Montag, 30. Dezember 2024

Vergegenständlichung als Entfremdung.

Bernhard Wasem                                                                 aus Marxiana
 
Der fact, daß mit der Entwicklung der Productivkräfte der Arbeit die gegenständlichen Be-dingungen der Arbeit, die vergegenständlichte Arbeit wachsen muß im Verhältniß zur leben-digen Arbeit – es ist dieß eigentlich ein tautologischer Satz, denn was heißt wachsende Pro-ductivkraft der Arbeit anders, als daß weniger unmittelbare Arbeit erheischt ist, um ein größ-res Product zu schaffen und daß also der gesellschaftliche Reichthum sich mehr und mehr ausdrückt in den von der Arbeit selbst geschaffnen Bedingungen der Arbeit – erscheint vom Standpunkt des Capitals so, nicht daß das eine Moment der gesellschaftlichen Thätig-keit – die gegenständliche Arbeit – zum immer gewaltigern Leib des andren Moments, der subjektiven, lebendigen Arbeit wird, sondern daß – und dieß ist wichtig für die Lohnarbeit – die objectiven Bedingungen der Arbeit eine immer colossalere Selbstständigkeit, die sich durch ihren very extent darstellt, gegen die lebendige Arbeit annehmen, und der gesellschaft-liche Reichthum in gewaltigern Portionen als fremde und beherrschende Macht der Arbeit gegenübertritt. 

Der Ton wird gelegt nicht auf das Vergegenständlichtsein, sondern das Entfremdet-, Ent-äussert-, Veräussertsein – das Nicht-dem-Arbeiter-, sondern den personificirten Producti-onsbedingungen, i. e. dem-Capital-Zugehören der ungeheuren
[ver]gegenständlichten Macht, die die gesellschaftliche Arbeit selbst sich als eins ihrer Momente gegenübergestellt hat. Soweit auf dem Standpunkt des Capitals und der Lohnarbeit die Erzeugung dieses gegen- ständlichen Leibes der Thätigkeit im Gegensatz zum unmittelbaren Arbeitsvermögen ge-schieht – dieser Process der Vergegenständlichung in fact als Process der Entäusserung vom Standpunkt der Arbeit aus oder der Aneignung fremder Arbeit vom Standpunkt des Capitals aus erscheint – ist diese Verdrehung und Verkehrung eine wirkliche, keine blos ge-meinte, blos in der Vorstellung der Arbeiter und Capitalisten existirende.

Aber offenbar ist dieser Verkehrungsprocess blos historische Nothwendigkeit, blos Noth-wendigkeit für die Entwicklung der Productivkräfte von einem bestimmten historischen Ausgangspunkt aus, oder Basis aus, aber keineswegs eine absolute Nothwendigkeit der Pro-duction; vielmehr eine verschwindende und das Resultat und der Zweck (immanente) dieses Processes ist diese Basis selbst aufzuheben, wie diese Form des Processes.
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K. Marx, Grundrisse, MEGA II/1.2, S. 698 [MEW 42, S. 721f.]


 
Nota. - Dies war stets die Lieblingsspielwiese der hegelisierenden Marx-Interpretation: Ver-gegenständlichuung, Verdinglichung, Entfremdung; ein scheinbar vertrautes Terrain der bloß-ideologischen Kritik, orientiert am 'Herr-und-Knecht'-Kapitel der Phänomenologie der Geistes, wo ganz im Dunkeln bleibt, was den Knecht bewogen haben mag, sich zu un-terwerfen und den Andern zu seinem Herrn zu machen. Es bleibt nur die mystifizierte Vor-stellung von der Selbstbewegung des Begriffs, um da einen Sinn hineinzufinden.

Doch nicht so bei Marx. Bei ihm produzieren wirkliche Menschen sachliche Gegenstände, und sie tun das unter historisch vorgegebenen Bedingungen - und nur unter diesen Bedin-gungen. Die dialektische Form der Darstellung hat den Sinn, aus dem Strom der Erschei-nungen die tätigen Subjekte hervortreten zu lassen, und nicht, sie im Gegenteil in einen selbsttragenden Prozess zu versenken. 

Und vor allem: Es geht hier nicht um Formbestimmung des (hier: fixen) Kapitals, sondern um seine absolute Größe; seinen "very extent" und seine krasse Disproportion gegen die lebendige Arbeit. 
JE,
10. 8. 15

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