Im Fühlen sind Tätigkeit und Leiden vereinigt. Es ist die Synthesis vor aller Teilung, es ist die Stelle, wo Ich und NichtIch einander 'setzen', die Stelle, wo mir mit mir-selbst zugleich eine Realität 'gesetzt' ist; indem ich das Andre fühle, fühle ich mich.
Aber mehr auch nicht. Von Bewusstsein kann noch in keinem Sinn die Rede sein: Dazu müsste ich mich aus der unmittelbaren sinnlichen Einheit lösen und, indem ich vom An-dern zurücktrete, zu mir selbst Abstand nehmen.
Das geschieht in der Anschauung. Indem ich mich anschauend im Gegenstand versenke, gehe ich mir, nachdem ich mich eben zum erstenmal gefühlt habe, wieder verloren. Im äst-hetischen Zustand, sagt Schiller, sei der Mensch "gleich Null". Aus dieser unverhofften Wie-dervereinigung kann er sich nur lösen, indem er vom Anschauen zum Bestimmen übergeht: des Gegenstands sowohl als seiner selbst. Er geht zur Reflexion in specie über: Im Anschau-en geschah sie erst 'an sich', im Bestimmen wird sie - und er - für ihn.
Wie kommt aber das Ich oder jenes Amorphem, das ihm vorausging, dazu, sich all dem zu unterziehen?
Wir nehmen vorab an: durch Freiheit - was nichts anders heißt, als dass es gewollt haben muss. Was aber zugleich heißt, dass es das ebensowohl unterlassen konnte.
*
'Der Mensch' hat sich eine Welt eingerichtet, die von mannigfaltigen Bestimmten angefüllt ist und in der, nicht zuletzt durch seine nimmermüde Tätigkeit, allezeit neues unbestimmt-Bestimmbares hinzukommt. Um in dieser Welt zu bestehen, wird er mit dem Bestimmen ewig und unendlich fortfahren müssen.
Er wird es aber, wenn er will, unterbrechen können - solange er will und solange die ge-schäftige Welt es ihm erlaubt. Der ästhetische Zustand, das Anschauen um seiner selbst willen, wurde möglich, seit mit dem Bestimmen einmal begonnen wurde.
16. 6. 19
Anlässlich neuer Verhaltensbeobachtungen bei Rabenvögeln kam dieser Tage
wieder die Frage auf, ob nicht auch manche Vögel über eine wie auch
immer rudimentäre Form von Bewusstsein verfügten - indem im Gedächtnis
nicht nur empfangene Reize, sondern auch deren subjektiver
Erlebnisgehalt gespeichert würden. Nicht aber wurde das Erlebnis unter-schieden von einem, an dem es erlebt wurde oder gar von dem, der erlebt hatte; was erst erlauben würde, sie voneinander zu trennen, indem sie in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden. Das wäre Reflexion in specie - und das, was allein sinnvoller Weise Bewusstsein heißen kann.
Ob die erwähnten Versuche so oder anders auszuwerten sind, ist Sache der Verhaltenskun-de und nicht der Philosophie. Die Transzendental-Philosophie liefert allerdings die Kriteri-en, an denen die empirische Forschung ihre Fragen formulieren und ihre Urteile zweckmä-ßig ausrichten sollten. Nicht die empirischen Befunde begründen die Transzendentalphilo-sophie (was sie nicht nötig hat); sondern umgekehrt begründet die Transzendentalphiloso-phie die Wissenschaftlichkeit bloßer Erfahrung. Weshalb Fichte sie Wissenschaftslehre ge-nannt hat.
*
Und
schließlich dies noch: Kant hatte zwischen Anschauung und Sinnlichkeit
noch keinen Unterschied gemacht. Erfahrung setzt das eine so gut wie das
andere voraus. Fichte dage-gen unterscheidet zu Anfang die Anschauung
vom Gefühl und kommt erst viel später zum Begriff.
Bloß
ein kleiner Unterschied? Aber der hats in sich. Stehen Sinnlichkeit und
Begriff so eng bei einander und zudem in einem reflexiven Verhältnis,
so stehen sie zu einander in einem Gegensatz und einer
Wechselbestimmung: Das eine ist genau das, was das andere nicht ist. Es
liegt ein Hiatus zwischen ihnen, die Vorstellung von einem Sprung tritt
auf, und weil... man sich dabei nichts vorstellen kann, schleicht sich
die rhetorische Floskel vom Umschla-gen ein.
Dabei lässt sich tatsächlich nichts denken; es sei denn man denkt sich einen Treiber dazu, der von einem zum andern fortschreitet. Dann stehen sie nicht (logisch) gleichrangig neben einan-der und der eine schlägt so gut in den andern um wie der in ihn; sondern sie werden zu Stu-fen, die (genetisch) nach
einander erstiegen werden müssen, und die eine nicht ohne die vo-rige.
Was an Übergang und Vermittlung je zu leisten ist, tut einer, der es so will: Das
ideelle Moment kommt zwar erst nachträglich zum materiellen hinzu, ist
aber das über jenes und über ihr wechselseitiges Verhältnis Bestimmende;
und so bleibt es auch, wenn der außen-stehende Betrachter in der
Abstraktion 'das Ideelle' als das Dauernde, weil Notwendige vor 'dem
Reellen' als dem zufällig Bedingten denkt.
Es ist zwar ein Schema; aber eines, das zum Modell des Wirklichen taugt - und nicht ein Gepinst, das auf dem Entschluss beruht, nichts verstehen zu wollen.
6. 10. 20
Notabene.
Wenn der Magen brennt oder die Füße frieren - ist dann Leiden mit Tätikeit vereint?
Der Wissenschaftslehre geht es darum, die Ausbildung der Intelligenz zu vernünftigem Handeln nachzuzeichen. Ein Fühlen, das nicht aus der Beschränkung meiner willentlichen Tätigkeit durch den Widerstand eines Nichtich resultiert, liegt nicht in ihrem Gesichtskreis. Es ist zweck los und kommt nicht in Betracht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen