Sonntag, 19. Mai 2024

Dynamische Darstellung, statische Kritik, I.

spandau-arcaden                                             aus Philosophierungen

Die genetische Darstellung unterscheidet sich von der historischen so: In ihr ist nicht von zeitlichem Nacheinander die Rede, sondern von sinnhaften Bedingungsverhältnissen.
 

Von der logischen Darstellung unterscheidet sie, dass sie keine (durch wen? mit welchem Recht?) definierten Begriffe verwendet, denn die sind statisch und lassen sich nur durch die Schlussregeln verknüpfen, doch die sind rein formal. Die Absicht, in der sie verknüpft wer-den, kommt unkontrolliert von außen. Die Anwendung der Logik ist willkürlich, aber sie verbirgt es.

In der genetischen Darstellung gehen dagegen Vorstellungen aus einander hervor, das Vor-stellen ist lebendige Tätigkeit, die selber absieht und die, nachdem sie A gesagt hat, B sagen müsste - sofern sie nicht ganz aufhören will. Ihr Forstschreiten ist notwendig. Die logische Darstellung ist statisch, die genetische ist dynamisch. Und wenn es darum geht, das Bewusst-sein aus sich zu verstehen, ist die dynamische am Platz; aber nur da.

27. 7. 17

Und wie die Dialektik so spielt: Da die Zeit fließt, fällt die diskursive Darstllung, die punk-tuelle Momente zu Reihen verknüpfen und den Fluss der Zeit zu einer Kette von Momen-ten zerlegen muss, aus der Zeit. Die einzig mögliche Darstellung der wirklich sich ereignen-den Geschichte ist die sukzessive Aneinanderreihung individueller Zeitaufnahmen, die idio-graphische.  

Anders die Naturwissenschaft. Ihr Gegenstand sind keine Ereignisse, sondern das, was sich ereignet. Auf jeden Fall etwas, was (historisch) ist.

Der Begriff bezeichnet nun aber nicht etwas, das ist, sondern als was etwas gilt. Was es ist, liegt in der Zeit, und in ihr kann es sich ändern. Als was es gilt, liegt nicht in der Zeit und kann sich nicht ändern; es sei denn, der oder das, für den oder für das es gilt, ändert sich mit der Zeit! 

 Und das ist die hohe Zeit des Begriffs: Er überführt die so oder anders Meinenden als Tä-ter. Sie unterliegen nicht Bestimmungen, wenn sie auch so tun, sondern sie bestimmen sel-ber - und sei's klamm-heimlich und hintenrum.

*

Ohne Begriff gibt es kein Urteil.

 


Samstag, 18. Mai 2024

Dynamische Darstellung, statische Kritik; II.

                                                              zu Philosophierungen

Real ist, was sich dynamisch darstellen lässt - weil nur das Handeln real ist.

Die ontologische Frage wäre damit geklärt.

Doch was es taugt, ist damit nicht entschieden. Ob das Handeln gut oder schlecht war, er-weist sich an seinem Resultat. Was immer die Absicht gewesen sein mag - als Zweck erweist sich allein das Ergebnis. Es ist das, was zu bewerten ist; nicht das Tätige am Handeln, son-dern ein zur Ruhe Gekommenes. Eine geronnene Handlung. Der realisierte Zweck ist als solcher Begriff.

Nicht zur Darstellung der Handlung brauchen wir den Begriff, sondern zu ihrer Bewertung. Der 'Stand'punkt der Kritik ist ein statischer.

Das ist wohl zugleich das Schwierige an der Transzendentalphilosophie. Nicht nur wechselt sie unentwegt zwischen erster und zweiter semantischer Ebene. Obendrein ist ihr Modus auf der ersten Ebene ein dynamischer - Vorstellen; und auf der zweiten ein statischer: Be-griff. Das ist jederzeit zu unterscheiden: Dynamisch ist das zu Messende, statisch ist das Maß.

26. 4. 19

 

Was immer sonst den Begriffen anzulasten wäre - ihre erste und endgültige Rechtfertigung haben sie als Medium der Kritik; ohne sie müsste die Einbildung frei flottieren und fände keinen Halt an der Urteilskraft.

 

 

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Freitag, 17. Mai 2024

Fichtes drei Arten, vom Begriff zu reden.

                                zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Nach rationaler Auffassung ist die Welt ein unbegrenzter, aber endlicher Raum, der voll-ständig von Bedeutungsquanten ausgefüllt ist, die einander einschränken und bestimmen. Viele dieser Quäntchen mögen noch unerkannt sein, doch nicht zuletzt darum ist ihr Raum unbegrenzt.

Daneben und aus eigener Evidenz gilt der Satz, die Bedeutung der Begriffe bestünde aus ihrer Verwendung im Sprachspiel.

