dreamstime zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Ausdrücklich und ganz bestimmt durch das Nichtphilosophieren, d. h. dadurch, daß man zur philosophischen Abstraktion sich nie erhoben oder von der Höhe derselben sich wieder in den Mechanismus des Lebens [und] gemeinen Denkens hineinversetzt, entsteht uns alle Realität; und umgekehrt, sowie man sich zur Spekulation erhebt, verschwindet diese Realität gänzlich. Nun ist das Leben Zweck, keinesfalls das Spekulieren; das letztere ist nur Mittel. Und es ist nicht einmal Mittel, das Leben zu bilden; es liegt in einer ganz anderen Welt. Was auf das Leben Einfluß haben soll, muß selbst aus dem Leben hervorgegangen sein. Es ist lediglich Mittel, das Leben zu erkennen. .../
Worin man befangen ist, was man selbst ist, kann man nicht erkennen;
man müßte aus dem-selben herausgehen, aufhören, es zu sein, sich auf
einen Standpunkt außerhalb desselben stellen. Dieses ist die
Spekulation; dieser Standpunkt außer dem wirklichen Leben ist sie. Nur
inwiefern es diesen höhern Standpunkt und diese beiden entgegengesetzten
Stand-punkte gab, ist es dem Menschen möglich, sich selbst zu erkennen.
Man kann leben und vielleicht der Vernunft ganz gemäß leben, ohne zu
spekulieren; man kann leben, ohne das Leben zu er/kennen. Aber man
kann das Leben nicht erkennen, ohne zu spekulieren.
_______________________________________________________
J. G. Fichte, Rückerinnerungen, Antworten, Fragen. [S. 118ff.]
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen