Dienstag, 31. Oktober 2023

Die zwei Haupthandlungen des Ich: der Ursprung der Dialektik.

                     zu Wissenschaftslehre: die fast vollendete Vernunftkritik 
 
Kant hat die Frage: Wie kommen wir dazu, gewissen Vorstellungen objektive Gültigkeit beizumessen, nicht beantwortet. Die Wissenschaftslehre leistet dies. Wir schreiben einer Vorstellung objektive Gültigkeit zu, wenn wir behaupten, dass unabhängig von der Vorstel-lung noch ein Ding da sei, das der Vorstellung entspreche. Beide sind so verschieden: Die Vorstellung habe ich hervorgebracht, das Ding aber nicht. Nun behauptet die Wissen-schaftslehre: Mit Vorstellungen, welche notwendig in uns sein sollen, verhält es sich so, dass wir annehmen müssen, dass ihnen etwas Äußeres entspreche; und dies zeigt sie.

Es gibt zwei Haupthandlungen des Ich; die eine, wodurch es sich selbst setzt und alles, was dazu erforderlich ist, also die ganze Welt. Die zweite ist ein abermaliges Setzen des-jenigen, was durch jene erste Handlung schon gesetzt ist. Es gibt also ein /ursprüngliches Setzen des Ich und der Welt und ein Setzen des schon Gesetzten, das erste macht das Be-wusstsein erst möglich und kann daher darin nicht vorkommen; das zweite aber ist das Bewusstsein selbst. Das zweite setzt sonach das erste voraus. Im zweiten wird sonach et-was gefunden als ohne Zutun des Ich vorhanden, worauf das Ich reflektiert. Das erste, dessen Resultat das Ding ist; dadurch zeigt sich, was eigentlich Produkt des Ich ist. 

Es wäre sonach zu unterscheiden eine ursprüngliche Thesis oder, da in ihr ein Mannig-faltiges gesetzt wird, eine ursprüngliche Synthesis, von der Analysis, wenn nämlich wieder auf das reflektiert wird, was in der ursprünglichen Synthesis liegt. Die gesamte Erfahrung ist nun bloße Analysis dieser ursprünglichen Synthesis. Das ursprüngliche Setzen kann nicht im wirklichen Bewusstsein vorkommen, weil es erst die Bedingung der Möglichkeit alles Bewusstseins ist.

Dies ist der kurze Inbegriff, das Wesen und der Charakter der Wissenschaftslehre.

_____________________________________________________________________ J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, I. Einleitung, Hamburg 1982, S. 9f.  


Nota. - Später wurde die Dialektik wurde zu einem mystischen Ding, einem Arkanum, in dem sich alles unterbringen ließ, was man nicht erklären konnte oder wohlweislich nicht erklären wollte. In ihrem Ursprung bei Fichte ist sie eine völlig rationelle Sache: Wo im-mer das Denken reflektiert - und das tut es immer, wenn es nach Gründen fragt -, be-schäftigt es sich letzten Endes mit sich selbst; und kommt daher zweimal vor: Einmal als reale, das andre Mal als ideale Tätigkeit. Und jeder Fortschritt im Denken reproduziert diese Verdoppelung immer neu.
 
JE, 3. 6. 16

 


Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

Montag, 30. Oktober 2023

Das System der Vernunft ist uns gegeben.

Newton, Philosophiae naturalis principia mathematica;               aus Philosophierungen

Die Wissenschaftslehre hat zum Gegenstand das uns heute gegebene System des Wissens. Dieses will sie verstehen: zurückführen auf seine immanenten Prämissen. Sie beschreibt nicht, wie dieses System in der historischen Wirklichkeit entstanden ist. Entstehen konnte es nur, indem aus den wirklich vorkommenden Vorstellungen progressiv alles für die Sy-stembildung Unbrauchbare ausgeschieden wurde. Es ist Material einer historischen Dar-stellung. In einer Darstellung des fertigen Systems hat es nicht zu suchen.

