Samstag, 5. Oktober 2024

Schema ist die innere Anschauung der Idee vom Tun.

faszinationmensch                 aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

2) Also der hier zu untersuchende Satz ist der: Ich schaue mein eignes Tun an als etwas, das ich vollziehen kann oder nicht. Mein Tun ist logisches Subjekt für das Prädikat der Freiheit. Es ist also mein Tun qualis talis selbst Objekt der Anschauung im weitesten Sinn des Worts, es erhält den Charakter des Objekts als etwas der idealen Tätigkeit Vorschwebendes.

Wie wird nun mein tun als Objekt der Anschauung vorkommen? Kant nennt ein Tun z. B nach dem Gesetze der Kausalität pp. ganz richtig ein Schema, um zu bezeichnen, dass es nichts Wirkliches, sondern etwas durch ideale Tätigkeit zum Behuf der Anschauung zu Ent-werfendes sein soll.

Schema ist ein bloßes Tun, und zwar mein notwendiges Tun in der Anschauung.

Also unsere Frage ist, welches ist das Schema des Tuns überhaupt, oder wie fällt ein Tun da-durch, dass es Objekt der Anschauung wird, aus? Hier ist das Objekt aus der Anschauung hergeleitet worden, und das Beweisen aus Begriffen hat hier ein Ende.

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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo,
  Hamburg 1982, S. 110




Nota I. - Nur ein jenseits von Raum und Zeit gedachtes Tun ist als ein Schema darzustellen; und dies zum Zweck der Anschauung: In der Wirklichkeit lässt sich immer nur dieses oder jenes Tun anschauen; wenn ich aber Tun-überhaupt anschauen will, muss ich die Bestimm-ungen von Raum und Zeit fortlassen - alles, was eine Wirklichkeit als eine solche erst aus-macht.
29. 11. 16

Nota II. - Ein "Tun qualis talis" ist nach Kant eine 'Vorstellung der Einbildungskraft', alias eine innere Anschauung. Fichte sagt: "etwas der idealen Tätigkeit Vorschwebendes". Sie wird, wiederum nach Kant, schöpferisch und "bringt das Vermögen intellektueller Ideen (die Vernunft) in Bewegung". Was Fichte Schema und 'Anschauung des Tuns-überhaupt' nennt, war bei Kant also dargestelt als eine Art Zwischending von 'intellektueller' und 'äs-thetischer' Idee - nicht die eine und noch nicht die andere, wohl aber die Anregung zu einem Andern. 
JE 17. 4. 20

 

Freitag, 4. Oktober 2024

Nur für den Willen 'gibt es' etwas..

baseball                           aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

B) Dieses als gegeben Erscheinende und in soweit von der Freiheit Unabhängige muss in anderer Rücksicht gesetzt werden als abhängig von ihr. In wiefern es sein kann oder nicht, erscheint es als abhängig, in wiefern es aber überhaupt gesetzt werden muss, als unabhängig; es wird doppelt angesehen. Hier erhalten wir also eine bestimmte Anwendung des oben an-gegebenen allgemeinen Satzes: Alles Bewusstsein geht von einem Übergehen vom Bestimm-baren zum Bestimmten aus.

C) Aber das Bestimmbare und das zu Bestimmende sind synthetisch vereinigt im Bewusst-sein. Ich setze das Bestimmbare nur, in wiefern ich mich übergehend setze, und dies kann ich nur, in wiefern ich es als gegeben setze.

Es ist nicht gegeben, außer in wiefern ich darauf wirke, denn erst im freien Willen wird es mir gegeben, aber ich kann nichts wirken, was ich nicht schon habe.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 109

 
Nota I. - Das ist der Stein des Weisen: Nichts ist gegeben außer einem freien Willen. Es ist der Ursprung aller Dialektik. Wäre ich nicht frei, könnte ich nicht wirken, und nur einem Wirkenden begegnet ein Gegebenes. Doch in wiefern es ihm gegeben ist, ist er nicht frei. 

Dies wiederholt sich als Scheidung von realer und idealer Tätigkeit: Die reale Tätigkeit ist frei, bis sie auf einen Widerstand stößt, der ein Gefühl hervorbringt. Auf dieses Gefühl muss die ideale Tätigkeit reflektieren, insofern ist sie gebunden und unfrei.

26. 11. 16

Nota II. - Semantischer Nachsatz: Nur dem mit freiem Willen begabten Menschen ist etwas gegeben; dem Tier ist alles, was ihm begegnet, wie gegeben, so genommen: Es wird ihm nie zu Etwas, es wird immer nur in concreto gegessen, getrunken oder ausgeschieden; nie bleibt es ihm dies. Kürzer gesagt: Nie wird ihm etwas.
JE, 18. 4. 20

Donnerstag, 3. Oktober 2024

Modell und Darstellungsweise.