Beide gemeinsam, der eine stillschweigend, der andere als Gemeinplatz der gehobenen Kon-versation, liefern alternierend das Standardmodell zeitgenössischen Vernunftgebrauchs. Da-bei tun sie beide, als kennten sie einander gar nicht.

Denn sie sind beide verschiedenen Ursprungs und weisen in verschiedene Richtung. Ihre Partnerschaft ist rein pragmatisch, nebeneinander eiern sie mehr als dass sie rundliefen, für die Unzulänglichkeiten der einen muss immer die andere aufkommen.

Eine der beiden vorherrschenden Parteien in der gegenwärtigen Philosophie macht sich nun daran, die beiden unter denselben Hut zu bringen, und nennt sich wohl darum, will es mir scheinen, die systematische.

*

Wie immer in solchen Fällen, weist die Transzendentalphilosophie den Ausweg aus den Aporien, nämlich in ihrer zugespitzten Form, der Fichte'schen Wissenschaftslehre.

Der Begriff ist Bestimmtheit als dieses. Bestimmbar ist nicht das an und für sich Fremde, auf das ich stoße. Bestimmbar ist, was ich an ihm, mit ihm vorhabe. Was 'es' ist, werde ich erfahren, indem ich diese (oder jene) Absicht an ihm versuche: an dem Widerstand, den es ihr leistet. 

Bestimmung ist Absicht. Sie gilt vorab meiner Tätigkeit, bevor diese meinen Gegenstand trifft. Bestimmung ist zuerst Zweck begriff.

Bevor ich noch meine Absicht im Gegenstand tätig verwirklicht habe, habe ich sie mir in der Reflexion vorgestellt. Was an meiner Tätigkeit Absicht war, erscheint nun an ihrem Gegenstand als dessen Begriff. Aus meiner unruhigen Tätigkeit ist ein ruhendes Sosein geworden. Aus tätigem bestimmen sachliche Bestimmtheit. Im Begriff ging das agile, dy-namische Moment verloren. Übrig bleibt die Bestimmung so, als wäre sie selbst ein Sei-endes.


*


Bis hierher war 'das Ich' mit sich und dem Gegenstand allein. Das dürfte in unserer wirk-ichen Geschichte niemals vorgekommen sein. In Wahrheit werden die Menschen an den Dingen immer gemeinsame Zwecke gemeinsam verwirklicht haben, notgedrungen. In Wahrheit standen sie immer miteinander in engerem oder weiterem Verkehr. Sachlich so wie in ihrer Vorstellung. In der transzendentalen Nacherzählung macht das Ich seine Tä-tigkeiten an seinen Gegenständen allein. In der historischen Wirklichkeit wird schon immer eine Gemeinschaft von Individuen - 'das Ich' - sowohl den Gegenständen begegnet als ihre Absichten gegen sie gefasst haben; die Individuen wurden Iche überhaupt erst, indem sie am gemeinsamen Bestimmungsprozess beteiligt waren. 

Man kann es anders ausdrücken: Die Individuen, die ihre eigenen Absichten für sich allein realisiert haben und an denen es nicht gefehlt haben mag, konnten weder sachliche noch begriffliche Spuren hinterlassen.

Was auf dasselbe herauskommt. Denn in der Betrachtung nach Maßgabe der Begriffe bleibt nur das Allgemeine erhalten. Das Individuelle geht unter.


 

Untergegangen ist vor allem das Individuelle schlechthin: die Tätigkeit, richtiger das tun. Wo ist im rationalen System die Tätigkeit geblieben? Die Tätigkeit blieb in der Verknüpfung der Begriffe erhalten. Logik ist das allgemeine Schema des Handelns. Was in der wirklichen Vorstellung dynamisch als Tätigkeit des Bestimmens* vorkam, ist in der logischen Darstel-lung zur statische Anschauung der Formeln - Verhältnis, Methode - geronnen. Sie steht nun selbstständig als tote Form neben dem ebenso toten begrifflichen Stoff.

Das Verfahren kam aber nicht vor der Tätigkeit und lag ihr zugrunde, sondern entstand aus der nachträglichen Reflexion auf sie; sie liegt ihm zu Grunde. Das wird im rationalen System ins Gegenteil mystifiziert; das ist der harte Kern aller Metaphysik.

*) Das Schließen ist das synthetische Fortschreiten in der Bestimmung.


*

Metaphysik ist die ständige Versuchung der Vernunft in ihrer alltäglichen Gebrauchsform. Dort schadet sie nicht, sondern regt womöglich noch die Phantasie an. Anders ist es in den nichtalltäglichen Gebräuchen; überall dort etwa, wo es nicht mehr nur um das Verhältnis von Mitteln und Zwecken geht, sondern um die Zwecke selbst.