Der gegenwärtige Teilhaber dieses Systems - einer 'Reihe vernünftiger Wesen' - kann nicht anders, als seine Vorstellungen mit dem ihm als Apriori gegebenen System ins Verhältnis zu setzen: Seine Vorstellungen drängen zum Begriff. Dass sie von ihm "unzertrennlich" wären, trifft aber nur in der einen Richtung zu: Die Begriffe sind von den in ihnen gefass-ten Vorstellungen unzertrennlich. Doch nicht gilt die Umkehrung. Nicht jede Vorstellung bedarf ihrer Bestimmung; sondern nur diejenige, die mit den Andern (='vernünftigen We-sen') geteilt werden soll. Was ich ganz für mich behalten darf, mag unbestimmt und be-grifflos bleiben.

In einer historischen Darstellung müsste gezeigt werden, dass und wie die Vorstellungen zu Begriffen erst wurden - durch progressives Ausscheiden des Unbrauchbaren im Ver-kehr

 30. 6. 17

 

Sonntag, 29. Oktober 2023

Wie man das Entwerfen des Begriffs vom Zweck denken muss.

                      zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkrittik

1)  Im vorigen Paragraphen ist erwiesen, dass die Anschauung eines freien Handelns be-dingt sei durch die Anschauung eines frei entworfenen Begriffs vom Handeln. Für die Entwerfung dieses Begriffs ist nach dem Obigen eine Sphäre gegeben, das Bestimmbare. Dieses kennen wir als ein unendlich Teilbares von möglichen Handlungen. In dem Zu-sammensetzen dieses Mannigfaltigen soll die praktische, inwiefern es diesen Begriff durch ideale Tätigkeit bestimmt, oder die materiale Freiheit (die Freiheit der Wahl) des Ich be-stehen.

In wiefern das Ich in dieser Funktion des Begriffs ideal ist, ist es doch gebunden. Die Entwerfung des Begriffs x lässt sich nur so begreifen: Es ist der idealen Tätigkeit ein Mannigfaltiges gegeben, aus diesem setzt sie einen Begriff zusammen, sie lässt liegen, was sie will, und fasst auf, was sie will, darin besteht ihre Freiheit. Aber das Gegebene muss sie als gege-ben anschauen, und darin liegt ihre Gebundenheit. 

Kurz, es ist hier ein Übergehen von Bestimmtheit zum sich Bestimmen oder zur Be-stimmbarkeit. Die ideale Tätigkeit ist teils gebunden (bestimmt), teils frei. Die Freiheit ist das Bedingte und die Gebundenheit das Bedingende; ist nichts gegeben, so kann nicht gewählt werden. So allein kann die Entwerfung des Begriffs vom Zweck gedacht werden.
______________________________________________

J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 64


Nota I. - Nicht ein Begriff 'von Handeln überhaupt' ist zu entwerfen, das wäre Unfug; sondern ein Begriff von diesem Handeln: indem es aus einer gegebenen Sphäre von mög-lichen Handlungen eine auswählt. Diese Sphäre ist 'gegeben'. Durch was, von wem? Wohl von der Einbildungkraft, was anderes kann ich mir nicht vorstellen; höchstens noch, dass in die Einbildungkraft zuvor ein Quantum Gefühl eingegangen ist, beides zusammen er-gäbe eine Bestimmtheit, von der aus zum Bestimmen übergegangen würde. Doch wenn er es so meint - warum sagt er es nicht?
24. 8. 16
 
Nota II. - Er sagt viel später: Der Zweckbegriff wird von der Einbildungkraft nicht 'ent-worfen', nämlich konstruiert (aus eingebildetem Material?); sondern jene findet sich vor einem unendlichen Raum voll unabsehbarer Handlungsmöglichkeiten, aus denen sie wählt. 'Handeln überhaupt' muss als solches nicht vorgestellt, 'gesetzt' oder gar "be-stimmt" werden: Es ist dieser Raum selber. Er wird vorgestellt als vorgefunden.
JE 23. 11. 21

Freitag, 27. Oktober 2023

Ursprung der Dialektik.

