Angebot und Nachfrage, sagen die von Marx so ge-nannten Vulgärökonomen; sie schwanken hin und her, nach oben und unten. Gewiss, sagt Marx, aber sie schwanken nicht frei nach Laune, sondern um eine Mittellinie. Was ist die Mittellinie? Der Durchschnitt. Wer oder was bestimmt den Durchschnitt? Der Wert, näm-lich die Reproduktionskosten der Arbeitskraft.

Das ist gewiss richtig, wenn und wo der Austausch von Waren regulär geworden ist - denn (nur) dann ist ipso facto die Warenproduktion regulär geworden. Nur wenn - nicht ein lo-kaler und momentaner 'Markt', sondern: - das Marktgeschehen nach Raum und Zeit stetig geworden ist, kann sich ein realer Durchschnitt überhaupt ausbilden, nur dann bestimmt nicht diese oder jene zufällige Verkettung von Umständen, sondern das Gesetz der gro-ßen Zahl das Geschehen, wie der von Marx geschätzte Quételet es nannte.

Wenn der Austausch von Waren und folglich die Warenproduktion regulär geworden ist, dann ist - nicht logisch, aber historisch - der Tausch der Arbeitkraft gegen Geld regulär geworden; und kann der Wert der Arbeitskraft als der Ware par excellence regulierend  in den Prozess eingreifen und einen reellen Durchschnitt bestimmen.

Auf einem lokalen Wochen- oder Monatsmarkt kann ein Statistiker aus Tabellen ex post einen Durchschnitt errechnen. Doch der ist rein fiktiv und bedeutet nichts als sich selbst. Vom Wert der Arbeitskraft wird aber behauptet, dass er regelt, in welchen Proportionen der eine Gebrauchsgegenstand tatsächlich gegen einen andern Gebrauchsgegenstand aus-getauscht wird; und zwar heute und morgen und in München so gut wie in Flensburg; im Durchschnitt, versteht sich, und ohne dass ihn einer berechnen musste.

31. 7. 18


Nota II. - Man kann auf diesem hegelisch verminten Terrain bei der Wortwahl gar nicht vorsichtig genug sein. Höre ich mich da eben sagen, der Wert bestimme den Durch-schnitt? Den Durchschnitt der Preise, um den ging es ja wohl. Doch der Durchschnitt der Preise ist der Wert. Der Durchschnitt der Preise ist das Durchschnittsergebnis aller Tauschakte in einem bestimmten Zeitraum.* Ohne sie gäbe es ihn nicht. Die tatsächlich erzielten Preise werden im Verlauf des Tauschprozesses reduziert auf ein Mittelmaß. Lediglich der Mathematiker kann meinen, der Durchschnitt existiere selbstständig, un-abhängig von allem andern; denn für ihn ist er nur eine Zahl - wie alle andern. Doch keine gezählte, sondern lediglich eine gedachte Zahl. Man erkennt es daran, dass sie... aus dem Durchschnitt der Preise post factum errechnet werden muss. 'Von sich aus' zeigt sie sich nirgends. 

*) Über Zeitraum und Weite bestimmt der Statistiker nach Gutdünken; in der Wirklichkeit gibt es nur einen Prozess ohne vorfindliche Grenzen.

 28. 8. 20


Nota III. - Wert ist gar nicht, sondern gilt; im Tauschgeschäft, wann und wo sonst? 
JE





Freitag, 22. September 2023

Das Mysterium der Transsubstantiation.

                                                                                              aus Marxiana

Wenn ein Capitalist von 500 Thalern 400 in Productionsmittel verwandelt und 100 in Kauf von Arbeitsvermögen auslegt, bilden diese 100 Thaler sein variables Capital. Mit diesen 100 Thalern kaufen die Arbeiter Lebensmittel, sei es vom selben Capitalisten, sei es von andren. Die 100 Thaler sind nur die Geldform dieser Lebensmittel, die also in der That den stofflichen Bestand des variablen Capitals bilden. 