So in den Fragen den Rechts. Im Naturrecht ist Fichte an den Punkt gelangt, wo er von der kritischen Rekonstruktion eines Begriffs zu dessen Verwendung im reellen Gebrauch übergehen muss. Mit andern Worten: Hier verlässt er den Boden der Transzendentalphilosphie und tritt in eine faktische Wissenschaft über. Leider hat er es nicht bemerkt.

10. 3. 19 
 




Nota.
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Donnerstag, 16. Mai 2024

Im Begriff ist das Bewusstsein ruhend.

                                 zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
 
Im Bewusstsein dieses Handelns liegt das, wovon übergegangen wird; das, wozu übergegan-gen wird, und das Handeln selbst. Das Bewusstsein ist kein Akt, es ist ruhend, in ihm ist Mannigfaltigkeit, über welche das Bewusstsein gleichsam hinüber geführt wird. Im Bewusst-sein ist alles zugleich vereinigt und getrennt. Dies bedeutet die Schranken, Teilbarkeit, Quan-titätsfähigkeit
____________________________________________
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 45   


Nota I. - Bisher kam bewusst-Sein stets als sich-bewusst-Machen vor. Doch im Begriff  ist auch dieses Tun als Ruhe vorgestellt. Und nur so kann Vielheit in ihm gedacht werden.
25. 4. 16
 
Nota II. - Bei obiger Nota I. ahnte ich nicht, dass ich eines Tages darauf dringen würde, das Bewusstsein gerade nicht als einen dauernden Zustand, sondern vielmehr wann immer es stattfindet als einen unmittelbar gewärtigen Akt aufzufassen. 
 
Habe ich jetzt ein Problem? Nein, denn da war von Transzendentalphilosophie nicht die Rede, sondern von einem realen geistigen Ereignis, das Psychologie und Neurophysiologie so oder anders auffassen könnten. 

Fichte redet dagegen von einem Moment in einem Modell, das als solches ganz außerhalb der Zeit liegt. Denn nicht von wirklichem Handeln ist hier die Rede, sondern vom Bewusst-sein seiner, und dieses 'verläuft' nicht, sondern übergreift... das, wovon, und das wozu über-gegangen wird; und das Handeln selbst, das allein real, nämlich in der Zeit ist.
JE, 10. 4. 21

 


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Mittwoch, 15. Mai 2024

Der dingliche Schein stammt aus der Unbegreiflichkeit der Freiheit.

das eiskalte Händchen                                                           zu Philosophierungen

Das erste Handeln geschieht aus Freiheit, es ist ein Handeln auf Etwas, aber es geschieht noch ohne Bewusstsein, weil es selbst Bedingung der Bewusstwerdung ist. Erst in der nach-träglichen Reflexion kann es zum Gegenstand des Bewusstseins werden; ursprünglich liegt die Freiheit aber im Dunkeln: mit der freien Handlung auch das Etwas. Darum scheint es gegeben.

Da Fichte aber einmal den Denkzwang - die Unvermeidlichkeit, das Dings so zu denken und nicht anders (sofern es immerhin gedacht werden soll) - dem sinnlichen Gefühl gleich-gestellt hat, könnte er uns das Gesetz der Verdinglichung, den dogmatischen Hang, den "di-alektischen Schein" aus der Natur des diskursiven Denkens selbst ableiten: Nichts, was nicht in einem Gefühl gründet, ist real, nämlich anschaubar; real, weil anschaubar, ist, was in einem Gefühl gründet.

Kein Wunder also, dass uns Begriffe, die uns doch einem Denkzwang unterwerfen und die nur so und nicht anders gedacht werden können, wie Dinge vorkommen. Wie Dinge zwei-ter Ordnung, wenn man den Denkzwang als ein Gefühl zweiter Ordnung ansieht, aber wie Dinge eben doch.
5. 8. 17

So wie ich meine Freiheit anschaulich erlebe, sobald ich zu den Zumutungen der Dinge nein sage, fühle ich die Realität der Dinge, indem sie meiner Freiheit... nein sagen. Freiheit und Dingheit sind Wechselbegriffe, es kommt die eine in meine Vorstellung nicht ohne die andere hinein. Sie verbürgen beide einander ihre Wirklichkeit, doch begreiflicher werden sie mir dadurch nicht.
15. 4. 19

Es ist das Thema Sein und Geltung. Das Sein von Dingen ist uns verbürgt durch die Ge-fühle, die uns ihr Widerstand gegen unsere Tätigkeit verursacht. Es ist Da sein im Raum. Das sind die einzigen mir objektiv gegebenen Daten (was ein Pleonasmus ist). Was sie - wem, wenn nicht mir? - bedeuten können, liegt nicht in ihnen, sondern in den Absichten, in de-nen ich gegen sie tätig werden mag. Die Unbegreiflichkeit meiner Freiheit ist die Unbe-greiflichkeit meiner Fähigkeit, dieses zu wollen und jenes nicht. Es ist die Unbegreiflichkeit einer prädikativen Qualität, wie Fichte es nennt. 
 