Caravaggio                                                                                                zu Philosophierungen

'Dialektisch' muss das kritische Denken verfahren wegen der "ursprünglichen Duplizität": Ich kann mich als Subjekt nicht setzen, ohne mich zugleich als Objekt zu setzen (oder umgekehrt). Auf alles, was ich 'an sich' tue, muss ich zugleich reflektieren, weil es anders für mich nicht werden kann. 

Das ist inzwischen eine Trivialität, aber die Wissenschaftslehre ist in gewisser Weise nichts anderes als eine endlose Variation zu diesem Thema: Wer synthetisieren will, muss zuvor analysieren. Die verwirrende Schwierigkeit der Wissenschaftslehre entsteht aus dem unab-lässigen Wechsel zwischen beiden Perspektiven. (Manchmal verheddert sich Fichte an-scheinend selber und stellt die Sache umständlicher dar als nötig.)

Fichte hat den Ausdruck Dialektik nie für seine Methode in Anspruch genommen, und sein Nachfolger auf dem Berliner Lehrstuhl, der ihn zum Arkanum seines totalitären Sy-stems machte, hat aus Fichtes 'analytisch-synthetischer Methode' gerade das entfernt, was den Ausdruck Dia lektik rechtfertigen könnte: das treibende Moment des schlechterdings wollenden Subjekts, und an seine Stelle die 'Selbstbewegung des Begriffs' gesetzt - der zwar hier in dieser, dort in jener Bestimmung 'erscheint', aber doch immer er selber, im-mer Begriff bleibt; immer Objektivum.

In einer rationellen Dialektik tritt der Begriff dagegen stets nur als eine Vorstellungsweise des wollenden Subjekts auf, so wie die Anschauung auch, und wenn sie miteinander 'die Stelle wechseln' können, so nur, weil jenes seine Stellung wechselt.

27. 7. 17
 
Nachtrag. "Bloße Reflexionsphilosophie" hat Hegel die Wissenschaftslehre genannt. Das hat ihm nicht gereicht und daher hat er, was er Dialektik nannte, selbst nicht begriffen: Sie entsteht aus, sie besteht in der Wendung des Vorstellens gegen sich selbst, ich-mich: aus dem Reflektieren. Stets ist das dynamische Prius das Wollen, und begreifen ist sekundär; dieses ist real, jenes ideal. Bestimmen ist nicht anders möglich denn als Unterwerfung der ersten semantischen Ebene unter die zweite.

In jedem Vorstellungsakt geschieht, sobald er bestimmt werden soll, diese Wendung des Wollens gegen sich, die Verdoppelung meiner als eine Entäußerung; Bestimmung alsVer-fremdung. Jedes Setzen trägt als eine ursprüngliche Syn thesis deren Zerfall schon in sich. Man erkennt es daran, dass sie nach dem Zerfall überhaupt erst als eine solche wahrnehm-bar wurde: nämlich so, als wäre die Analysis vor ihr da gewesen, und sie sei ein Ergebnis - da das Setzen doch der Ursprung war.
22. 11. 21

Bewusst sein.

                                                                      aus Philosophierungen

Bewusst sein ist kein Zustand. 'Sondern ein Akt', müsste hier folgen; actus purus. Aber das ist eher ein Thema der Psychologie und interessiert Fichte eigentlich nicht. Hier geht es darum: Wenn ich mir das Bewusstsein als einen Zustand vorstelle, erscheint es als ru-hendes Objekt eines Vorstellenden und nicht selbst als vorstellend - und folglich als etwas anderes als ich, es kommt niemals in mich hinein und ich nicht in es. Die Vorstellung, dass ich auf bewusste Weise bin, und zwar in der Verlaufsform und nicht als Ruhe, wird so ab-geschnitten. 

Aber dies ist immerhin ein Wink an die empirischen Psychologen, in welcher Richtung sie suchen sollen, und so behauptet die Transzendentalphilosophie immerhin ihren Nutzen als Regulativ der realen Wissenschaften.
25. 6. 17

Was heißt kritischer Idealismus?

William Scott, Progression;      zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkrittik

Hierin dient nun die Wissenschaftslehre der Kantischen Philosophie zur Erläuterung und tieferen Begründung. Kant wollte auch nichts wissen von einem NichIch ohne Ich und umgekehrt; beide sind kritischer Idealismus und unterscheiden sich dadurch von aller vor-kantischen Philosophie.

