Samstag, 14. September 2024

System und Totalität.

startblock-f                                                                    aus Marxiana 

Es ist zu bedenken, daß die neuen Productivkräfte und Productionsverhältnisse sich nicht aus Nichts entwickeln, noch aus der Luft, noch aus dem Schooß der sich selbst setzenden Idee; sondern innerhalb und gegensätzlich gegen vorhandne Entwicklung der Production und überlieferte, traditionelle Eigenthumsverhältnisse. 

Wenn im vollendeten bürgerlichen System, jedes ökonomische Verhältniß das andre in der bürgerlich-ökonomischen Form voraussezt und so jedes Gesezte zugleich Voraussetzung ist, so ist das mit jedem organischen System der Fall. Dieß organische System selbst als To-talität hat seine Voraussetzungen und seine Entwicklung zur Totalität besteht eben
[darin], alle Elemente der Gesellschaft sich unterzuordnen, oder die ihm noch fehlenden Organe aus ihr heraus zu schaffen. Es wird so historisch zur Totalität. Das Werden zu dieser Totalität bil-det ein Moment seines Prozesses, seiner Entwicklung. – 

Andrerseits, wenn innerhalb einer Gesellschaft die modernen Productionsverhältnisse, d. h. das Capital zu seiner Totalität entwickelt ist, und diese Gesellschaft sich nun eines neuen / Terrains bemächtigt, wie z. B. in den Colonieen, so findet sie, namentlich ihr Repräsentant, der Capitalist, daß sein Capital aufhört Capital zu sein ohne Lohnarbeit und daß eine der Voraussetzungen hiervon
nicht nur Grundeigenthum überhaupt, sondern modernes Grund-eigenthum ist; Grundeigenthum, das als capitalisirte Rente theuer ist, und als solches die un-mittelbare Benutzung der Erde durch die Individuen ausschließt. ____________________________________________________
K. Marx, Grundrisse, MEGA II/1.1, S. 201f. [MEW 42, S. 203f.]


Nota. - Wir sind hier noch in Heft II des Ms.; noch ist Marx weit entfernt von der Einsicht in die "
ursprüngliche Akkumulation des Kapitals", die in Wahrheit nur die Enteignung des werktätigen Landvolks von seinem Grund und Boden war. Noch meint er auch, mit einer - womöglichen kritischen - Vollendung des Klassischen Systems der Politische Ökonomie be-fasst zu sein, statt mit seiner Sprengung

System - das ist das Schlüsselwort. Die Klassische Politische Ökonomie gerierte sich als ein (theoretisches) 'System', weil sie behauptete, das treue gedankliche Abbild eines realen Sy-stems zu sein: der auf dem Wertgesetz beruhenden bürgerlichen Gesellschaft. 

Das ist die Grundmystifikation: Lässt sich die bürgerliche Gesellschaft theoretisch darstel-len als eine um den Äquivalententausch kreisende Totalität, dann erscheint sie nicht nur lo-gisch begründet, sondern auch politisch-moralisch gerechtfertigt. Denn dies war das Ziel der Politischen Ökonomen seit den Physiokraten: die bürgerliche Gesellschaft darzustellen als die endlich gefundene 'organische' Form der Arbeitsteilung, der das menschliche Zusam-menleben "von Natur aus" zustrebt, wenn es nur einmal von seinen feudalen und klerikalen Schlacken befreit sein würde. Der
- buchstäblich - springende Punkt ist aber gerade das "Wer-den zu dieser Totalität", das Marx (im sog. Formenkapitel) schließlich wird darstellen müs-sen. 
JE, 4. 9. 15

 

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