Daher nun, von diesem Nötigen und Zwingen der Einbildungskraft, sich nur
hierauf zu richten, kommt der Begriff von Kraft, der mit dem Willen
vereinigt ist. Es ist nicht möglich, sich den Willen zu denken, ohne
sich zugleich einen Anstoß, eine Anwendung von Gewalt zu denken. Das
Wollen ist wahres inneres Wirken, Wirken auf sich selbst. Das
herum-schweifende Denken wird ergriffen und auf einen Punkt beschränkt.
Diese Vorstellung vom inneren Wirken kommt im Bewusst/sein
vor als etwas zwischen Gefühl und Gedanken Schwebendes, man könnte es
nennen ein intelligibles Gefühl. Wenn die Einbildungskraft sich selbst
überlassen bleibt, so schweift sie herum, und es kostet in-nere
Anstrengung, sie zu binden.
Dieses Aktes, des
Bindens, werde ich mir unmittelbar bewusst, indem ich ihn vollziehe, und
hierdurch lässt sich die intelligible Welt an die Welt der
Erscheinungen anknüpfen. Was in diesem Gefühle vorkommt, ist die erste
innere Kraft, man könnte sie reine Kraft, Kraft auf sich selbst nennen.
Sie ist Wirkung des Vernunftwesens auf sich selbst.
Nota I. - Das ist eine der wichtigsten Stellen in der ganzen Wissenschaftslehre.
Wenn man von dem metaphysischen Dogma von den zwei Substanzen, einer res extensa und einer res cogitans ausginge,
wäre das ein atemberaubendes Kunststück: Wie stellt es die res extensa
an, in die res cogitans vorzudringen? Doch in der Wissenschaftslehre,
die den Gang des Bewusstseins zuerst rein phänomenal verfolgt, wurde eine solche Voraussetzung nicht gemacht. (Ihr Gegenstand ist die Vorstellung, und dort kam sie bislang nicht vor.)
Das Faktum der Konzentration unserer Aufmerksamkeit
- denn davon ist hier die Rede - lässst sich nicht leugnen, ob man es
nun erklären kann oder nicht. Aufmerken ist reflek-tieren und
abstrahieren in Einem. Der elementarste Bewusstseinsakt ist: auf mein Gefühl achtgeben. Es ist die Stelle, wo ein empirisches Selbst zu einem
vernünftigen Ich wird.
Nota II. - Dass
er im Moment akuter Gefahr alle Aufmerksamkeit darauf konzentriert und
selbst Schmerzen unter Umständen gar nicht 'merkt', unterscheidet den
Menschen nicht vom Tier: Dem geht's nicht anders; sondern dass er sein
Aufmerken will kürlich richten kann. Das ist die Grundform von Wollen, und Wollen ist die Substanz von Geist. (Geist sieht nicht auf Dinge ab, sondern auf Probleme.)
Nota III. - Sagen wir genauer: Im Aufmerken entstehen sinnliche und intelligible Welt. Vor dem Aufmerken ist nichts, nämlich nichts für das Bewusstsein, denn ohne Aufmerken ist kein Bewusstsein. Im Aufmerken entstehen gleichermaßen das und was?. Aufmerken ist fragen. Der Mensch ist nicht, wie das Tier, eins mit seiner natürlichen Umwelt, sondern steht fragend in einer fremden Welt, die er, indem er in sie wirkt, sich fortschreitend ent-fremdet und intelligibel macht.
Das ist ein anthropologischer Befund, der den Ausgangspunkt der Wissenschaftslehre ausmacht.
28. 5. 19
Nota.Das
obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog
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