Sonntag, 31. März 2024

Einbildungkraft, III.

hausjournal                                    zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Die Einbildungkraft und ihre ganze Funktion ist bloß die Möglichkeit, das Handeln des Ich in seinem Bestimmen anzusehen. Im Denken ist kein Fließen, da ist lauter Stehen; bloß in der Einbildungskraft ist die Basis alles Bewusstseins, [sie] soll das / Bewusstsein dieses Flie-ßens sein. Der Anfang des Bewusstseins muss also bloß durch Einbildungskraft geschehen. Man kann jetzt sagen: Das sich Setzen des Ich besteht in Vereinigung eines Denkens und eines Anschauens. (Die Synthesis A ist bloß Erzeuger des Selbstbewusstseins.) Dieses ent-steht dadurch, dass Einbildungkraft und Denken vereinigt werden; lediglich in dieser Ver-einigung wird das Ich erzeugt. Denken und Einbildungskraft kann nicht abgesondert sein, weil sonst kein Ich wäre.
_________________________________________________________                             J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 208f

 

Nota. - Die Einbildungskraft ist fließend; da verschwimmt ein Bild im folgenden. Das ist Vorstellen. Das (reflektierende) Denken geschieht in Begriffen: einer nach dem andern. Ein jeder für sich steht. Da ist kein Übergehen, da sind nur Sprünge. Die eine lässt sich nicht fassen. Aber das andere kommt alleine nicht voran: Es braucht die Einbildung als Zugpferd.
JE

 

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Samstag, 30. März 2024

Wir können die Untersuchung der Hauptsynthesis niemals erschöpfen

                            zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

(Es gibt hier einen Widerstreit des Ausdrucks und der notwendigen Ansicht, und von der anderen Seite der Sache, die wir denken wollen; nämlich bei aller Bemühung können wir die Untersuchung über die Hauptsynthesis niemals erschöpfen; wir können sonach nimmer-mehr das Bestimmte und Bestimmende als eins anschauen, weil beides in der Synthesis aus-einander liegt. Dieses Bestimmen und Bestimmtsein ist in der Hauptsynthesis eins, diese können wir aber nicht fassen.

Die Philosophie hebt notwendig an mit einem Unbegreiflichen, mit der ursprünglichen Synthesis der Einbildungskraft, ebenso mit einem Unanschaubaren, mit der ursprünglichen Synthesis des Denkens. Dieser Akt ist nicht zu denken noch anzuschauen. Es [sic] lässt sich auch also noch bloß die Aufgabe aufstellen, alles Übrige ist erreichbar, da es in der Erfah-rung vollzogen wird.)

Kurz, ich denke reell, wenn ich mich gezwungen fühle. Dies kommt daher, weil ich mich bestimmte. Denke ich dieses Bestimmte, so denke ich idealiter, mit letzterem ist kein Ge-fühl verbunden wie mit dem ersten. - 
_________________________________________________________                                J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 217 

 

Nota. - Fassen, nämlich denkend begreifen, lässt sich die Synthesis nicht, denn sie ist ja nur als das Übergehen vom einen zum andern; würde es gefasst, könnte es nicht länger über-gehen. 

Die Hauptsynthesis ist in allgemeinster Formulierung: Ich bestimme Mich. Würde das je gelingen, wäre mit allem Bestimmen Schluss. Bestimmen meiner - und von irgendetwas anderem - als... ist nur möglich, solange ich mich von mir unterscheide. Wenn ich mich zu Ende bestimmt habe und mit mir eins geworden bin, bin ich tot. 
JE


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Freitag, 29. März 2024

Ich bin ein durch sich selbst herausgegriffener Teil aus den Vernunftwesen.

Bodenwerder                                               zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

... ich bin ein durch sich selbst herausgegriffener Teil aus den Vernunftwesen. ... Das Selbstbewusstsein hebt also an von meinem Herausgreifen aus einer Masse vernünftiger Wesen überhaupt. -
_________________________________________________________                             J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 177

 

Nota. - Ein wirkliches Ich ist Individuum, und sein erster - selbstsetzender - Akt ist sein sich-selbst-Herausgreifen aus einer Masse vernünftiger Wesen - als Antwort auf deren Auf-forderung. -

Natürlich ist Vernunft den historisch wirklichen Menschen vorgegeben. Die Welt, in die er geboren wird, behauptet, von ihr durchdrungen zu sein und, wo sie es noch nicht ist, als-bald zu werden. Nicht anders erfuhren es seine Älteren.

