Montag, 2. Dezember 2024

Das Aufmerken verbindet sinnliche und intelligible Welt.

Daher nun, von diesem Nötigen und Zwingen der Einbildungskraft, sich nur hierauf zu richten, kommt der Begriff von Kraft, der mit dem Willen vereinigt ist. Es ist nicht möglich, sich den Willen zu denken, ohne sich zugleich einen Anstoß, eine Anwendung von Gewalt zu denken. Das Wollen ist wahres inneres Wirken, Wirken auf sich selbst. Das herum-schweifende Denken wird ergriffen und auf einen Punkt beschränkt.                                        

Diese Vorstellung vom inneren Wirken kommt im Bewusst/sein vor als etwas zwischen Gefühl und Gedanken Schwebendes, man könnte es nennen ein intelligibles Gefühl. Wenn die Einbildungskraft sich selbst überlassen bleibt, so schweift sie herum, und es kostet in-nere Anstrengung, sie zu binden. 

Dieses Aktes, des Bindens, werde ich mir unmittelbar bewusst, indem ich ihn vollziehe, und hierdurch lässt sich die intelligible Welt an die Welt der Erscheinungen anknüpfen. Was in diesem Gefühle vorkommt, ist die erste innere Kraft, man könnte sie reine Kraft, Kraft auf sich selbst nennen. Sie ist Wirkung des Vernunftwesens auf sich selbst. 

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J. G Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 126f.



Nota I. - Das ist eine der wichtigsten Stellen in der ganzen Wissenschaftslehre.

Wenn man von dem metaphysischen Dogma von den zwei Substanzen, einer res extensa und einer res cogitans ausginge, wäre das ein atemberaubendes Kunststück: Wie stellt es die res extensa an, in die res cogitans vorzudringen? Doch in der Wissenschaftslehre, die den Gang des Bewusstseins zuerst rein phänomenal verfolgt, wurde eine solche Voraussetzung nicht gemacht. (Ihr Gegenstand ist die Vorstellung, und dort kam sie bislang nicht vor.)

Das Faktum der Konzentration unserer Aufmerksamkeit - denn davon ist hier die Rede - lässst sich nicht leugnen, ob man es nun erklären kann oder nicht. Aufmerken ist reflek-tieren und abstrahieren in Einem. Der elementarste Bewusstseinsakt ist: auf mein Gefühl achtgeben. Es ist die Stelle, wo ein empirisches Selbst zu einem vernünftigen Ich wird.

Nota II. -  Dass er im Moment akuter Gefahr alle Aufmerksamkeit darauf konzentriert und selbst Schmerzen unter Umständen gar nicht 'merkt', unterscheidet den Menschen nicht vom Tier: Dem geht's nicht anders; sondern dass er sein Aufmerken will
kürlich richten kann. Das ist die Grundform von Wollen, und Wollen ist die Substanz von Geist. (Geist sieht nicht auf Dinge ab, sondern auf Probleme.)

Nota III. - Sagen wir genauer: Im Aufmerken entstehen sinnliche und intelligible Welt. Vor dem Aufmerken ist nichts, nämlich nichts für das Bewusstsein, denn ohne Aufmerken ist kein Bewusstsein. Im Aufmerken entstehen gleichermaßen das und was?. Aufmerken ist fragen. Der Mensch ist nicht, wie das Tier, eins mit seiner natürlichen Umwelt, sondern steht fragend in einer fremden Welt, die er, indem er in sie wirkt, sich fortschreitend ent
-fremdet und intelligibel macht. 

Das ist ein anthropologischer Befund, der den Ausgangspunkt der Wissenschaftslehre ausmacht.
28. 5. 19 

 

Nota.Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog

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