Das ist ein philosophischer Ausdruck. Realwissenschaftlich, nämlich anthropologisch, han-delt es sich um das poietische Vermögen der Menschen. Dieses ist allerdings begreiflich.
17. 9. 21

Man kann es so sagen, dass begreifen den Begriffen vorausgeht. Es passt selber nicht in sie hinein.
 
 
 

Dienstag, 14. Mai 2024

Weshalb die Vernunft überall sich selbst begegnet.

  Ick bün alldo                                  zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Niemand wird sich des Sterbens noch des Geborenwerdens bewusst. Es gibt also keinen Moment des / Anfangens. Dieses synthetische Denken hat zwei Teile; welches ist nun das Verhältnis beider? Ersteres ist das Bestimmte, letzteres das Bestimmende. Z. B. wie ist denn das Denken einer gegenwärtigen und einer abwesenden Sinnenvorstellung unterschieden, oder wie ist der gegenwärtige Moment von allen vorhergehenden verschieden? Er ist bloß das Bestimmte, und der vergangene als bestimmend gedacht. Das Gegenwärtige wird be-stimmend werden, wenns einmal das Vergangene sein wird, aber von einer Zukunft weiß ich noch gar nichts, das Vorausgesetzte ist bestimmend und bestimmt.

So ist klar: Der Zweckbegriff soll sein ein Bestimmendes zum wirklichen Wollen, letzteres soll ein Bestimmtes sein, aber wohl kann es ein Bestimmendes werden, davon reden wir aber nicht. – Also der Zweckbegriff ist nichts Wirkliches, sondern bloß gesetzt, das Wollen zu erklären. Das Auswählen des Zweckbegriffs aus dem mannigfaltigen Möglichen wird als das Bestimmende gedacht.
________________________________________________________________             J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 189f.


Nota. So wird es klarer. Der Zweckbegriff wird nicht wirklich entworfen – aus gegebe-nem Material konstruiert –, sondern es wird gehandelt, als ob aus einem unendlichen An-gebot von möglichen Zwecken dieser eine und einzige ausgewählt würde. Den Zweckbe-griff  'gibt es' gar nicht, er ist bloß Noumenon und wird gedacht als ob. Tatsächlich wird bloß gehandelt.

Das wirft im Übrigen ein Licht auf Fichtes schwindelerregende Konstruktion eines ver-nünftigen Endzustandes, in dem 'alle möglichen vernünftigen Zwecke erfüllt' sein würden und der uns zum Glauben an eine göttliche Weltregierung befugte. Erstens sind 'alle mögli-chen (vernünftigen oder unvernünftigen) Zwecke' lediglich Noumena; hier sollen sie aber als realisiert gedacht werden. Und zweitens kann der Endzustand nicht wissen, welchen 'als-ob'-gesetzten Zweck das handelnde Ich in jedem Moment seiner realen Tätigkeit frei aus-wählen würde und wird. Es sei denn, F. hätte eine zweckmäßig wollende übergreifende überirdische Intelligenz heimlich bereits voraus- und hintangesetzt; und so wird es wohl sein.
29. 2. 16

Nota bene: Das Reich der möglichen Zwecke ist nichts anderes als das Reich der gemeinen Vernunft: Was immer als Zweck vorgefunden werden mag, war im Begriff vor-gedacht, und ist ein Atom in der intelligiblen Welt. Dass es Vernunft gibt, war die Prämisse der Vernunft-kritik und der Transzendentalphilosophie alias Wissenschaftslehre. Die Kritik stellt sie nicht "zur Disposition", sondern präzisiert ihre Gültigkeit; nämlich deren Umfang.   

Könnte es aber sein, dass F. an dieser Stelle das Reich des gesunden Menschenverstandes mit der intelligiblen Welt überhaupt verwechselt hätte?
JE          

Montag, 13. Mai 2024

Tun und Sein sind ganz dasselbe.

                              zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Tun und Sein sind ganz dasselbe, nur von verschiedenen Seiten angesehen. Diese doppelte Ansicht muss sein, wenn ein Ich sein soll, aus ihr geht erst das Ich hervor. Sieht das Ich sein reines Denken durch die Einbildungskraft hindurch, so entsteht ihm ein / Tun. Denkt es das wieder, was durch die Einbildungskraft dargestellt ist, so wird es zum Sein. Das reine Denken und Wollen macht also notwendig das Ich aus.
________________________________________________________
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, 214f. 