Dass die und deren Ältere sie selber erst zu dem machen mussten, was sie heute ist, springt ihm nicht ins Auge. Dafür gibt es die Transzendentalphilosophie, und die ist nicht leicht zu verstehen. Sie mutet ihm zu, so zu tun, als ob er selbst es war, der die Vernunft erfunden hat.
JE


Donnerstag, 28. März 2024

Quintessenz der Wissenschaftslehre

Süddeutsche                   zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Um uns selbst zu finden, müssen wir die Aufgabe denken, uns auf eine gewisse Weise zu beschränken. Diese Aufgabe ist für jedes Individuum eine andre, und dadurch eben wird bestimmt, wer dieses Individuum eigentlich ist. Diese Aufgabe erscheint nicht auf einmal, sondern im Fortgange der Erfahrung jedesmal, in wiefern ein Sittengesetz an uns ergeht. Aber in dieser Aufforderung liegt zugleich, da wir praktische Wesen sind, zu einem be-stimmten Handeln Aufforderung. 

Dies ist für jedes Individuum auf besondere Weise gültig. Jeder trägt sein Gewissen in sich und hat sein ganz besonderes. Aber die Weise, wie das Vernunftgesetz allen gebiete, lässt sich nicht in abstracto aufstellen. So eine Untersuchung wird von einem hohen Gesichts-punkte aus angestellt, auf welchem die Individualität verschwindet und bloß auf das Allge-meine gesehen wird. Ich muss handeln, mein Gewissen ist mein Gewissen. In sofern ist die Sittenlehre individuell.
_________________________________________________________                             J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 241    


Nota. - Zuerst, bevor es sich als ein solches setzt, ist das (Proto-)Ich noch reines Wollen. Rein, weil es erst 'an sich' und überhaupt will - alles, aber keines im Besondern; also nichts. Um Etwas zu werden, müsste es sein Wollen bestimmen, nämlich auf dieses oder jenes einschränken.

Müsste es oder muss es? Es muss nicht, es könnte es unterlassen, aber wir wissen - denn das war unser Ausgangspunkt -, dass es vernünftige Wesen gibt, also irgendwann, irgendwo muss sich der an sich und überhaupt seiende Willen tatsächlich eingeschränkt, bestimmt und individualisiert haben. 

Wenn ich mich für ein Ich halte, muss ich annehmen, dass auch ich es so getan habe. Ich habe die Aufforderung gehört, verstanden und angenommen.

Von da an geht es weiter. Die Aufforderung ergeht erneut, sobald ein Handeln von mir verlangt wird: eine sittliche oder eine weltlich-praktische. Und jedesmal an mich ganz allein. Andere können mir ihre Rat geben, aber entscheiden muss ich selber. Die Entscheidung auf eine äußere Instanz abwälzen oder an eine allgemeine Regel delegieren wäre unvernünftig und es ipso unsittlich und unsittlich und eo ipso unvernünftig. Gesetze seien der Moral durchaus entgegen, sagt Novalis.
JE 



Mittwoch, 27. März 2024

Das also ist Vernunft.

                                        zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Denn das Handeln mehrerer Vernunftwesen ist eine einzige durch Freiheit bestimmte Ket-te. Die ganze Vernunft ist nur ein einziges Handeln. Ein Individuum fängt an, ein anderes greift ein und so fort, und so wird der ganze Vernunftzweck durch unendlich viele bearbei-tet und ist das Resultat von der Einwirkung aller.

Es ist dies keine Kette physischer Notwendigkeit, weil von Vernunftwesen die Rede ist. Die Kette geht immer in Sprüngen, das Folgende ist immer durchs Vorher/gehende bedingt; aber dadurch nicht bestimmt und wirklich gemacht (vide Sittenlehre). Die Freiheit besteht darin, dass aus allen Möglichen nur ein Teil an die Kette angeschlossen werde. 
_________________________________________________________                             J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 232f. 

