Montag, 15. Januar 2024

Das Vernunftwesen hat Realität nur als Leib.

smash-images                          zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
 
d. Mein Leib muss der Person außer mir sichtbar sein, ihr durch das Medium des Lichts erscheinen und erschienen sein, so gewiss sie auf mich wirkt: wodurch der erste und min-deste Teil unserer Frage beantwortet wäre. Nun soll, nach der notwendigen Vorausset-zung, diese Erscheinung so sein, dass sie schlechterdings nicht zu verstehen und zu be-greifen ist, außer durch die Voraussetzung, ich sei ein vernünftiges Wesen; dass sonach dem anderen angemutet werden könne: So wie du diese Gestalt erblicktest, musstest du/ sie notwendig für die Repräsentation eines vernünftigen Wesens in der Sinnenwelt halten, wenn du selbst ein vernünftiges Wesen bist. -

... Ich kann die Erscheinung eines menschlichen Leibes nicht begreifen außer durch die Annahme, dass er der Leib eines vernünftigen Wesens sei, heißt daher: Ich kann bei Auf-sammlung der Teile seiner Erscheinung nicht eher stille stehen, bis ich auf den Punkt ge-kommen bin, dass ich ihn als den Leib eines vernünftigen Wesens denken muss.

Ich will diesen genetischen Beweis strenge führen, d. i. ich will die Hauptmomente dessel-ben angeben. Ausführlich kann er hier nicht dargestellt werden. Er allein bildet eine eigne Wissenschaft, die Anthropologie.
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J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 76f.
 



Nota. - Im Gefühl - in den Meldungen, die mir meine Sinneszellen machen - sammle ich ohnehin immer nur Mannigfaltiges; 'Teile' - von was? Von einem mutmaßlichen Ganzen, aber ob sie das sind, liegt nicht an ihnen selbst, sondern an der Vorstellung, die ich mir von diesem 'Ganzen' selbst gemacht habe, landläufig: vom Begriff. Ein Ganzes ist ein solches nicht an sich, sondern im Hinblick auf das, was ich mit ihm anzufangen können denke; nicht einmal 'will'; denn ob ich es will, muss ich erst noch entscheiden. Die Ganz-heit liegt im Zweckbegriff.

So weit, so gut. Das haben wir uns denken können, bevor wir aus der Transzendentalphi-losophie zur Rechtsphilosophie übergegangen sind. Die Frage ist nicht, ob wir aus den Bildern einzelner Körperteile - Arme, Beine, Rumpf und Kopf - die Gestalt eines ver-nünftigen Wesens zusammensetzen können; sondern - ob wir den Begriff eines vernünf-tigen Wesens haben. Und den haben wir spätestens, seit er uns bis zum Rechtsbegriff ge-führt hat.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Der springende Punkt ist, ab welchem 'Punkt' - logisch? historisch? - wir die Reihe vernünftiger Wesen nicht mehr nur als trans-zendentale Bedingung, sondern als faktisch gegeben annehmen können. Dann ist das Ver-nunftwesen apriori deduziert - und muss nicht von jedem Einzelnen aposteriori rekon-struiert werden. Aber ich fürchte, ich wiederhole mich. F. hat sich davor nicht gefürchtet.
JE, 24. 3. 21           

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