Der kritische Idealismus ist kein Materialismus oder Dogmatismus. Kein Materialismus, der von Dingen ausgeht, kein Idealismus, der von einem Geiste als Substanz ausgeht. Kein Dualismus, der vom Geist und von Dingen an sich als abgesonderten Substanzen ausgeht. Der kritische Idealismus geht aus von ihrer Wechselwirkung als solcher, oder als Akzidenz beider (Substanz und Akzidenz sind Formen unseres Denkens.) Dadurch wird er der Notwendigkeit überhoben, eines von beiden zu leugnen. Der Materialismus leugnet das Geistige, der Idealismus die Materie. 

Dieses System hat auch nicht die unauflösliche Aufgabe, zu vereinigen, was nicht zu verei-nigen ist, nachdem es einmal getrennt worden, wie der Dualismus; es findet beide verei-nigt.

Auf diese Wechselwirkung kommt es der Wissenschaftslehre vorzüglich an. (Am besten ver-standen von Herrn Hofrat Schiller in den Briefen über ästhetische Erziehung in den Horen.) Das Ich ist nur anschaubar in der Wechsel-wirkung mit dem NichIch. Es kann außer dieser Verbindung gedacht werden, aber dann ists nicht wirklich, es ist dann nur eine notwendige Idee. Aber das NichtIch kann nicht gedacht werden, außer in der Ver-nunft. Das Ich ist das Erste, das NichtIch das Zweite, drum kann man das Ich abgeson-dert denken, aber nicht das Nicht-Ich.
______________________________________________________________________  J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 61f.



Nota. - Positio und negatio, Sein und Nichts haben nicht denselben (onto)logischen Rang. Man muss das eine vor dem andern denken, es lässt sich nicht umkehren. Die Passivität lässt sich erst vorstellen, nachdem die Aktivität angeschaut wurde; erst das Tun, dann das Lassen.

Der kritische Idealismus geht aus von der Anschauung des Handelns; erst aus ihr wird auf Ich und NichtIch geschlossen: aber das Eine als vorausgehend dem Andern.
JE 21. 8. 16

Donnerstag, 26. Oktober 2023

Omnis negatio est positio.

                                                        aus Philosophierungen

Wenn ich annehme, das Ich sei 'Tätigkeit überhaupt', dann ist diese Vorstellung nur soweit bestimmt, dass sie kein Leiden ist. Darüber hinaus ist sie gänzlich unbestimmt. Soll ich sie aber einschränken - und nichts anderes kann Bestimmern hier heißen -, so muss ich das, was sie nicht sein soll, seinerseits 'positiv' bestimmen. - Es sollte sich zeigen, dass wir auch dieses 'Positive' nur durch Entgegensetzung bestimmen können. Wenn aber Bewusstsein Bestimmtheit sein soll, dann kann es nur durch Negation entstehen.

Das ist nicht neu. Nun ist in der Wissenschaftslehre außer dem Anfang gar nichts 'neu'. Sie ist überall nur Fortbestimmung des Ersten Grundsatzes.

Tätigkeit oder Leiden, ein Drittes gibt es für die Wissenschaftslehre nicht. Ein Drittes, reine Ruhe, gibt es nur im Begriff, als Vorstellung von nicht-Etwas. Die Wissenschaftsleh-re hat aber das lebendige Vorstellen zum Gegenstand, nicht das Nicht-Vorstellen.

 2. 6. 17


Zusatz. - Indem aus einem Unbestimmt-Mannigfaltigen eines herausgegriffen und negiert wird, wird nicht nur es selbst, sondern mit ihm der unbestimmte Rest bestimmt - und sei es nur als dieser Rest.
 
Oder so: Negieren ist, wie man es auch dreht und wendet, eine Bestimmung. Sie lässt das Andere, nicht-Bestimmte, nicht unaffiziert.