 

Nota. - Vernunft ist ein sehr deutsches Wort - mit ratio, reason und raison nicht ganz treffend übersetzt. Die haben einen etymologischen Beiklang von Rechenhaftigkeit. Ver-nunft hieß zuerst vernunst und kommt von vernehmen: Nach strenger Methode konstru-ieren ist offenbar nicht gemeint, eher eine Art höherer Eingebung. 

Seine Weltkarriere begann der Begriff Mitte des 17. Jahrhunderts, als nach dem 30jährigen Krieg dringend ein Medium gebraucht wurde, das an Stelle der verfeindeten Glaubensleh-ren Frieden in Europa wieder möglich machte; ein Medium, auf das und durch das sich alle verständigen konnten unerachtet ihrer Nationalität und ihres Bekenntnisses. Der Gedanke des Völkerrechts hatte drei Jahrzehnte lang unter den Gebildeten um sich gegriffen und ohne ihn hätte es einen Westfälischen Friedenskongress nicht gegeben.

Zu bestimmen, was genau unter Vernunft zu verstehen war, hat man vorsichtshalber un-terlassen, damit nicht gleich alles wieder von vorn losging. In den romanischen Ländern, wo der Vernunftbegriff von der römischen ratiocinatio abgeleitet war, galt von Galileo über Descartes die Mathematik als Modell - namentlich die Konstruktionen der Geometer, die weitreichende Spekulationen möglich machten. In England kam währenddessen die Mei-nung auf, wirkliches Wissen könne einzig aus sinnlicher Erfahrung gewonnen werden. 

Aus dem Zwiespalt von kontinentalem Rationalimus und insularem Sensualismus entstand Kants Kritik der einen Vernunft: rein, sofern sie vor der Erfahrung läge und deren Voraus-setzung sei.

Doch über eine Kritik kam Kant nicht hinaus. An eine positive Bestimmung dessen, was Vernunft an und für sich ist, machte sich Fichte heran, und der Ausdruck Wissenschafts-lehre lässt keinen Zweifel an seiner Ambition.
JE

 

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Dienstag, 26. März 2024

'Gesehen durch...'

fotocommunity              zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Wiederholt ist die Rede davon, dass etwas - das Ding z. B. - "durch" etwas anderes - die Einbildungskraft z. B. - "gesehen" wird. Ist das tiefsinnig gemeint: dieses durch jenes hin-durch? Es geht auch schlichter. Zum Beispiel: ...das Ding von der Einbildungsskraft aus gesehen... Immerhin hat ja das Ich, von dem hier die Rede ist, das erste Etwas vor dem folgenden Etwas vorgestellt, als dessen voraus-Setzung. 

Auf metaphorische Obertöne legt F. allerdings Wert. Sie sollen stets mitgedacht werden. Aber sie gehören ins Reich der Vorstellung, man kann darauf anspielen, aber argumentie-ren wie mit Begriffen kann man damit nicht.

Die Einbildungskraft und ihre Materie.

                                    zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Was ist nun in diesem Realen das Gedachte? Die produzierende Einbildungskraft und, da hier Bestimmtheit eintrifft [sic], die Einbildungskraft im Produzieren. Es ist ein Produkt der Einbildungskraft, also was ists?

Die Einbildungkraft synthetisiert ein unendlich teilbares Mannigfaltiges, nun ist dieses hier ein Stehendes - daher, weils ein Objekt der realen Tätigkeit ist. Demnach wird nicht aufs Mannigfaltige gesehen, sondern aufs Eine. Es ist das Erblickte ein Teilbares bis ins Unend-liche, es ist teilbarer Stoff, Materie im Raume. Eben die Vereinigung des Mannigfaltigen, wo auf die Vereinigung nur gesehen wird, macht es zur Materie. Darauf wird sich nun das Idea-le beziehen und das Reale dadurch affiziert werden und sein Gepräge erhalten.
_________________________________________________________                             J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 221 

 

Nota. -  Die Mannigflaltigkeit der Moleküle wird er ja nicht gemeint haben: Er meint die Mannigfaltigkeit der Gegenstände. Deren Synthesis ist ein Ideales: Gegenständlichkeit. Ma-terie ist, was zum Gegenstand werden kann - in Raum und Zeit, versteht sich.
JE


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Sonntag, 24. März 2024

Einbildungskraft!