 

 

Nota. - ('Reines', noch unbestimmtes) Tun ist, wie reines Wollen und reines Denken, bloßes Noumenon. So wie das Ich, so wie das Sein. Als Noumenon 'ist' das Ich sowohl dem Wol-len als dem Denken voraus'gesetzt' - nein: 'ist' weder, noch 'gesetzt', sondern setzt sich und wird, indem wirklich gewollt und gedacht wird; oder umgekehrt... 
JE

 

 

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Sonntag, 12. Mai 2024

Das ist idealistische Philosophie.

                                        zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Im Anschauen verliert das Ich sich im Objekte. S. 90
Etwas ist, das anschaubar ist. Etwas und Anschauung sind Wechselbegriffe. S. 55
____________________________________________________
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982


Nota. - Was immer Sie sonst über idealistische Philosophie zu hören bekommen: Bei Fichte steht am Anfang des Bewusstseins nicht das Denken, sondern die Sinnlichkeit; und zwar die Sinnlichkeit eines Tätigen.

8. 8. 17 

Doch merke wohl: Solange es nur angeschaut wird, ist etwas nur Etwas. Das ist gewisser-maßen die Bestimmung als ein Bestimmbares. Bestimmung in specie, als dieses oder jenes, ist Reflexion: "ideale Tätigkeit" als das Entwerfen von, recte als das Suchen nach dem Zweckbegriff.
JE                                 

 

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Samstag, 11. Mai 2024

Auch der idealistische Philosoph glaubt an die Wirklichkeit der Welt.

Sprosse1952, pixelio.de         zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Auf dieselbe Verwechslung der beiden Reihen des Denkens* im transcendentalen Idealis-mus würde es sich gründen, wenn jemand neben und ausser diesem System noch ein reali-stisches, gleichfalls gründliches und consequentes System möglich finden sollte. 

Der Realismus, der sich uns allen und selbst dem entschiedensten Idealisten aufdrängt, wenn es zum Handeln kommt, d. h. die Annahme, dass Gegenstände ganz unabhängig von uns ausser uns existiren, liegt im Idealismus selbst, und wird in ihm erklärt und abgeleitet; und die Ableitung einer objectiven Wahrheit, sowohl in der Welt der Erscheinungen, als auch in der intelligiblen Welt, ist ja der einzige Zweck aller Philosophie. - 

Der Philosoph sagt nur in seinem Namen: Alles, was für das Ich ist, ist durch das Ich. Das Ich selbst aber sagt in seiner Philosophie: so wahr ich bin und lebe, existiert etwas ausser mir, das nicht durch mich da ist. Wie es zu einer solchen Behauptung kommt, erklärt der Philosoph aus dem Grundsatz seiner Philosophie. Der erstere Standpunkt ist der rein spe-culative, der letztere der des Lebens und der Wissenschaft (Wissenschaft im Gegensatz zur Wissenschaftslehre  genommen); der letztere ist nur vom ersteren aus begreiflich; ausser-dem hat der Realismus zwar Grund, denn er nöthigt sich uns durch unsere Natur auf; aber er hat keinen bekannten und verständlichen Grund: der erstere ist aber auch nur dazu da, um den letzteren begreiflich zu machen. Der Idealismus kann nie Denkart sein, sondern er ist nur Speculation.

*) [Einerseits das natürliche Denken des gesunden Menschenverstands, andererseits das Denken des Kritischen Philosophen]
_____________________________________________________________
J. G. Fichte, Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, S. 455 [Anm.]
 
 
Nota. - Beachten Sie bitte, dass gesunder Menschenverstand und reelle Wissenschaften beide unter dem Rubrum natürliches Denken der Wissenschaftslehre entgegen gesetzt werden.
JE , 21. 9. 21

Freitag, 10. Mai 2024

Der Endzweck, oder Kommt das Bestimmen doch einmal zu einem Schluss?

 

Der Grund der Vernunft, den die Kritik freigelegt hat, ist das reine Wollen - mit ihm beginnt der zweite, rekonstruierende Gang der Wissenschaftslehre. Wirkliches Wollen heißt aber, in der wirklichen Welt einen Zweck wirklich verfolgen: bestimmen wollen. Die Ausgangspunkt der Vernunft ist wollen; hat sie einen Horizont?

Wollen-überhaupt ist das Noumenon, das nötig wurde, um das Tätigwerden des Ich zu verstehen (=einen Sinn dar-in 'wahr'-zu-nehmen). Wollen in specie bedarf indessen eines – je besonderen – Zweckbegriffs. Ausgangspunkt ist immer: dass die Menschen tatsächlich tätig werden, nämlich hier, wo von ihren Vorstellungen die Rede ist, im Denken. Begriffe von den Dingen werden möglich durch Absichten mit den Dingen.