Die Frage ist lediglich, ob ich berechtigt bin, mir das Unbestimmt-Mannigfaltige als ein Ganzes vorzustellen. Das wäre es wohl nur, wenn es begrenzt wäre. Dann wäre es aber wohl nicht unbestimmt. Anders wäre es indes nicht teilbar; und folglich nicht mannig-faltig.
24. 11. 21



 
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Dienstag, 24. Oktober 2023

Diskursiv und genuin (hetero- und homogen).

 pixabay                                                                                          zu Philosophierungen

Im Diskurs werden einander heterogene* Elemente ("Begriffe") logisch mit einander kombiniert. Von einem, der diskurriert: Er holt sich (irgendwoher) die Begriffe und bringt sie in einen logischen Zusammenhang. 

Beim Vorstellen wird aus der einen Vorstellung eine neue Vorstellung hervorgebracht, generiert. Von einem, der vorstellt: die erste Vorstellung sowohl als die zweite; sie beide sind homogen: Er gebiert sie beide aus eigner Dynamis.

Der Diskurs denkt nicht selber; er kann lediglich das Vorstellen darstellen, aber nur so, als ob es abgeschlossen und vergangen wäre.

 

*) In der rationalen Fiktion wird die intelligible Welt dargestellt wie ein System, in dem alle Elemente zu einander in einem Verhältnis der Wechselbestimmung stehen. In der Wirk-lichkeit sind die verwendeten Begriffe ganz unterschiedlicher Herkunft - das trifft sogar auf manche und sogar konstitutive Begriffe der Wissenschaften zu. Sie mussten erst nach träglich mit Hilfe einer speziell dafür ersonnenen Methode, der Logik, die indessen in der Grammatik vorbereitet war, zu einander in Beziehung gebracht werden, und manche mussten dabei ihre farbigsten Federn lassen und wurden blass und dünn, so dass man im täglichen Leben auf ihren Gebrauch füglich verzichtet.

Die Vorstellungen dagegen wurden eine aus der andern hervorgeholt und stehen ab ovo in einem Verhältnis der Dependenz: Die erste bedingt die folgende und so weiter. Um-kehren lässt sich die Abhängigkeit nicht: Denn am Anfang stand ein auctor. Man mag sagen, er bestimmt sich selbst durch das, was er hervorbringt, und so findet man ihn am Schluss wieder.

3. 1. 22


= ≠ ⇒ 

Das gehört ausdrücklich hervorgehoben: Das wirkliche lebendige Vorstellen hat eine Richtung, es geht von einem Täter aus - und ins Freie hinein. Das künstliche logische Verknüpfen verfährt vorwärts nicht anders als rückwärts: Da ist alles gleich. Da gibts kei-nen Anfang und kein Ende. Das Vorstellen lässt sich nicht rückwärts abwickeln, quasi zu-rück in den Täter hinein. Es hat einen Anfänger - aber ein Ende hat es so wenig wie die Logik. Doch bleibt sich hier nichts gleich, es geht immer weiter.



Montag, 23. Oktober 2023

Vorstellen und darstellen.

                                   aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Die Darstellung kann nicht anders als diskursiv verfahren. Aber in der Vorstellung selbst ist alles auf einen Schlag.

Das gilt wohlbemerkt auch empirisch. Zwar müssen wir meistens suchen, um etwas in unse-rem Bewusstseinsvorrat zu finden; aber dann kommt es uns so vor, als sei es schon die gan-ze Zeit da gewesen und habe nur darauf gewartet, aktiviert zu werden.

Tatsächlich sind die Verschaltungen zwischen den Neuronen 'schon da' – sie müssen nur noch befeuert werden. Wie steht es da aber mit Fichtes dauernder Versicherung, dass die ideale Tätigkeit 'aus Freiheit' geschehe? Dass ich in meiner Erinnerung nur finde, was ich finden will, kann ich empirisch nicht bestätigen. Ist es einmal da, kann ich jederzeit darüber stolpern, da ist mehr Zufall als Freiheit. Aber ob ich einen Wissensgehalt überhaupt erst an-lege und ablege, das hängt von mir, und das heißt: von meinem Wollen ab.