N. de Staël, Le concert;                     zu Wissenschaftslehre,  zu Geschmackssachen

... die Einbildungskraft ... ist aber nur eine verworrene Darstellung unserer Handlungsmög-lichkeiten, die in dem Dinge ausgedrückt sind; alles, was ich daraus machen könnte. Nun fange ich darauf hin an zu handeln und verändere die Gestalt des Dinges ganz. Was ist[s] denn nun, welches durch die Zeit des Handelns durch dauert? Bloß mein Denken mit der verworrenen Darstellung alles dessen, was ich tun könnte, unter welchem ich aber immer bloß das Eine tue.* Beispiel von einem Baume, von dem man ein Stück nach dem andern abschneiden kann pp.;
*) das für einen gewählten Zweck Tauglichste.
_______________________________________________________
                                 J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 225

 
Nota. - Bemerkenswert für die ästhetische Betrachtung: die Gestalt der Dinge als Bild meiner Handlungsmöglichkeiten: "alles, was ich daraus machen könnte". Gemeint sind die Dinge, wie sie im praktischen Leben wirklich sind. Das betrifft auch noch die Dinge im kultischen Bild: nicht nur, was ich faktisch, sondern auch, was ich im Glauben daraus machen kann. Aber doch eben ich.
 
So die Kunst unbeirrt bis in die Renaissance. Erst mit dem Aufblühen der Landschafts-malerei kommt die Idee auf, die Dinge so darzustellen, wie sie "an sich selber sind"; ohne Hinblick auf das, was ich daraus machen kann. Das ist ein unnatürlicher Blick, er erfordert eine besondere Konzentration, ein absichtliches Absehen von aller Absicht. 

Dazu eignet sich kein wirkliches Ding eher als die Landschaft. Und wer sich auf die Darstel-lung der Landschaft verlegt, wird früher oder später darauf verzichten, 'Handlungsmöglich-keiten' in ihr zu erspähen, und sich auf die Anschauung des 'rein Ästhetischen' beschränken.

Dass die Kunst zeitweilig ungegenständlich wurde, war kaum zu umgehen, hat sich aber auch bald erschöpft. Wo keine Gegenstände sind, sind auch keine Handlungsmöglichkeiten, und die Abstraktion abstrahiert von gar nichts. Die ästhetische Pointe ist ja eben: an den Gegenständen von den wirklichen Handlungsmöglichkeiten absehen. Ungegenständliche Bilder wirken seit ein paar Jahrzehnten beliebig und rein dekorativ. 
25. 4. 17


Im Bewusstsein komme ich immer nur als Vermögen vor.

                              zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Im ganzen Bewusstsein komme ich nur immer vor als Vermögen.
_________________________________________________________                             J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 205

 

Nota. - Kant hat, als ihn David Hume mit seinem Zweifel an der Kausaliät aus seinem "dogmatischcn Schlummer" gerissen hatte, einen Halt bei Rousseaus Savoyischem Vikar gefunden: Was immer ihn die Philosophen sonst auch glauben machen wollten - dass er selbst es sei, der in seinen Urteilen urteilt, könnten sie ihm durch ihre Sophismen nicht in Zweifel bringen: Das wüsste er, weil er es wusste. 

Was und wer diese oder jene Person sonst wohl auch noch wäre - ein Ich sei sie, weil und in wiefern sie urteile.

Ichheit ist das Vermögen, begründete Urteile zu fällen.
JE


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Samstag, 23. März 2024

Das Ich ist etwas Einfaches, Absolutes.

  zionkabbalah          zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Das bestimmende Ich ist etwas Einfaches, Absolutes, durchs bloße Denken Produziertes, ein Noumen, darin wird ja nicht gedacht ein sich wirklich bestimmendes Ich, da bloß die Form gedacht wird, das bloße Vermögen. Dies ist ein sonderbarer Begriff, da sich nicht verstehen lässt, was ein bloßes Vermögen sein könnte, und doch ists im Bewusstsein ge-dacht.
_________________________________________________________                             J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 204

 

Nota. - Als Substanz werde aufgefasst, was als Ursache der Kraft vorgestellt wird, heißt es auf S. 212. So aber nicht das bloße Vermögen, das nur als Form gedacht wird ohne Inhalt nach Raum und Zeit - 'Form der Form'. Das eben ist ein Noumen,* das nur gedacht und gerade nicht vorgestellt wird. Es ist eine Quadratur des Zirkels und die eigentliche gedank-liche Herausforderung der Transzendentalphilosophie. Es ist eines, das sich nie auffinden, sondern immer nur  behaupten lässt - und bewähren muss durch die Operationen (sic), die es möglich macht.

