Donnerstag, 11. Januar 2024

Die Welt ist doch vernünftig.

                                                                   aus Philosophierungen

Eine Welt ist keine Gegend, sondern ein Horizont. Mit andern Worten, es gibt sie nur als Vorstellung. Nämlich als die Vorstellung von einer Gesamtheit aller möglichen Vorstellun-gen. Ob den Vorstellungen, die sie umfasst, jeweils etwas Objektives, unabhängig von meinem Vorstellen Daseiendes entspricht, ist damit noch nicht entschieden; sondern nur, dass sie in der Welt lediglich vorgestellt werden.

Nun gibt es Vorstellungen, die ich mit andern teile, und Vorstellungen, die ich nur für mich habe. Das sind pragmatische Bestimmungen: Es kommt jedesmal auf den Versuch an. 'Die Welt' ist die vorgestellte Gesamtheit aller Vorstellungen, von denen ich annehme, dass ein jeder Andere sie vernünftiger Weise teilen muss. Das ist eine Wechselbestim-mung: Sie mit allen andern teilen nenne ich vernünftig, und vernünftig ist das, was ich mit allen andern teile. 

Das wäre eine Tautologie, wenn ich es als vorgegeben annehmen wollte. Es ist aber im Gegenteil ein Problem, das in jedem Zweifelsfall immer wieder neu zu lösen ist: Man muss es drauf ankommen lassen. Manche Vorstellung hat sich als mit niemandem teilbar erwiesen. Ich kann sie ausmustern, aber ich kann sie auch für mich behalten. Und vieles, was ich mir vorstelle, geht einen andern sowieso nichts an, wozu also sollte ich es teilen? ;

'Die Welt' ist unsere Welt: die Welt der Vernunft. In dieser Welt lebe ich, und weil sie ein Horizont ist, sind ihre Grenzen mal enger, mal weiter - je nach dem, wie hoch ich meinen Standpunkt wähle. Doch in der Welt, in der ich lebe, gilt nicht überall, und nicht überall in gleichem Maße, Vernunft. In meiner Welt gelten auch Leidenschaften, Begierden und In-teressen; und wohl auch interesseloses Gefallen. Will mir da einer reinreden, muss er schon sehr gute Gründe nennen. Der Vernunft muss ich immer wieder - öfter, als mir manchmal lieb ist - nachgeben, denn immer wieder nehme ich sie selbst in Anspruch. Und manchmal kommt der Moment, wo ihre Ansprüche versagen; da muss man dann schauen, wer sich durchsetzt: Das heißt politisch.
1. 8. 16



Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE 

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