Mit dem Darstellen ist es etwas ganz anderes. Ob ich alles wiederfinden werde, wonach ich suche, mag zum Teil Zufall sein. Aber was ich dann an was anknüpfe und wie, das ist Sache meiner Freiheit: der Reflexion. Doch muss ich es in der Zeit vortragen, eines nach dem an-dern, und so wird es immer ein bisschen so aussehen, als sei das Zweite vom Ersten verur-sacht, während sie doch einander gegenseitig bedingen, und dies ohne Vor- und Nachher. Anders könnte die Wissenschaftslehre nicht vom Bestimmten auf das Bestimmende rück-schließen.

*

Es ist ein Missverständnis, dass die transzendentale Betrachtungsweise mit dem Faktischen gar nichts zu tun habe. Sie ist nicht dessen Abbildung oder Nacherzählung, das wäre über-flüssig. Aber sie ist dessen Sinndeutung, und es wäre sehr merkwürdig,* wenn sie einander gar nicht ähnlich sähen.

*) Warum dieses? Weil auch die diskursive Darstellung nicht 'das Seiende' ausspricht, son-dern immer nur, was es bedeuten soll – freilich nicht selbstreflexiv ausspricht, sondern ge-genstandsbezogen, während die Transzendentalphilosophie rekonstruiert, wie die Bedeu-tungen entstanden sein müssen; aber beide handeln von Bedeutungen, und von den Bedeu-tungen der Dinge.

18. 12. 15


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Sonntag, 22. Oktober 2023

Vorstellen und denken: Zum Apriori ist's ein Sprung.

steemit                                              aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Denken, meinen, wissen, begreifen... - all das ist vorstellen. Vorstellen in genere.

Vorstellen in specie in anschaulich: Es geschieht in Schemen, die der Einbildungskraft vorschweben - mit fließenden Konturen, irisierenden Farben und schwindelnder Per-spektive. 

Denken in specie ist nun das sukzessive Bestimmen dieser Bilder.

Man möchte meinen, das wären alles gleitende Übergänge. Jedoch gibt es einen sprin-genden Punkt. Das ist die Anschaulichkeit von Raum und Zeit. Was nicht in Raum und Zeit liegt, können wir uns nicht vorstellen, nicht in Bilder fassen, und seien sie noch so undeutlich und blass. Raum und Zeit sind die Bedingung der Anschauung.

Können wir uns aber Raum und Zeit vorstellen? 

Ewigkeit und Unendlichkeit können wir uns jedenfalls nicht vorstellen: Wir können sie denken, indem wir uns zuerst Raum und Zeit vorstellen - und dann von beiden abstrahie-ren. Abstrahieren ist von hinten dasselbe wie Reflektieren von vorn. Und es findet sich, dass wir auf Raum und Zeit überhaupt erst in dem Moment reflektieren konnten, als wir von ihnen abstrahiert haben!

Wir können uns Raum und Zeit nicht vorstellen. Vorstellen können wir uns Räume und Zeiten, die haben wir schon erlebt und gesehen. Danach können wir sie in der Vorstellung entwerfen: indem ich einen Punkt setze und mir 'alles, was um ihn herum ist', denke: Das wäre ein Raum, aber er bedarf eine Autors, der einen Punkt hineinfand. Den würde ich sehen können, wenn ich auf meine Einbildungstätigkeit genau genug reflektieren könnte, doch so lange müsste ich mit dem Einbilden aussetzen und sähe nichts. 

'Irgendwie' ist es wohl ein ununterscheidbares Kontinuum, und gar erst, wenn wir auch die Zeit noch anschauen wollen: denn dafür müssten wir uns den Punkt im Raum auch noch in Bewegung vorstellen, und zwar (wie die Reflexion sogleich bemerkt) in gleich-mäßig fließender Bewegung immer geradeaus.

Den objektiven, homogenen und unendlichen Raum muss ich mir überall und jederzeit ebenso hineindenken, wie ich mir in der Zeit eine unerschöpflich bewegende Kraft tätig denken muss. Besser gesagt: Wenn mich einer fragte, wie ich es mit dem Vorstellen ange-fangen habe, müsste ich, über mich selbst erstaunt, es ihm so darstellen. Und da ich ein kluger und auch nicht ganz ungebildeter Kopf bin, müsste ich mich sehr über mich wun-dern.