Substanz wird ein Vermögen, indem es 'wirklich wirkt'. Das transzendentale, absolute Ich aber wird als wirken könnend lediglich gedacht. Es ist kein Faktum, sondern dessen Sinn-behauptung. Es gehört in die Philosophie. Die Personen, die durch die Tat wirken, betrach-tet die Psychologie.

*) Alles, was es wirklich gibt, 'gibt es' doppelt: ein erstes Mal als Erscheinung, ein zweites Mal als Begriff. Die Erscheinung wird angeschaut, der Begriff wird gedacht; "vorstellen" in specie kann man sie im Gedächtnis: so, wie man sie wirklich gesehen hat. Was dagegen nur gedacht werden kann, kann weder angeschaut noch erinnert werden; es muss bloß gedacht bleiben. Man kann Bilder, die man wirklich vor Augen hatte, in der Phantasie so verändern, dass es einem vorkommt, als könne man sie wahrnehmen. Das ist dann Kunst - im Untrerschied so-wohl zur Philosophie als auch zum gemeinen Menschenerstand.
JE

Freitag, 22. März 2024

Ja, das ist transzendental.

                                  zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Aber die Wissenschaftslehre weiß bloß von einem Denken, nicht von Bestimmenden und Bestimmten als Objekten.
_________________________________________________________                          
  J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 196


Nota.- ...nur vom Tun, nicht vom Tätigen noch vom Getanen.

Die Wissenschsftslehre handelt nicht von dem, was in Raum und Zeit ist, sondern davon, wie es vorgestellt wird - und werden kann.
JE


Nota. Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

Donnerstag, 21. März 2024

Mein Sein ist nichts als ein so-Wollen.

voluntad                                             zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

In diesem Wollen nun in der letzten Rücksicht ist nun mein ganzes Sein und Wesen be-stimmt für einmal in alle Ewigkeit. Ich bin nichts als ein so Wollendes, und mein Sein ist nichts als ein so-Wollen. Dies ist die ursprüngliche Realität des Ich, dies geht aus allen un-seren Untersuchungen hervor; denn nur ein reines Wollen ist fähig, unmittelbares Objekt des Bewusstseins zu sein.
_________________________________________________________                             J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S.154

 

Nota. - Beachte: Mein Sein ist ein so-Wollen. Mein Handeln ist ein so-wollend-Handeln. Das Handeln ist real, das Sein ideal (und schon tot).

Das einmal in alle Ewigkeit bestimmte Sein und Wesen ist wohlbemerkt das Ich: ein Nou-menon. Es gehört nicht zur sinnlichen Welt, sondern zur intelligiblen. Das Handeln nur ge-hört zu beiden - denn aus ihm gehen beide hervor .
JE

Mittwoch, 20. März 2024

Das Ich ist eine Abstraktion aus einer Menge vernünftiger Wesen.

H. Hauser, Singularität        zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Das Ich ist, wie es hier in dem Hauptbegriffe der ursprünglichen Bestimmtheit angesehen wird, etwas Intelligibles, ein Geistiges, es lässt sich bloß negativ bestimmen durch Abstrak-tion von der äußeren Anschauung. Die Form der äußeren Anschauung Raum und Zeit passt darauf gar nicht. 

Das Ich als ein Geistiges ist ein Bestimmtes, das Bestimmbare dazu muss auch ein Geistiges sein, eine Masse des rein Geistigen (sit vernia verbo; es wird sich unten zeigen als Reich ver-nünftiger Wesen, das ist ein bestimmter Teil dieser Masse; es wird sich zeigen, dass das Gei-stige sich teilen lasse.)
_________________________________________________________                            J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S.149 

 

Nota. - Ich ist ein Noumenon, wie Welt, Leben und Geist.

