Dienstag, 1. Oktober 2024

Der äußere Gegenstand ist eine Deutung unseres Gefühls.

joshhighland                                              aus  Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

F. Das Ich setzt einen notwendigen Zusammenhang zwischen einem bestimmten Gefühl und einer bestimmten Anschauung; nach welcher Regel verfährt es hiebei? Hierüber kann es keine Regel geben, dieser Zusammenhang gründet sich auf das Ich, das Ich muss so verfahren. Dann [sic] was ist Objekt? 

Zuvörderst, das Objekt ist ein solches, welches ein bestimmtes Gefühl erregt, z. B. grün, rot. Dies Prädikat, das dem Gegenstande beigelegt wird (z. B. es ist rot), wird nicht mehr angeschaut, sondern bloß gefühlt, und die Verknüpfung desselben mit dem Gegenstande geschieht in einem Zustand des Gemüts. 

Ferner kommt dem Objekte zu der Charakter eines Objekts überhaupt; dass angeschaut wird, dass es der idealen Tätigkeit vorschwebt, dies gilt von allen Objekten, sowohl einge-bildeten als reellen. Denn der eigentliche Charakter des Objekts, der Realität, [ist,] dass es gesetzt ist zufolge des Gefühls. Von den übrigen Eigenschaften, sie ihm etwa noch zukom-men können (z. B. Ausdehnung im Raume), [reden wir] in der Zukunft. Dass ein Objekt im Raume ist und in demselben einen Ort einnimmt, dies folgt aus der Anschauung, das Ge-fühl aber ist in uns und wird auf den Gegenstand, der außer uns sein soll, übertragen. Der äußere Gegenstand ist Deutung unseres Gefühls. 
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 105


Nota. - Nicht einen Gegenstand fühle ich, sondern mich. In mir ist ein Gefühl, von mehr weiß ich nicht. Der Reflexion wird es hernach so vorkommen, als habe der Gegenstand seine Eigenschaften durch die Qualität meiner Gefühle mir eingeprägt. Das aber kann ich weder fühlen noch anschauen. Es kann nur umgekehrt sein: dass ich die Qualitäten meiner Gefühle den Merkmalen des Gegenstandes zuschreibe.

Ein Zusammenhang zwischen dem Gefühl und der Anschauung wird selber weder gefühlt noch angeschaut: Er wird vorgestellt; er ist eine spontane Schöpfung des... nein, hier sagen wir besser noch nicht: 'des Ich', sondern vorsichtiger: der Einbildungskraft. Sie 'muss so verfahren'. Wieso muss sie? 'Von Natur' muss sie nicht. Wenn sie meinen Zwecken in der Welt dienen soll, 'muss' sie, denn wie anders käme ich sonst zu der Vorstellung von Ur-sächlichkeit? Wenn ich in der Reihe vernünftiger Wesen mithalten will, muss sie. Dass ich es will, setzt die Wis-senschaftslehre voraus, denn nur von solchen, die es wollen und tun, handelt sie. Sie untersucht nur, wie ein Wissen von den Dingen in uns gelangen kann. Das Nichtwissen und auch bloße Phantasien bedürfen keiner Erklärung.
20. 4. 20
 
Nota II. - 1) das Gefühl aber ist in uns und wird auf den Gegenstand, der außer uns sein soll, übertragen.  2) ...der eigentliche Charakter des Objekts, der Realität, [ist,] dass es gesetzt ist zufolge des Gefühls.
 
Nota III. -  Beachte: Anschauen ist die 'ideale' Tätigkeit. Was angeschaut wird, ist Objekt; dass angeschaut wird, dass es der idealen Tätigkeit vorschwebt, dies gilt von allen Objekten, sowohl eingebildeten als reellen. Wird ein Gedachtes zum Gegenstand der Anschauung = idealen Tätigkeit, dann ging ihm voraus ein Gefühl. Und so kommen wir zum intellektu-ellen Gefühl, das mich so sehr beschäftigt hat. Hat F. es aufgefunden als Erfahrungstatsa-che, oder doch eher postuliert aus systematischen Gründen?
JE
 
 

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