Man kann den Aufstieg des anschaulichen, bildhaften Vorstellens zum begrifflich-diskur-siven Denken nicht erzählen, ohne die Begriffe, die am Ende herauskommen sollen, von Anfang an schon zu verwenden. Doch wenn man sie verwendet, kann man den Aufstieg zu ihnen gerade nicht erzählen.  

Man muss es andersrum versuchen - das originäre Vorstellen anschaulich nachbilden und die Begriffe, in denen alle logischen Schlüsse latent schon enthalten sind, beiseite lassen. 

Dabei tut sich dieser eine große Graben auf: das, was Kant das Apriori genannt hat; Raum und Zeit und die zwölf Kategorien. Über den kommt man nicht tastend rüber, über den muss man wie oben springen. Auf der hiesigen Seite kann man an das Bilden von Erfah-rungsbegriffen gehen, über die man immer noch streiten, aber schließlich doch mit logi-scher Schärfe urteilen kann. 

 Jenseits hat man es erst noch mit anschaulichen Vorstellungen zu tun, von denen man fließende Bilder - Schemen - zeichnet und immer nur hoffen kann, dass der, dem man sie zeigt, willens ist, wiederzuerkennen, was man selber gesehen hat: denn das müsste er sich einbilden. Zum Einverständnis zwingen wie im diskursiven Verfahren kann man im Reich bloßer Vorstellung niemand. 

Darum heißt dieses Reich transzendental, weil man rückwärts dorthin nur springen ;kann.


Samstag, 21. Oktober 2023

System des Wissens, Anfang und Ende.

 ak.spiele                         aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Begründet wird das Wissen durch die Selbstsetzung des Ich in der pp. Tathandlung – als einem Fakt

Rechtfertigen muss es sich vor der Idee des Wahren (Absoluten, Unbedingten, An-sich, Endzweck usw.).

19. 12. 15

Freitag, 20. Oktober 2023

Das Vernunftwesen ist ein Körper, der durch Freiheit bestimmbar ist.

   Myron                                      zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Dieses Vernunftwesen ist Körper, weil es als wirksam erscheint, sein Körper ist bestimm-bar durch Freiheit; so fällt er mir aus, weil ich angenommen habe, es sei ein freies Wesen. Er ist modifizierbar ins Unendliche.

Nun ist Materie nur durch Teilung und Bewegung modifizierbar, hierin müsste also eine Modifikabilität ins Unendliche bestehen. Es müsste selber darin bestehen, dass es von der Freiheit abhinge, was als Teil und was als Ganzes betrachtet werden sollte; dass jedem Tei-le eine eigne und eine mit dem Ganzen gesetzte Bewegung zugehöre; dass er artikuliert sei. Dies findet sich in der Erfahrung, von dieser Eigenschaft hängt alle Wirksamkeit in der Sinnenwelt ab. ______________________________________________________________________J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 235

Nota I. - Das Vernunftwesen ist nicht teils Körper, teils Vernunft, sondern: Es ist als gan-zes 1. Körper wie jeder andere; 2. wirkt es in der Sinnenwelt, wie alle andern Tiere; 3. es wirkt als Ganzes, denn es ist, wie die Tiere, artikuliert; 4. sein Wirken wird qua Artikulation bestimmt durch Freiheit: das unterscheidet es von den Tieren und macht es zum Vernunft-wesen.

Das ist keine Zusammensetzung aus Mannigfaltigen, sondern eine sukzessiv durchgängige Bestimmung; nicht dieses wird jenem angefügt, sondern dieses erfolgt aus jenem.

 

Nota II. - Bei den Begriffen handelt es sich bekanntlich nicht um Bestimmtheiten der Sachen selbst, sondern um Bestimmungen, die die Vorstellung vornimmt, sobald sie auf sich reflektiert.

JE

Dynamische Darstellung, statische Kritik, I.

spandau-arcaden                                             aus Philosophierungen Die genetische Darstellung unterscheidet sich von de...