
B) Umgekehrt keine ideale Tätigkeit des Ich ohne reale. Eine ideale
Tätigkeit ist eine durch das Ich gesetzte, die wieder Objekt der Reflexion
geworden ist und wieder durch ideale Tä-tigkeit vorgestellt wird. Sonst wäre das
Ich wie ein Spiegel, der wohl vorstellt, aber sich selbst nicht wieder
vorstellt. –
Dies wieder-Objekt-Sein der idealen Tätigkeit ist mit dem Ich
postuliert. Aber dies Objekt-machen geschieht durch reale Tätigkeit. Ist letztere
nicht, so ist kein Selbstanschauen der idealen Tätigkeit möglich. Die ideale
Tätigkeit hätte nichts ohne die reale [Tätigkeit], und sie wäre nichts, wenn ihr nicht
durch reale etwas hingestellt würde.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 48
Nota. -Real und ideal sind nicht zwei verschiedene Zustände oder Modi, in denen das Ich 'in Erscheinung tritt' (=angeschaut werden kann), oder ergonomisch und materiell unter-scheidbare Tätigkeiten; sondern bezeichnen immer nur verschiedene Gesichtspunkte, unter denen auf ein Tun in der sinnlichen Welt reflektiert werden kann - die Tätigkeit bleibt dabei dieselbe.
Nämlich immer ist in der Wissenschaftslehre von Tätigkeit die Rede, insofern sie Vorstel-lung ist, und das ist jede Tätigkeit - nicht nur, aber jede immer auch. Denn nur als Vorstel-lung tragen sie zur Ausbildung des Bewussteins bei, welches letzten Endes das Ich aus-macht. Einerseits schaut das ipso facto als solches sich 'setzende' Ich den Gegenstand an, den es als Verursacher seines Gefühls identifiziert; und andererseits hält es in der Vorstellung die Begegnung mit dem Gegenstand als ein Bild fest - und beginnt dieses tuend sogleich, das Bild durch Bestimmungen von Anderm zu unterscheiden. Im Bild ist gebannt, was in der Anschauung ursprünglich noch als Handlung erschien, das Bild ist der Keim des Be-griffs.
In unserm alltäglichen Bewusstsein kommen in aller Regel schon mehr oder minder bestimm-te Begriffe vor und nicht erst vorgestellte Bilder. So wie hier: Gefühl, Anschauung, Vorstel-lung, Bild und... Begriff. Jedes als in sich abgeschlossene Einheit. So aber nur in der nach-träglichen Betrachtung, hinterher, nach einander; im Vollzug, während des Geschehens, gibt es aber nur Übergänge.
Was
spätere Pedanten als "Dialektik" bezeichnen sollten, erklärt uns Fichte
aus der Doppel-heit von Vorstellung und Begriff, von 'realer' und
'idealer' Tätigkeit: Das reflektierende Be-wusstsein kann jederzeit aus
der einen in die andere wechseln - und das nur zufällig und
unvollständig reflektierende Alltagsbewusstsein müsste ständig auf der
Hut sein, nicht aus Versehen hin und her zu schwanken - wodurch es für den Alltag aber nicht mehr taugen würde. Hier bewährt sich die ominöse Dialektik dann als "Katharktikon des gemeinen Verstands", wie Kant* sie nennt.
*) Logik, WW VI, Ffm. 1977, S. 439
JE, 13. 4. 22
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