Jordaens, Drei Musiker zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Unsere
Philosophie macht umgekehrt das Leben, das System der Gefühle, des
Begehrens zum Höchsten und läßt der Erkenntnis überall nur das Zusehen.
Es ist nach ihr ein solches System der Gefühle bestimmt: es ist
freilich mit ihnen ein Bewußtsein verknüpft; und dies gibt eine
unmittelbare, nicht eine durch / Folgerungen
erschlossene, durch freies, auch zu unterlassendes Räsonnement erst
erzeugte Erkenntnis. Nur diese unmittelbare Erkenntnis hat Realität,
ist, als aus dem Leben kommend, etwas das Leben bewegendes: und wenn
phi-losophisch die Realität einer Erkenntnis erwiesen werden soll, muß
ein Gefühl – ich will mich hier noch dieses Worts bedienen und werde
über den Gebrauch desselben sogleich noch bestimmtere Rechenschaft
geben – aufgezeigt werden, an welches diese Erkenntnis sich unmittelbar
anschlösse.*
Das freie
Räsonnement kann jene Erkenntnis nur durchleuchten, läutern, verknüpfen
und trennen, das Mannigfaltige derselben, und dadurch den Gebrauch
desselben sich erleichtern und sich fertiger darin machen: aber sie [sic]
kann es nicht vermehren. Unsere Erkenntnis ist uns mit einem Male, für
alle Ewigkeit gegeben, und wir können dieselbe nur weiter entwik-keln,
den Stoff nur aus eben diesem Stoff vermehren.
Nur
das Unmittelbare ist wahr: und das Vermittelte ist wahr, inwiefern es
sich auf jenes gründet, außerdem Schimäre und Hirngespinst.
*) Das Leben ist die Basis: und wenig bedeuten die Worte.
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J. G. Fichte, Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 138f.]
Nota. - Die Wissenschaftslehre ist Kritik. Sie soll das Wissen von Dogmen und Mystfikatio-nen reinigen. Sie selbst fügt dem Leben nichts hinzu; aber besagte Reinigung: Sie befreit es von seinen Fesseln.
JE
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