Ein Noumenon ist auch die Reihe vernünftiger Wesen. Aber doch auch schon die Abstrak-tion von einem historischen Phänomenon: die Gattng Homo sapiens, seit sie ihre Geschich-te selber macht. Inwieweit das individuelle Ich daran teilhat, tritt es selber in Erscheinung.
JE

Dienstag, 19. März 2024

Ich soll ich werden.

exlane                      zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Wie verhält sich nun das Übergehen meines reinen Wollens von seinem Bestimmbaren zum Bestimmten? Es ist ohne unser Zutun; denn wir selbst werden erst durch unser Übergehen. (Ich er-scheine mir als bestimmt, mich so oder so zu bestimmen.) Hier liegt die Idee unseres Entstehens in der Zeit. Das Ich erscheint sich hier als bestimmt, sich so zu bestimmen, wie es sich bestimmt, und das Übergehen wird hier nicht als frei, sondern als notwendig ge-dacht. Es ist etwas Gefundenes. 

Diese Bestimmtheit, die mein Hauptcharakter ist, besteht darin, dass ich bestimmt bin, mich auf eine gewisse Weise zu bestimmen; sie besteht lediglich in einer Aufgabe zu einem Handeln, zu meinem Sollen. Die Bestimmung des Menschen ist nicht etwas, das der Mensch sich gibt, sondern das, wodurch der Mensch Mensch ist. 
_________________________________________________________                            J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S.148


Nota. - Das ist die einzige Voraus-Bestimmtheit des im ersten, analytischen Gang der Wis-senschaftslehre als Grund aufgefundenen Proto-Ich alias "reines Wollen": Es soll apriori sich bestimmen. Fichtes Wette ist: Daraus müssten sich alle folgenden Bestimmungen her-leiten lassen, durch die der Mensch schließlich zu einem vernünftigen Wesen wurde.

Nicht zu übersehen ist: Das reine Wollen wird hierdurch als Ganzes zu einem ebenso kate-gorischen wie problematischen Sollen. Man mag eine Sittenlehre darin aufsuchen, aber kei-nen Grund gibt es, sie abzusondern. Diese Vorausbestimmung ist nicht ein Teil, sondern die Grundlage des ganzen Systems. Sie ist Ethik, die nicht mehr ist als die Anwendung des ästhetischen Urteils auf die Willensbestimmung.

Bedenke auch: Dieses kategorische Sollen ist keine überhistorische Bestimmung einer hö-heren Gewalt. Sie folgt aus dem einfachen Umstand, dass das Resultat - ein individuelles Ich in einer Reihe vernünftiger Wesen - ja die sachlicheVoraussetzung der transzendentalen Ver-nunftkritik war; nämlich ihres ersten, analytischen Ganges. Die synthetische Rekonstruktion im zweiten Gang muss die Richtigkeit erweisen: nicht, dass sie diesen Zielpunkt erreicht - ein anderer kommt ja nicht in Betracht. Sondern dass sie ihn ohne externe Zusatzbedin-gungen trifft. So muss es ein; etwas anderes kann Sollen an dieser Stelle gar nicht heißen.
JE 

Montag, 18. März 2024

Der Raum entstand, weil ich ein Dort gesetzt habe.

M. Buonarotti                                               zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Ich begreife wohl, wie ein zweites Objekt durch ein erstes, ein drittes durch ein zweites bestimmt sein könnte, aber im Ganzen sehe ich es doch auch nicht ein! Denn wo liegt das Ganze? 

Alle Ortsbestimmung ist subjektiv. Ich habe irgend einmal im Raume angefangen, diese Bestimmung ist absolut. Ich bin es, der diesen Ort zu diesem macht, außerdem hat er keine Bestimmung. Der erste Ort im Raume ist durch nichts bestimmt, als durch mein Tun.
_________________________________________________________                            J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S.115




Sonntag, 17. März 2024

'Genetisch'.

                                zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Jedes mögliche B, das man auffasst, muss angesehen werden als bedingt durch A (umge-kehrt könnte wohl A sein, wenn B nicht wäre, B bedingt nicht umgekehrt A, so wie sich A verhält zu Be, so B zu C u.s.f.) und bedingend ein gewisses C; B muss so angesehen werden, dass es nicht sein könnte, wenn nicht ein gewisses A vorausgegangen wäre, u.s.f. Dies Ver-hältnis ist das der Dependenz. Also das Mannigfaltige steht im Verhältnis der Dependenz und kommt dadurch in eine / Reihe.

