Dienstag, 24. September 2024

Der Hauptgedanke: Alles Bewusstsein ist nur Selbstbewusstsein.

Dalí                        aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Zweite Haupthälfte dieses Paragraphen

Wir stehen bei der Darstellung des Hauptgedankens: Alles Bewusstsein ist nur Selbstbe-wusstsein. Dazu ist genetisch nachzuweisen, dass und wie aus dem Bewusstsein unserer selbst alles Bewusstsein auf dem gewöhnlichen Gesichtspunkte fließe. Wir / haben vorgear-beitet: Das Ich wird gedacht dadurch, dass Sein und Denken als absolut identisch gedacht oder vereinigt werden (Idealität und Realität sind eins); nicht ein Sein und Denken des Ich werden als eins gedacht, sondern durch die Vereinigung des Seins mit dem Denken kommt das Ich selbst zustande. Denn das Ich ist ja noch nicht vorausgesetzt, sondern wir wollen erst seiner Entstehung zusehen. Dieses ganze Bewusstsein und Ich, dieses beides sind ganz dasselbe, nur angesehen von zwei Seiten; im gemeinen Bewusstsein ist es Ich, in der trans-zendentalen Philosophie [ist es] Identität des Seins und des Denkens.

"Diese Synthesis nun ist das Bewusstsein", dies wollen wir beweisen. Dafür ist schon fol-gendes geschehen: Jenes Synthetisieren des Seins und Denkens ist zugleich ein Analysieren, und dadurch wird das Synthetisieren erst möglich. Das mannigfaltige Sein und Denken und die Vereinigung wird in einem und demselben Akte gesetzt. Sehen wir nur auf die Analyse, so bekommen wir gleichsam zwei Reihen; jedes einzelne ist ein Ich auch nur, in wiefern es gedacht wird - und nicht angesehen wird als gedacht und erzeugt in demselben Momente, sondern diskret in einer Zeitreihe. Dieses zerstreute Denken ist in der höchsten Synthese eins. Mein unmittelbares Denken ist nicht in der Zeit, sondern dadurch wird mein vermit-teltes Denken in die Zeit heineingesetzt.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 192f.
 



Nota I. - "...wird in einem und demselben Akt gesetzt", und sobald auf diesen Akt reflek-tiert wird, muss es so erscheinen, als sei sowohl die Zweiheit als auch die Einheit, jede für sich, zuvor bereits 'dagewesen'. Die Sprache schiebt dem Denken stets, wenn es sich auch eben erst davon freigemacht hat, die Vorstellung von einem An-sich wieder unter. Die lo-gische Darstellung durch reine Zeichen kanonisiert das dogmatische Denken. 

Die genetische Darstellung, die die einzelnen Bestimmungen in ihrer Entstehung sichtbar machen will, muss sich notdürftig damit behelfen, dass sie alles, was sie sagt, in der nächsten Zeile wieder zurücknimmt, einschränkt oder umkehrt. Ja ja, nein nein kann ihre Rede nicht sein. Dass die genetische Darstellung verwirrend ('dialektisch') ist, liegt an ihrer Absicht und lässt sich nicht ändern

28. 2. 17
 

Nota II. - Indem ich etwas 'setze' und als dieses 'bestimme', fülle ich nicht die Welt, sondern mein Bewusstsein, denn nur dort gibt es eine 'Welt'. Indem mein Wissen auf die Welt 'geht', geht es auf seinen eigenen Gehalt. Beide sind dasselbe.

Dass dies der Hauptgedanke der Wissenschaftlehre sei, gilt nur in einem gewissen Sinne, aber in dem gilt es absolut.
JE,  10. 9. 21

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Bestimmt, unbestimmt, bestimmbar; setzen, abstrahieren.

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