Dem steht gegenüber der Begriff des Zwecks-überhaupt. Zunächst eine summative Abstrak-tion: der Inbegriff aller möglichen Zwecke. Als solcher ist auch er: Noumenon. Real kann ich mir darunter nichts vorstellen. Er ist rein ideal. Brauche ich ihn, um mir unter den je konkreten Zwecken etwas vorzustellen? Nein. Sie sind real, er nicht.

Wollen-überhaupt gibt dem tatsächlichen Wollen der historischen Individuen einen Sinn: 'Ich' bin a priori um-zu. (Menschsein ist schlechthin intentional, würde der Adept einer an-dern Schule sagen.) Um das wirkliche Wollen historischer Individuen zu verstehen, ist das jedoch nicht nötig: Dass und was sie wollen, ist zu allererst bedingt und bestimmt durch ihre – durch das Gefühl vermittelte – physische Organisation; "Naturbedürfnis", essen, trin-ken und dies und das. Das bedarf keiner Erklärung und keines Verständnisses.

Einer Erklärung und eines Verständnisses bedürfte das historische Faktum, dass sich die Menschen, wohin man in ihrer Geschichte auch blickt, damit nie beschieden haben; be-dürfte einer realwissenschaftlichen Erklärung. Transzendentalphilosophisch ist es durch den Begriff des Reinen Wollens mit-gesetzt. Es begründet ein unendliches Streben, das Fichte an anderer Stelle Trieb nennt. Bedingt ist es rückwärts: durch die Tatsache der Tätigkeit, sie soll es erklären; es ist Noumen, es kann und muss seinerseits nicht gerechtfertigt werden.

Namentlich nicht durch einen Zweck-überhaupt. Der ist, anders als das Reine Wollen, kein Begriff, sondern eine bloße Idee, und als solche kann sie nichts begründen, sondern allen-falls praktisch rechtfertigen. Das liegt dann aber schon jenseits der Transzendentalphiloso-phie.
19. 10. 15

 

Der Endzweck, oder doch: Die Grenze der Vernunft? 
 von , fotocommunity;    zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Alles vernunftlose sich zu unterwerfen, frei und nach seinem eigenen Gesetze es zu be-herrschen, ist letzter Endzweck des Menschen; welcher letzte Endzweck völlig unerreich-bar ist und ewig unerreichbar bleiben muss, wenn der Mensch nicht aufhören / soll, Mensch zu seyn, und wenn er nicht Gott werden soll. Es liegt im Begriffe des Menschen, dass sein letztes Ziel unerreichbar, sein Weg zu demselben unendlich seyn muss. Mithin ist es nicht die Bestimmung des Menschen, dieses Ziel zu erreichen. Aber er kann und soll diesem Ziele immer näher kommen: und daher ist die Annäherung ins unendliche zu die-sem Ziele seine wahre Bestimmung als Mensch, d. i. als vernünftiges, aber endliches, als sinnliches, aber freies Wesen. 
_______________________________________________________________________J.  G. Fichte, Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten, SW VI, S. 399f.


Nota. - Hier wird es nun problematisch.  

Bedenken wir zuerst, dass es sich um eine der frühesten öffentlichen Äußerungen Fichtes handelt und vor einem allgemeinen Publikum, auch philosophischen Laien. Bedenken wir aber auch, dass die Einschränkung, dass der 'Endzweck völlig unerreichbar' sei, nichts daran ändert, dass er dies eben Zweck nennt: alles Vernunftlose sich (als dem Agens der Ver-nunft) zu unterwerfen...

Andernorts heißt es dann, Übereinstimmung sei "der große Endzweck der Vernunft". Wo hat er das her? Ansonsten hält er sich weislich zurück, wenn es um die sachliche Bestim-mung dessen geht, was Vernunft 'ist'; selbst das Sittengesetz ist ihm nicht 'gegeben', son-dern etwas, das "erst durch uns selbst gemacht wird",* nicht als 'bestimmt', sondern als noch in Bestimmung begriffen.

Später werden wir hören, das in der Tathandlung sich 'intellekual-anschaulich' setzende Ich sei die unmittelbare Identität von Subjekt und Objekt. Das Ich "als Idee" hingegen "ist das Vernunftwesen, inwiefern es die allgemeine Vernunft teils in sich selbst vollkommen dar-gestellt hat, wirklich durchaus vernünftig und nichts als vernünftig ist; also auch aufgehört hat Individuum zu sein, welches letztere es nur durch sinnliche Beschränkung war".** Das Ich als Idee ist das aus der intellektuellen Anschauung her zum Postulat gewendete Agens der Vernunft, und sofern das Ich "als Individuum" vernünftig ist, ist es sein Ideal. Soll er sich ihm also als Individuum, soll er ihm 'den ganzen endlichen, sinnlichen Menschen' un-terwerfen und sie... "zur Übereinstimmung bringen"?