Innerhalb des unmittelbaren Productionsprocesses existirt das variable Capital nicht mehr: weder in Geldform, noch in Waarenform, sondern in der Form der lebendigen Arbeit, die es sich durch den Kauf des Arbeitsvermögens angeeignet hat. Und nur durch diese Verwandlung des variablen Capitals in Arbeit wird überhaupt die in Geld oder Waa-ren vorgeschoßne Werthsumme in Capital verwandelt. 

Obgleich also der Kauf und Verkauf des Arbeitsvermögens, wodurch die Verwandlung eines Theils des Capitals in variables Capital bedingt ist, ein vom unmittelbaren Produc-tionsproceß getrennter und selbstständiger, ihm vorhergehender Proceß ist, bildet er die absolute Grundlage des capitalistischen Productionsprocesses und bildet ein Moment
dieses Productionsprocesses selbst, wenn wir ihn als Ganzes betrachten und nicht nur im Augenblick der unmittelbaren Waarenproduction.
_________________________________________________________
K. Marx, Ökonomisches Manuskript 1863-1865, MEGA II/4.1, S. 79 



Nota. - Vor der Produktion war das variable Kapital noch da, und nach der Produktion ist es in vergrößerter Menge wieder da. Während der Produktion selbst jedoch war es ver-schwunden. Während der Produktion ist reelle Arbeit da; für die hat die Politische Öko-nomie aber kein Zeichen. Warum auch? Die Verwandlung des Lohns in Lebensmittel, der Verzehr der Lebensmittel und deren Verbrennung zu Arbeitskraft fand außerhalb des Produktionsprozesses, außerhalb der Fabrik in der Wohnung des Arbeiters statt. 

Als er die Fabrik wieder betrat, war die Kraft da, auch wieder ihr - unveränderter - Tausch-wert; aber außerdem ihr neu hinzugekommener Gebrauchswert. Arbeit, Gebrauch, Ver-zehr - das sind qualitative Bestimmungen, die sich anschauen lassen, aber nicht in Begriffe fassen, die man zu andern Begriffen in ein logisches Verhältnis setzen kann. 

Nur eine Darstellung, die über das analytisch-diskursive Aneinanderreihen von Begriffen hinausgeht und auf das anschaulich-historisch-Faktische ausdehnt, kann daher das Ganze des Prozesses erfassen.
JE, 30. 8. 18





Nota -
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Donnerstag, 21. September 2023

Hegel und das System.

                                                            zu Philosophierungen

Seinen größten Ruhm hat Hegel als Systembaumeister erworben. Doch auch darin war er nicht originell, auch darin folgte er Fichte. Die pedantischen Rationalisten vor Kant hatten wohl ebenfalls Gott und die Welt behandeln wollen, aber hatten die einzelnen Definitio-nen (aus viel mehr bestand ihre Philosophie nicht) wie Perlen nach- und nebeneinnder auf eine Schnur gezogen: jedes philosophische Fach sauber geordnet für sich. Kant hatte den Vernunftgebrauch kritisch seziert, doch empfand er bis ans Ende einen Mangel dar-in, dass er die einzelnen Stücke nicht wieder zusammengebracht hatte; sein voluminö-ses Opus postumum zeugt davon.

Das wollte nun Fichte unternehmen: nach der Analysis die Synthesis. Doch da er meinte, von den Dingen selber könnten wir nichts wissen, sondern lediglich von den Vorstellun-gen, die wir uns von ihnen machen, konnte nicht die Welt, sondern allein die uns in ihr umtreibende Vernunft Gegenstand der Philosophie sein. Als ihren Anfang hatte er einen einzigen Grund ausgemacht, und aus dem allein musste sie entwickelt werden; musste sie sich entwickelt haben. Das war es, was ihn befugte, sie als ein System darzustellen.

Während aber Fichte sein System der Vernunft vor den Augen seiner Leser (und Ohren seiner Hörer) Schritt für Schritt aus den analytisch aufgefundenen Voraussetzung ent-wickelt, setzt Hegel es seiner Darstellung stillschweigend voraus: Es ist die Plotin'sche Denkfigur vom reinen Sein, das sich im Werden von sich selbst entfremdet, um, erfah-rungsgesättigt, zu sich zurückzufinden. Ein spekulatives Dogma, das von Plotin nicht entwickelt, sondern dichterisch erzählt wird. Eine Märchenerzählung, der man Glauben schenken mag oder auch nicht.

