Sonntag, 22. September 2024

Die ursprüngliche Duplizität des Geistes.

                            
Anmerkung B                                                                   aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkriti
 
Das Ich ist nichts aus einem Mannigfaltigen der Vorstellung Zusammengestoppeltes - aber doch von einer Seite ist es wahr. Der Fehler dieser Behauptung liegt lediglich in der Einsei-tigkeit. Denn das ideale und reale Denken wird im synthetischen Denken vereinigt, also muss es doch ein solches verschiedenes Denken geben (darauf stützt sich jene Behaup-tung); aber beides ist einerlei Denken. 

Dieser scheinbare Widerspruch führt uns auf ein wichtiges Resultat: Beides, das verschiede-ne und
[das] vereinigende Denken, sind selbst eins und unzertrennlich, das verschiedene wird durchs synthetische nicht bloß vereinigt, sondern erst getrennt, ohne vereinigt werden zu können. Aber wie soll es getrennt sein? Zweierlei Denken an sich kanns nicht geben! In der Vereinigung wird es getrennt und durch die Trennung vereinigt, beides ist nicht zu trennen.

Es ist in mir ein erstes ursprüngliches Bewusstsein - A, dieses wird infolge der Duplizität des Geistes doppelt
/ angesehen - B + C, aber C wird selbst wieder doppelt angesehen. A wäre die Masse des Denkens, die Synthesis (denn die Wissenschaftslehre stellt immer laute-re Massen auf, in jedem Moment ist ein Mannigfaltiges) B soll sein das Denken meines Den-kens; C soll sein das, dessen ich mir bewusst bin. Beide sind A; die Teilung kommt bloß von der ursprünglichen Duplizität, der Subjektobjektivität. 

C erscheint selbst doppelt als ideales Denken eines Zwecks, reales Denken eines Objekts - X + Y. B ist in Beziehung auf C trennend, vereinigend beides - A ist in Beziehung auf B und C auch trennend und vereinigend.  Wir haben also eine ganze  Masse von Mannigfalti-gem. Deswegen haben wir dieses Denken synthetisch genannt, das Ich wird zwischen bei-de hineingesetzt als vereinigend. Allein dieses Denken muss sie erst verschieden darstellen, und also auch analytisch sein. Die Analyse geschieht durch den Denkakt, der hypothetisch notwendig ist, selber aber auf der Freiheit beruht.
__________________________________________________________ 
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg
1982, S. 184f.   


Nota. - 'Dialektisch' muss das kritische Denken verfahren wegen der "ursprünglichen Du-plizität": Ich kann mich als Subjekt nicht setzen, ohne mich zugleich als Objekt zu setzen (oder umgekehrt). Auf alles, was ich 'an sich' tue, muss ich zugleich reflektieren, weil es an-ders für mich
nicht werden kann. - Das ist inzwischen eine Trivialität, aber die Wissenschafts-lehre ist in gewisser Weise nichts anderes als eine endlose Variation zu diesem Thema: Wer synthetisieren will, muss zuvor analysieren. Die verwirrende Schwierigkeit der WL entsteht aus dem unablässigen Wechsel zwischen beiden Perspektiven. (Manchmal verheddert sich F. anscheinend selber und stellt die Sache umständlicher dar als nötig.)
JE,
18. 2. 17





Nota Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Bestimmt, unbestimmt, bestimmbar; setzen, abstrahieren.

                       aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik   Im vorigen Paragraphen war es uns um die Erkenntn...