Die Frage ist nicht, ob er das kann, und sei es nur 'in unendlicher Annäherung'. Vielmehr gibt es keinen Grund, weshalb er das wollen sollte.

Vernünftig ist nicht ein Einzelner. Vernunft ist das Medium, in dem sich zwei verständigen können, anders "gibt es" sie nicht. Vernunft ist nur da, wo (mindestens) zwei sich verstän-digen können-müssen-wollen. Vernünftig ist dasjenige an den Individuen, was zur Verstän-digung taugt. Vernunft findet statt in unserer Welt. In meiner Welt ist sie Gegenstands
-los. Das pragmatische Kriterium ist: Was sich symbolisieren lässt, kann zu einer Sache der Ver-nunft werden; was nicht, das nicht.

Die Wissenschaftslehre ist eine Anthropologie einschließlich Lebenslehre nur hintenrum; indem sie qua Kritik alle Erleuchtungen und Offenbarungen zunichte macht; positiv wird sie erst als das, was übrigbleibt.


*) System der Sittenlehre nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. IV, S. 192
**) Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, SW I, S. 517f.
18. 2. 14


Der Endzweck muss versucht werden.
                   zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

...das Handeln mehrerer Vernunftwesen ist eine einzige durch Freiheit bestimmte Kette. Die ganze Vernunft ist nur ein einziges Handeln. Ein Individuum fängt an, ein anderes greift ein und so fort, und so wird der ganze Vernunftzweck durch unendlich viele bearbeitet und ist das Resultat von der Einwirkung aller. 

Es ist dies keine Kette physischer Notwendigkeit, weil von Vernunftwesen die Rede ist. Die Kette geht immer in Sprüngen, das Folgende ist immer durchs Vorher/gehende bedingt; aber dadurch nicht bestimmt und wirklich gemacht (vide Sittenlehre). Die Freiheit besteht darin, dass aus allen Möglichen nur ein Teil an die Kette angeschlossen werde. 
___________________________________________________________
 J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 232f.



Nota I. - Die Wissenschaftslehre erzählt nicht nach, 'wie es wirklich ist', sondern stellt dar, was in der Vorstellung wirklich vorkommt und weshalb das notwendig ist. Hier steht also sinngemäß: Alles Reden von Vernunft hat einen intelligiblen Sinn nur, wenn man sie so auf-fasst. Wird der Weg fortgegangen, so wird es eine Kette sein. Aber sie wird aus Freiheit fortgewirkt. Wenn wir uns also (in der Abstraktion) denken, dass sie einmal an ein Ende käme, so wäre es nicht durch physische Notwendigkeit als Folge seiner Ursache, sondern durch Freiheit als Zweck gesetzt: 'bedingt, aber nicht bestimmt'. Die Freiheit hätte an jedem Punkt auch andere Möglichkeiten wählen und andere Teile anfügen können. Der 'End-zweck' wäre ein anderer geworden.

Wenn Hans Vaihinger die Wissenschaftslehre nova methodo gekannt hätte, wären ihm die Augen übergegangen und er hätte auf seine dickleibige Philosophie des Als Ob achselzuk-kend verzichtet. Und wenn Fichte seinen Weg nova methodo 'zuende gegangen' wäre, hätte er sich nie auf die dogmatische Auffassung eines Realabsoluten und eines gegebenen End-zwecks der Vernunft einlassen können.
 
12. 10. 17

Nota II. - Ließe sich daraus folgern, dass alles, was auch immer in unserer Geschichte vor-kam, zu seiner Zeit vernünftig, nämlich ein notwendiges Glied des problematisch projizier-ten Vernunftzwecks gewesen ist? Vernünftig ist das Handeln nach selbstgesetzten Zwecken: aus Freiheit. Freiheit bedeutet nicht, dass kein Irrtum möglich ist; wie auch das? Wenn das Handeln die Zwecke, die gesetzt waren, nicht realisiert, sondern Folgen zeitigt, die nicht als Zwecke gesetzt waren und aus Freiheit nicht wählbar wären, so wird die Vernunft neu und anders wählen.
 
Es heißt hier nicht, wie bei Hegel, das Wahre sei das Wirkliche. Der Weg der Vernunft in der Geschichte ist keine aufsteigende Linie, wie könnte er? Das Kriterium ist noch nicht, dass die Zwecke aus Freiheit gesetzt waren; das ist erst die notwendige Bedingung. Sondern, ob sie durch vernünftiges Handeln in der sinnlichen Welt realisiert werden. Da geht es um praktisches Bestimmen. Das mag immer scheitern, sei's am Widerstand der sinnlichen Welt, sei es an falschen Begriffen. Ob oder ob nicht ist keine Sache theoretischer Vorhersehung, sondern des wirklichen Versuchs.