Was Plotin bei aller Erzählkunst nicht plausibel machen kann, ist: warum sich das reine Sein leer fühlt, beziehungsweise: was es daran stört. Was fehlt ihm denn? Die Fülle könnte ihm nur fehlen, wenn es sie schon kennte. Die Vereinigung mit dem heraklitischen Wer-den war schon das Motiv des platonischen Mythos; bei Plotin wurde es durchgekaut und gargekocht.

Hegel interpoliert einen Topos aus der deutschen Mystik: die Einheit der Gegensätze. Am Anfang der Logik setzt er dem Sein ontologisch das Nichts entgegen. In dieser Einheit halten sie's natürlich nicht lange aus, und die Erzählung bekommt ein Motiv: die "Selbst-bewegung des Begriffs". Von Hause aus schlägt er in sein Gegenteil um und so weiter. Er nimmt Fahrt auf. Denken lässt sich dabei nichts, aber man kann sich davon hinreißen las-sen. Wäh-rend Kants Schreibweise in seiner kritischen Zeit dunkel war, weil er eine völlig neue Denk weise in den überlieferten Ausdrücken formulieren musste, ist Hegel absicht-lich unverständlich, weil er sattsam bekannte Topoi aus zwei Jahrtausenden aussehen las-sen musste wie brandneue Einfälle aus eigner Produktion. Bei der Lektüre schwirrt einem daher der Kopf, als hätte man indischen Hanf zu sich genommen. Denn hätte er es an-schaulich dargestellt, hätte die Trivialität nur Häme ausgelöst. Bei Kant war die dunkle Rede notgedrungen, bei Hegel war sie Absicht.

Gefällig gemacht wurde sie durch die klassisch-antike Vokabel Dialektik. Sie galt schon damals als die Kunst, ein X für ein U vorzumachen. Indem er sie sich trotzig an die Brust heftete, ging er aber in der Offensive, die Beweislast lag bei seinen eingeschüchterten Ge-genrednern. Es handelt sich dabei um den letzten, größten Ideenklau, dessen er sich schuldig gemacht hat. Hatte er sich von Plotin/Schelling den Stoff zu seinem System ge-nommen, so stahl er das Verfahren wieder von Fichte, nicht ohne es zu einem Taschen-spielertrick zu verballhornen

Tatsächlich stammt die neuzeitliche Dialektik aus Fichtes "analytisch-synthetischem Ver-fahren", freilich mechanisiert zu einem klingenden Glasperlenspiel. Fichtes Methode war, die vorgefunden Bestimmungen analytisch zurückzuführen auf ihren 'Grund', nämlich hinter oder unter der 'allerersten' Bestimmung den Bestimmenden kenntlich zu machen und seine prädikative Qualitätdoch was er auch immer bestimmen will - er kann es nur durch Entgegensetzen! So schreitet die synthetische Rekonstruktion der Vernunft zu einem System voran.  

Hegel kehrt das um. Alles Bestimmte - aller Begriff - besteht aus der Einheit von Ge-gensätzen. Und so kommen wir schließlich zur pp. Dialektik als heimliche Selbstbewe-gung des Begriffs, der 'sich setzt' und 'entgegensetzt', 'umschlägt' und sich eine Stufe höher "in dreifacher Bedeutung" aufhebt. Man kann sich dabei nichts denken. Doch man kann dazu auf den Fußspitzen wippen.

Was aber die Rückabwicklung der Kopernikanischen Wende zur Vollendung bringt, ist seine Naturdialektik. Ganz ungeniert werden die Gesetze der Natur wieder wie bei Wolff und Baumgarten mit den Gesetzen der Vernunft identifiziert und eine ganze Welt aus Be-griffen erbaut. Allerdings nicht entwickelt. Seine Naturlehre besteht mehr aus veranschau-lichenden Beispielen als aus systematischer Konstruktion, und wenn sich ein Naturphäno-men partout nicht ins Korsett der Selbstbewegung des Begriffs fügen will, quittiert er es souverän mit tant pis pour la nature. Schließlich hätte ihn auch unter den Menschen, wie er abschließend bemerkt haben soll, nur einer wirklich verstanden, doch "auch der ver-stand mich nicht".

