zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Die Freiheit ist, nach
Kant, das Vermögen, einen Zustand (Sein und Bestehen) absolut
anzufangen.
Dies ist eine vortreffliche Nominal-Erklärung. Doch scheint
im allgemeinen die Einsicht dadurch nicht viel gewonnen zu haben; denn
es sind über die Freiheit noch immer beinahe lauter falsche Begriffe im
Umlaufe. Es war nämlich die noch höhere Frage zu beantworten, wie denn
ein Zustand schlechthin angefangen werden könne, oder wie sich das
absolute Anfangen eines Zustandes denken lasse, welches einen
genetischen Begriff der Freiheit gegeben, - diesen Begriff vor unseren
Augen erzeugt hätte.
Dies
ist von uns soeben geleistet worden. Der schlechthin angefangene
Zustand wird nicht schlechthin an nichts angeknüpft; denn das endliche
vernünftige Wesen denkt notwendig nur vermittelnd und anknüpfend so
lange fort, bis er das Denken selbst ergreift. Nur wird er nicht an ein anderes Sein, sondern an das Denken angeknüpft.
Um aber den Begriff so aufzustellen, muss man
freilich den Weg der Wissenschaftslehre gehen und zu gehen vermögen, von
allem Sein als solchem (von der Tatsache) abstrahieren, und von dem,
was höher ist denn alles Sein, von dem Anschauen und Denken (von dem
Handeln der Intelligenz überhaupt) ausgehen. Derselbe Weg, der in der
theoretischen Philosophie allein zum Ziele führt, das Sein (es versteht
sich, für uns) zu erklären, macht /
auch allein eine praktische
Philosophie möglich. Hierdurch wird auch der oben gebrauchte Ausdruck:
das Ich stellt sich selbst selbstständig hin, noch klarer.
Die erste Ansicht unseres Satzes:
das Ich nimmt alles, was es ursprünglich ist (es ist aber ursprünglich
nichts als frei) in die Anschauung, in den Begriff seiner selbst auf,
ist schon vollständig erklärt. Es liegt aber in ihm noch mehr. Alles
nämlich, was es in der Wirklichkeit sein kann, wo der Begriff
Erkenntnisbegriff wird und der Intelligenz nur das Zusehen bleibt, hängt
doch ursprünglich vom Begriffe ab. Was es je werden soll, dazu muss es
sich selbst durch den Begriff machen, und was es je sein wird, dazu wird
es sich durch ihn ge-macht haben. Es ist in jeder Hinsicht sein eigener Grund und setzt auch in praktischer Bedeutung sich selbst schlechthin.
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J. G. Fichte, System der Sittenlehre, SW Bd. IV, S. 37f.
Nota. Das
obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
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