                                                                     aus Marxiana

Die Concurrenz überhaupt, dieser wesentliche Locomotor der bürgerlichen Oekonomie, etablirt nicht ihre Gesetze, sondern ist deren Executor. Illimited competition ist darum nicht die Voraussetzung für die Wahrheit der ökonomischen Gesetze, sondern die Folge – die Erscheinungsform, worin sich ihre Nothwendigkeit realisirt. Für die Oekonomen, wie Ricardo thut, voraussetzen, daß illimited competition existirt, ist die volle Realität und Rea-lisirung der bürgerlichen Productionsverhältnisse in ihrer differentia specifica voraussetzen. Die Concurrenz erklärt daher nicht diese Gesetze; sondern sie läßt sie sehn, producirt sie aber nicht.
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K. Marx, Grundrisse, MEGA II/1.2  S. 446 [MEW 42, S. 457]


Nota. - Die hegelschen Redensarten reproduzieren immer wieder den hegelschen Denkstil. 'In Wahrheit' beginnt die bürgerliche Ökonomie damit, dass ein Arbeiter seine Arbeitskraft gegen Kapital austauscht - und das ist 'das Gesetz'. - Nein, sagt ein anderer, 'in Wahrheit' be-ginnt die bürgerliche Ökonomie damit, dass zwei Warenverkäufer konkurrieren; natürlich gibt "der Locomotor" den Takt vor!

Unrecht haben sie beide: Im fertigen Modell der bürgerlichen Gesellschaft gibt es gar kein Zuerst und Danach: Da ist alles Prozess, ist alles systemischer Strom, da geschieht alles auf einmal und gleichzeitig; da gibt es nichts zu unterscheiden zwischen den 'Gesetzen' und ih-rer 'Erscheinung'. Es ist lediglich die Darstellung des Modells, in der Vorher und Nachher vorkommen: weil die diskursive Denkweise nunmal nicht anders kann.

In der historischen Betrachtung gibt es allerdings zuerst ein bisschen Konkurrenz und da-nach ein bisschen mehr. Und es ist die langsam um sich greifende Konkurrenz, die die Grundherren in die Geldwirtschaft verwickelt und dazu veranlasst, die Bauern von ihrem Boden zu vertreiben. Die "ursprüngliche Akkumulation" ist der Grund oder das Gesetz  der bürgerlichen Ökonomie.
JE, 28. 10. 16




Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.  JE

Mittwoch, 2. Oktober 2024

Über die drei Bände des 'Kapital'.

photoextrakt                                                     aus Marxiana 

Im ersten Buch wurden die Erscheinungen untersucht, die der kapitalistische Produktions-proceß, für sich genommen, darbietet, als unmittelbarer Produktionsproceß, bei dem noch von allen sekundären Einwirkungen ihm fremder Umstände abgesehn wurde. 

Aber dieser unmittelbare Produktionsproceß erschöpft nicht den Lebenslauf des Kapitals. Er wird in der wirk-lichen Welt ergänzt durch den Cirkulationsproceß, und dieser bildete den Gegenstand der Untersuchungen des zweiten Buchs. Hier zeigte sich, namentlich im dritten Abschnitt, bei Betrachtung des Cirkulationsprocesses als der Vermittlung des gesell-schaftlichen Reproduktionsprocesses, daß der kapitalistische Produktionsproceß, im Gan-zen betrachtet, Einheit von Produktions- und Cirkulationsproceß ist. 

Worum es sich in diesem dritten Buch handelt, kann nicht sein, allge/meine Reflexionen über diese Einheit anzustellen. Es gilt vielmehr, die konkreten Formen aufzufinden und darzustellen, welche aus dem Bewegungsproceß des Kapitals, als Ganzes betrachtet, her-vorwachsen. In ihrer wirklichen Bewegung treten sich die Kapitale in solchen konkreten Formen gegenüber, für die die Gestalt des Kapitals im unmittelbaren Productionsproceß, wie seine Gestalt im Cirkulationsproceß, nur als besondere Momente erscheinen. 

Die Gestaltungen des Kapitals, wie wir sie in diesem Buch entwickeln, nähern sich also schrittweis der Form, worin sie auf der Oberfläche der Gesellschaft, in der Aktion der verschiedenen Kapitale auf einander, der Kon-kurrenz, und im gewöhnlichen Bewußtsein der Produktionsagenten selbst auftreten. 
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K. Marx, Das Kapital III, MEGA II.15; S. 29f. [MEW 25, S. 33] 



Nota I. - So im Dritten Band. Den hat M. nicht selbst vollendet und für die Veröffent-lichung redigiert. Tatsächlich entstammt er einem früheren Bearbeitungsstadium als der einzige von M. fertiggestellte Erste Band. Wer weiß, wie M.s endgültige Fassung ausgesehen haben würde! Doch auf jeden Fall zeigt die obige Stelle, wie Marx es gemeint hat. Der 'un-mittelbare Produktionsprozess' ist unmittelbar nur im Begriff. Tatsächlich stellt er den höch-sten Abstraktionsgrad dar, zu dem die Kritik der Politischen Ökonomie aufsteigt. Die Bän-de II und III steigen wieder abwärts zu den tatsächlichen Vorgängen herab, wie sie dem Be-obachter erscheinen; als zweite Stufe der Darstellung die erste Stufe der Abstraktion: die bürgerliche Wirtschaftsweise als Austausch und Konkurrenz; erste Abstraktion nämlich vom Gesamtprozess, wie er vor unsern Augen liegt.