Das beste Beispiel dazu ist die Fortbewegung eines Körpers im Raume. 

Der Körper stehe in A; ich bewege ihn fort bis in B, in B würde er nicht sein, wenn er nicht in A war, aber es wird nicht gesagt, dass er notwendig aus A in B fortbewegt werden müss-te. Jedes vorhergehende Glied verhält sich zu dem folgenden wie das Bestimmbare zum Bedingten (oder Bestimmten), nicht aber wie das Bestimmende zum Bestimmten. Nach A ist eine beträchtliche Menge von Bewegungen möglich, und dies ganze Mannigfache ist be-dingt durch A. Ich habe das Objekt im Punkte A, aus diesem kann ich es in alle möglichen Punkte schieben, aber wenn es nicht in A steht, so kann ich es nach keiner von allen den möglichen Richtungen bewegen. Von jedem Glied ist das folgende nur möglich, wirklich wird es nur dadurch, dass der Wille gerade diese Richtung wählt. 

Durch dieses Verhältnis der Dependenz ist das Mannigfaltige des Gefühls überhaupt ver-einigt. Aber wie wird es nun mit dem Ich im Begriff des Willens vereinigt? Wo das Ich er-scheint, ist allenthalben ein Übergehen, wo das Folgende nicht zum Vorhergehenden passt; da ist das Ich das Bestimmende, i. e. das, was den Grund des Übergehens von der Bestimm-barkeit zur Bestimmtheit [enthält]. In der Wirksamkeit erscheint die Richtung, wo die Wirksam-keit aufhört, da hört die Richtung auf. Dadurch erscheine ich mir in der ganzen Reihe als Ich, dass ich durch die ganze Reihe das [Bestimmende]* bin.
*) [in Krauses Ms.: 'das Bestimmbare']

_________________________________________________________                            J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S.128f. 

 

Nota. - 'Ich bewege ihn fort': Vorausgesetzt ist ein wirkender Wille und nicht ein unwillkür-lich wirkendes Gesetz. Der Wille aber ist frei. Er muss, er kann wählen. Doch wenn er die-ses gewählt hat, kann er hernach nur von diesem her forschreiten. Nicht von sein ist ja die Rede, sondern von handeln.

Das unterscheidet die logische Darstellung, die lediglich eine Analysis eines gegebenen Zu-stands ist, von der von F. sogenannten genetischen Methode, die, von der Freiheit ausge-hend, eine bedingt folgende Produktion veranschaulicht.

Bemerken Sie auch die beiläufige Gleichsetzung von "bedingt (oder bestimmt)"!
JE


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Samstag, 16. März 2024

Zeit entsteht als Dependenz.

                                zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Nur so entsteht uns eine Zeit, in der wir das Mannigfaltige, in wiefern es im Verhältnis der Dependenz steht, anschauen; und lediglich, in wiefern das Mannigfaltige so angeschaut wird, ist eine Zeit.
_________________________________________________________                            J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 130

 

Nota. - Folgerichtigkeit und Abhängigkeit sind dasselbe. (Sie bedeuten nur zweierlei.)

 

 

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Das Ich ist eine Zeitinie - eben weil es übergeht.

                                          zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Die unter N. 1 et 2 geschilderte Selbstbestimmung, welche in keiner Zeit ist, wird hier aus-gedehnt zu einer Zeitlinie. Bei jedem unterschiednen Mannigfaltigen wird die Selbstbestim-mung wieder gesetzt und abermals gesetzt, doch überall als Eine Selbstbestimmung, und daher die Kontinuität der Zeitreihe. Ich bestimme mich von A zu B, dies ist ein Akt, der in keine Zeit fällt. Zufolge dieser Selbstbestimmung tritt eine Erfahrung ein; mein Übergehen von A zu B fällt in die Zeit.
_________________________________________________________                            J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 130 

 

Nota. - Die Zeit entsteht als eine Dauer - über die einzelnen Akte hinaus und durch sie hindurch. Und als eine Sequenz - indem die Akte nicht neben-, sondern nach einander erfolgen: so dass der eine Akt nicht nur durch die vorausegangenen, sondern auch durch die folgenden seinen Sinn erhält: eine Kon sequenz.
JE



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Dynamische Darstellung, statische Kritik, I.

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