So hinterließ er seinen Adepten überreichlichen Stoff für ihre Exegesen, und der reichte für ein gutes Jahrzehnt. Doch dann fiel Gebäude geräuschlos zusammen, und hätten nicht die Junghegelianer so einen Lärm gemacht, hätte es das Publikum schon gar nicht mehr bemerkt. Es ist eine Tatsache, dass in der Folge die Philosophie nahezu in den Unter-grund verbannt war, und jeder Gedanke an ein philosophisches System ist  unwiderruflich diskreditiert.

Allerdings nur bei denen, die von der Geschichte des Denkens etwas wissen und wissen wollen. Die sich in der Philosophie heute unbefangen Systematiker nennen, wissen nichts und wollen nichts wissen.
JE 29. 8. 20

 

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Mittwoch, 20. September 2023

War der Wert schon vor dem Tausch?

 zisch-stimme                                                                                 aus Marxiana

Die Waare, als die elementarische Form des bürgerlichen Reichthums, war unser Aus-gangspunkt, die Voraussetzung für die Entstehung des Capitals. Andrerseits erscheinen Waaren jetzt als das Product des Capitals.

Dieser Cirkellauf unsrer Darstellung entspricht sowohl der historischen Entwicklung des Capitals, für welche ein Waarenaustausch, Waarenhandel, eine der Entstehungsbedingun-gen bildet, die sich selbst aber auf der Grundlage verschiedner Productionsstufen bildet, denen allen gemein ist, daß in ihnen die capitalistische Production noch gar nicht oder nur noch sporadisch existirt. Andrerseits ist der entwickelte Waarenaustausch und die Form der Waare als allgemein nothwendige gesellschaftliche Form des Products selbst erst das Re-sultat der capitalistischen Productionsweise. /

Betrachten wir andrerseits die Gesellschaften entwickelter capitalistischer Production, so erscheint in ihnen die Waare sowohl als die beständige elementarische Voraussetzung des Capitals wie andrerseits als das unmittelbare Resultat des capitalistischen Productionspro-zesses.

Waare und Geld sind beide elementarische Voraussetzungen des Capitals, entwickeln sich aber erst zu Capital unter gewissen Bedingungen. Capitalbildung kann nicht stattfinden, ausser auf Grundlage der Waarencirculation, (welche Geldcirculation einschließt), also auf einer schon gegebnen, zu einer gewissen Umfang gediehenen Stufe des Handels, während umgekehrt Waarenproduction und Waarencirculation zu ihrem Dasein keineswegs die ca-pitalistische Productionsweise voraussetzen, vielmehr, wie ich früher schon auseinander-gesetzt, auch „vorbürgerlichen Gesellschaftsformen angehört“. Sie sind historische Vor-aussetzung der capitalistischen Productionsweise.

Andrerseits aber wird die Waare erst die allgemeine Form des Products, muß alles Product die Form der Waare annehmen, ergreifen Kauf und Verkauf nicht nur den Ueberfluß der Production, sondern ihre Substanz selbst, und treten die verschiednen Productionsbedin-gungen selbst umfassend als Waaren auf, die aus der Circulation in den Productionspro-ceß eingehn, nur auf Grundlage der capitalistischen Production. Wenn die Waare daher einerseits als Voraussetzung der Capitalbildung, erscheint andrerseits die Waare, so weit sie allgemeine elementarische Form des Products ist, wesentlich als das Product und Re-sultat des kapitalistischen Productionsprocesses. Producte nehmen auf frühren Produc-tionsstufen theilweise die Form der Waare an. Das Capital dagegen producirt sein Product nothwendig als Waare.