Es geht zuerst einmal um die Bedingung: aus Freiheit. Doch was aus der Freiheit gemacht wird, ist, worauf es am Ende ankommt. Und die Frage ist immer konkret.

JE, 11. 4. 19
 
 
Nota III. - Hier zum xten Mal: Was bedeutet im transzendentalen Sinn 'notwendig'? - Ge-geben sind zwei Termini: Erstens die historisch vorgefundene Tatsache, 'dass es Vernunft gibt'; und zweitens die durch analytischen Regress aufgefundene Einsicht, dass am Anfang Freiheit 'gewesen sein muss'. Zwischen beiden Polen ist ein Bogen zu spannen. Da am An-fang Freiheit war, waren alle vorstellbaren und selbst nicht vorstellbare Akte möglich und mögen auch geschehen sein. Wir müssen aber nur die beachten, die wirklich auf den Weg einer fortschreitenden Bestimmung von Freiheit zur Vernunft gehören. Alles andere bleibt außer Acht.
 
Wenn wir auf diesem Weg zur Rekonstruktion einer intelligiblen Welt bzw. einer Reihe ver-nünftiger Wesen gelangen, ist der Bogen zwischen beiden Termini gespannt und ist alles, was auf ihm geschehen ist, als notwendig erwiesen vernunft notwendig. Mehr wird nicht behauptet; schon gar nicht, dass es anders gar nicht hätte kommen können.
15. 6. 21 

Nota IV. - Ein ebenso kluger Mann hat es später so ausgedrückt: Die Menschen machen ihre Geschichte nicht unter frei gewählten Voraussetzungen, aber sie machen sie selber (oder war es umgekehrt?).
JE, 19. 11. 22           
 


Vernunft ist die Fähigkeit, Zwecke zu setzen.
                                                                   zu Philosophierungen

Vernunft ist nicht einfach mehr als bloß die - "effiziente" - Fähigkeit zum Anstreben be-stimmter Zwecke beziehungsweise zum Lösen bestimmter Aufgaben. Sie ist vor allen Dingen nicht "mehr" von ein und demselben Stoff. Sie ist etwas schlechterdings anderes. Ein Haus ist nicht bloß mehr als ein Ziegelstein, sondern - etwas schlechterdings Anderes. Das erkennt man ohne Spitzfindigkeiten oder höhere Eingebung; es braucht nur ein biss-chen Vernunft. Die Ziegelsteine hätten - schlechterdings keinen Sinn - oder prosaisch: keine Bedeutung -, wenn die Absicht, ein Haus zu bauen, nicht da gewesen wäre. 

Vernunft ist die Fähigkeit, Absichten zu fassen und Zwecke zu setzen. Fielen Ziegelsteine fix und fertig vom Himmel, hätten sie für ihren Finder keinerlei Bedeutung ohne die Vor-stellung von einem Haus. Das Haus ist nun aber auch bloß ein Zweck. Für die, die drin wohnen wollen. Für den Stadtplaner, der ein Heer fähiger Architekten kennt, ist es ledig-lich ein Mittel. Mittel zu einem Zweck: Städtebau. Und der ist noch lange nicht der End-zweck. Da geht es weiter - Wirtschaft, Kultur, Kunst und Philosophie; auch Unterhaltung, die nicht nur Mittel ist zur Erholung und Bildung, sondern selber ein Zweck, was sie mit der Kunst gemein hat. Auch Wissenschaft ist nicht nur ein Mittel zu all diesen Zwecken, sondern Wissen ist selber ein Zweck - für die Menschen, die wissen wollen, was sie auf der Welt können und... können.

Das ist der Zweck der Vernunft. Er setzt voraus, dass die Menschen - anders als die Tiere - nicht nur so leben, wie die Natur alias die Evolution es ihnen vorbestimmt hat, sondern ihr Leben führen müssen - hier lang oder dort lang. Sich selbst und - da die Menschen nicht wie Robinson allein sind, sondern nur in Gesellschaft leben können - der Menschheit eine Richtung geben müssen.

Wohl bemerkt: Einem, der meint, wie es ist, sei gut genug, kann man etwas anderes nicht beweisen. Dass nicht nur 'mehr', sondern auch anderes möglich ist, ist keine nachweisliche Tatsache, die man jedem andemonstrieren kann, sofern er bei Verstand ist, sondern ist ein Postulat: ist die Prämisse aller Vernunft. Wie auch die resignierte Einsicht, dass du und ich einem allerletzten Zweck in diesem Leben wohl nicht mehr begegnen werden.

Kommentar zu  Eine Einführung ins Philosophieren: Was ist Vernunft? JE, 7. 5. 22

Dynamische Darstellung, statische Kritik, I.

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