Dienstag, 3. Dezember 2024

Einbilden, vorstellen, wissen.

karolingisch                   ausPhilosophierungen
 
Dass das Gehirn keinen eigenen Maßstab dafür hat, was real ist und was es sich nur ein-bildet, beweist nicht, dass diese Unterscheidung selber nicht real, sondern 'bloß eingebildet' ist: Es beweist gar nichts. Dass etwas außerhalb der Vorstellung 'wirklich vorkommt', kann nur etwas außerhalb unserer Vorstellung uns verbürgen - doch davon könnten wir nichts wissen. Es ist aber auch nicht so, dass nur wir 'es nicht wissen können'; dass da etwas Wiss-bares ist, zu dem wir, ach, keinen Zugang haben. Vielmehr ist es so, dass die Frage selber, wenn man sie nur gründlich stellt, keinen Sinn hat.

Wir wissen nichts, als was in unserer Vorstellung vorkommt: Beide Ausdrücke bedeuten dasselbe. Wir wissen folglich nichts, was in unserer Vorstellung nicht vorkommt. Wir wis-sen manches noch nicht, weil es in unserer Vorstellung noch nicht vorkommt; das kann sich ändern, man muss immer wieder versuchen. Doch etwas, das ich mir nicht vorstellen kann, weil es an sich nicht vorstellbar ist, ist... unvorstellbar. Es ist nicht inexistent, sondern sinn-los. Danach zu fragen, ist... nun ja, dumm; spätestens, sobald die erforderlichen Überlegun-gen angestellt wurden.

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Daneben steht die Tatsache, dass wir alle im Alltag tausendfach unterscheiden zwischen Vorstellungen, denen in einer Welt außerhab meiner Vorstellungen etwas entspricht, und Vorstellungen, denen nichts Reales entspricht; und dass wir uns ganz selbstverständlich ein Urteil über deren Unterscheidung zutrauen; wenn nicht auf den ersten Blick, dann auf den zweiten oder dritten. Und dass uns diese Unterscheidung alltäglich tausendfach gelingt, se-hen wir als den Unterschied zwischen einem vernünftigen und einem verrückten Bewusst-sein an! Die ganze westliche Kultur beruht darauf. 

Ob es eine grundlose Anmaßung ist, kann die empirische Kognitions- und Neurowissen-schaft nicht beurteilen. Denn dazu müsste sie aus ihrem natürlichen Befangensein in den immanenten Bewegungsgesetzen des Gehirns heraustreten, die doch gerade Gegenstand ihrer Untersuchung sind. Man müsste schon einen Standpunkt außerhalb seiner einnehmen können, um sein Verfahren "wie ein unbeteiliger Zuschauer" anzuschauen.

Das ist empirisch offenbar nicht möglich. Es kann nur spekulativ geschehen, anhand eines Modells. Die Transzendentalphilosophie behauptet, ein solches Modell entworfen zu haben. Sein spekulativer Ausgangspunkt ist die Annahme, dass die Intelligenz nicht rezeptiv, son-dern schlechterdings agil und projektiv tätig ist. Dass es so ist und wie es möglich wurde, kann das Modell selber nicht erweisen, sondern muss es voraussetzen. Erweisen oder doch mindestens faktisch einsichtig machen könnten es dann doch wieder nur die realen Wissen-schaften. Der obige Beitrag liegt auf dem Weg dorthin. 

Kommentar zu Das Gehirn stellt Vermutungen über die Welt an, die es an Fakten überprüft. JE, 3. 2. 20

 

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Noumena.*

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