Im Maaß der Entwicklung der capitalistischen Production, i. e. des Capitals, realisiren sich daher auch die allgemeinen über die Waare entwickelten Gesetze, z. B. die den Werth be-treffenden, in den verschiednen Formen der Geldcirculation. 

Es zeigt sich hier, wie selbst früheren Productionsepochen angehörige ökonomische Ca-tegorien auf Grundlage der capitalistischen Productionsweise einen spezifisch verschied-nen, historischen Charakter erhalten.

_______________________________________________________________            K. Marx, Ökonomisches Manuskript 1863-1865, MEGA II/4.1, S. 24f.


Nota. - "...auch die allgemeinen über die Ware entwickelten Gesetze, z. B. die den Wert betreffenden" - hier ist Marx unterlaufen, was Kenner eine Hegelsch-platonische Fehl-leistung nennen würden. 

Die Preise folgen dem Spiel von Angebot und Nachfrage, sagen die von Marx so genannten Vulgärökonomen; sie schwanken hin und her, nach oben und unten. Gewiss, sagt  Marx, aber sie schwanken nicht frei nach Laune, sondern um eine Mittellinie. Was ist die Mittel-linie? Der Durchschnitt. Wer oder was bestimmt den Durchschnitt? Der Wert, nämlich die Reproduktionskosten der Arbeitskraft.

Das ist gewiss richtig, wenn und wo der Austausch von Waren regulär geworden ist - denn (nur) dann ist ipso facto die Warenproduktion regulär geworden. Nur wenn - nicht ein lokaler und momentaner 'Markt', sondern: - das Marktgeschehen nach Raum und Zeit stetig geworden ist, kann sich ein realer Durchschnitt überhaupt ausbilden, nur dann bestimmt nicht diese oder jene zufällige Verkettung von Umständen, sondern das Gesetz der großen Zahl das Ge-schehen, wie der von Marx geschätzte Quételet es nannte.  

Wenn der Austausch von Waren und folglich die Warenproduktion regulär geworden ist, dann ist - nicht logisch, aber historisch - der Tausch der Arbeitkraft gegen Geld regulär gewor-den; und kann der Wert der Arbeitskraft als der Ware par excellence regulierend in den Pro-zess eingreifen und einen reellen Durchschnitt bestimmen. 

Auf einem lokalen Wochen- oder Monatsmarkt kann ein Statistiker aus Tabellen ex post einen Durchschnitt errechnen. Doch der ist rein fiktiv und bedeutet nichts als sich selbst. Vom Wert der Arbeitskraft wird aber behauptet, dass er regelt, in welchen Proportionen der eine Gebrauchsgegenstand tatsächlich gegen einen andern Gebrauchsgegenstand ausge-tauscht wird; und zwar heute und morgen und in München so gut wie in Flensburg; im Durchschnitt, versteht sich, und ohne dass ihn einer berechnen musste.

31. 7. 18


Nota II. - Man kann auf diesem hegelisch verminten Terrain bei der Wortwahl gar nicht vorsichtig genug sein. Höre ich mich da eben sagen, der Wert bestimme den Durchschnitt? Den Durchschnitt der Preise, um den ging es ja wohl. Doch der Durchschnitt der Preise ist der Wert. Der Durchschnitt der Preise ist das Durchschnittsergebnis aller Tauschakte in einem bestimmten Zeitraum.* Ohne sie gäbe es ihn nicht. Die tatsächlich erzielten Preise werden im Verlauf des Tauschprozesses reduziert auf ein Mittelmaß. Lediglich der Mathema-tiker kann meinen, der Durchschnitt existiere selbstständig, unabhängig von allem andern; denn für ihn ist er nur eine Zahl - wie alle andern. Doch keine gezählte, sondern lediglich eine gedachte Zahl. Man erkennt es daran, dass sie... aus dem Durchschnitt der Preise post fac-tum errechnet werden muss. 'Von sich aus' zeigt sie sich nirgends. 

*) Über Zeitraum und Weite bestimmt der Statistiker nach Gutdünken; in der Wirklichkeit gibt es nur einen Prozess ohne vorfindliche Grenzen.

JE , 28. 8. 20

Dynamische Darstellung, statische Kritik, I.

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