Alle hegelianisierende Versuche der sechziger und siebziger Jahre, den 'Kapitalbegriff' von den Grundrissen und vom Ersten Band her zu verstehen, konnten logischer (!) Weise nur zu mehr oder minder mystifierter Begriffshuberei führen. Marxens wahres 'dialektisches' Verfahren muss ganz anders rekonstruiert werden.
20. 4. 20  
 
Nota II. - Reflexion und Abstraktion sind Vor- und Rückseite desselben Vorgehens.
JE 
 
 



Dienstag, 1. Oktober 2024

Der äußere Gegenstand ist eine Deutung unseres Gefühls.

joshhighland                                              aus  Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

F. Das Ich setzt einen notwendigen Zusammenhang zwischen einem bestimmten Gefühl und einer bestimmten Anschauung; nach welcher Regel verfährt es hiebei? Hierüber kann es keine Regel geben, dieser Zusammenhang gründet sich auf das Ich, das Ich muss so verfahren. Dann [sic] was ist Objekt? 

Zuvörderst, das Objekt ist ein solches, welches ein bestimmtes Gefühl erregt, z. B. grün, rot. Dies Prädikat, das dem Gegenstande beigelegt wird (z. B. es ist rot), wird nicht mehr angeschaut, sondern bloß gefühlt, und die Verknüpfung desselben mit dem Gegenstande geschieht in einem Zustand des Gemüts. 

Ferner kommt dem Objekte zu der Charakter eines Objekts überhaupt; dass angeschaut wird, dass es der idealen Tätigkeit vorschwebt, dies gilt von allen Objekten, sowohl einge-bildeten als reellen. Denn der eigentliche Charakter des Objekts, der Realität, [ist,] dass es gesetzt ist zufolge des Gefühls. Von den übrigen Eigenschaften, sie ihm etwa noch zukom-men können (z. B. Ausdehnung im Raume), [reden wir] in der Zukunft. Dass ein Objekt im Raume ist und in demselben einen Ort einnimmt, dies folgt aus der Anschauung, das Ge-fühl aber ist in uns und wird auf den Gegenstand, der außer uns sein soll, übertragen. Der äußere Gegenstand ist Deutung unseres Gefühls. 
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 105


Nota. - Nicht einen Gegenstand fühle ich, sondern mich. In mir ist ein Gefühl, von mehr weiß ich nicht. Der Reflexion wird es hernach so vorkommen, als habe der Gegenstand seine Eigenschaften durch die Qualität meiner Gefühle mir eingeprägt. Das aber kann ich weder fühlen noch anschauen. Es kann nur umgekehrt sein: dass ich die Qualitäten meiner Gefühle den Merkmalen des Gegenstandes zuschreibe.

Ein Zusammenhang zwischen dem Gefühl und der Anschauung wird selber weder gefühlt noch angeschaut: Er wird vorgestellt; er ist eine spontane Schöpfung des... nein, hier sagen wir besser noch nicht: 'des Ich', sondern vorsichtiger: der Einbildungskraft. Sie 'muss so verfahren'. Wieso muss sie? 'Von Natur' muss sie nicht. Wenn sie meinen Zwecken in der Welt dienen soll, 'muss' sie, denn wie anders käme ich sonst zu der Vorstellung von Ur-sächlichkeit? Wenn ich in der Reihe vernünftiger Wesen mithalten will, muss sie. Dass ich es will, setzt die Wis-senschaftslehre voraus, denn nur von solchen, die es wollen und tun, handelt sie. Sie untersucht nur, wie ein Wissen von den Dingen in uns gelangen kann. Das Nichtwissen und auch bloße Phantasien bedürfen keiner Erklärung.
20. 4. 20
 
Nota II. - 1) das Gefühl aber ist in uns und wird auf den Gegenstand, der außer uns sein soll, übertragen.  2) ...der eigentliche Charakter des Objekts, der Realität, [ist,] dass es gesetzt ist zufolge des Gefühls.
 
Nota III. -  Beachte: Anschauen ist die 'ideale' Tätigkeit. Was angeschaut wird, ist Objekt; dass angeschaut wird, dass es der idealen Tätigkeit vorschwebt, dies gilt von allen Objekten, sowohl eingebildeten als reellen. Wird ein Gedachtes zum Gegenstand der Anschauung = idealen Tätigkeit, dann ging ihm voraus ein Gefühl. Und so kommen wir zum intellektu-ellen Gefühl, das mich so sehr beschäftigt hat. Hat F. es aufgefunden als Erfahrungstatsa-che, oder doch eher postuliert aus systematischen Gründen?
JE
 
 

Schema ist die innere Anschauung der Idee vom Tun.

faszinationmensch                 aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik 2) Also der hier zu untersuchende Satz ...