Dienstag, 23. September 2025

Die Brücke zwischen der intelligiblen und sinnlichen Welt.

 Faustkämpfer                          zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Mein Wille talis qualis ist frei; ich gebe ihn mir selbst; meine Kraft aber in der Sinnenwelt, wodurch ich z. B. einen Körper fortbewegen soll, soll etwas Gegebenes sein; weil sie als Objekt erscheint, und zwar nicht bloß als Objekt, sondern als Subjekt/Objekt.

Die sinnliche Kraft in Bezug auf unser Denken ist zuvörderst ein Begriff; der aber nicht entsteht durch Anschauung eines Objekts, sondern durch das Denken eines Mannigfaltigen in einer gewissen Verbindung. Kraft ist daher ein synthetischer Begriff, sie wird nicht ange-schaut, sondern gedacht. Wenn ich das Mannigfaltige des Gefühl, das zufolge des Wollens entstehen sollte, zusammenfasse, so bekomme ich den Begriff von Kraft.

Er ist kein bloß sinnlicher und kein bloß intelligibler Begriff, sondern beides zum Teil. Der Stoff, die Willensbestimmung, ist intelligibel, die Form aber, in welche meine Willensbe-stimmung fällt, die Zeit, ist sinnlich. Er ist eine Brücke zwischen der intelligiblen und der sinnlichen Welt, das, wodurch das Ich aus sich heraus und zu einer Sinnenwelt übergeht. Durch ihn stellt sich das Ich vor sich selbst als Objekt hin und knüpft sein Bewusstsein an eine objektive Welt; so werde ich mir zu einem Objekte, zu einem Gegenstande der Wahr-nehmung, und an dies Objektive knüpft sich mir eine Sinnenwelt an; von da geht alle An-sicht der Welt aus.

Darin lag der Fehler aller bisherigen Philosophen, dass man diese Erkenntnis als übersinn-lich ansah; da [hier: während] doch unser Bewusstsein von der Wirklichkeit anhebt.
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J. G. Fichte, Wissenschadtslehre nova methodo, S. 131

[Siehe auch: Die Zeit ist also das Mittelglied zwischen dem Intelligiblen und Sinnlichen.]


Nota. - Kraft ist ein Übergang in beide Richtungen, nämlich für die Vorstellung (reale Tätig-keit). Für die Reflexion (Begreifen: ideale Tätigkeit) ist sie ein Scharnier. 

Man darf fragen: Verbindet sie zwei unabhängige Teile - sinnliche Welt und intelligible Welt -, oder gehen alle beide überhaupt erst aus ihr hervor: durch Entgegensetzung? Dann müss-te die Wissenschaftslehre bei ihr ansetzen und nicht beim Wollen. Doch ist Kraft nicht das schlechthin Unbestimmte, das nur sich selbst bestimmen kann, sondern vorab doppelt be-stimmt: durch ihren Gegenstand und ihre Substanz (sub-stans). Kraft ist von vornherein eine synthetische Vorstellung: ein Reflexionsbegriff, der nur scheinbar angeschaut wird. 
JE


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