Anmerkung A. aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Dies ist die charakteristische Auszeichnung der Wissenschaftslehre: Ich denke nur mein Denken in die Zeit /
hinein; nur dadurch, dass mein Denken Gegenstand des Bewusstseins wird,
fällt es mir in die Zeit. Dies wird bei Kant vernachlässigt, da der
Begriff der Ichheit vernachlässigt wurde. Das Denken hat die Zeit schon
bei sich; wer also vom bloßen Den-ken redet, der kann gar nicht darauf
kommen, die Zeit abzuleiten; in die Zeit fällt aber nicht das Ich,* und
wenn man weiß, dass dem Denken Bewusstsein beiwohnt, kann man darauf
kommen, die Zeit abzuleitem.
Die Wissenschaftslehre
ist nicht etwa selbst Erzeugerin einer Erkenntnis, sie ist bloß
Beob-achterin des menschlichen Geistes im ursprünglichen Erzeugen aller
Erkenntnis, aber das Kantische System geht in der Beobachtung nicht zu
Ende wie die Wissenschaftslehre. Der gemeine Verstand tut aber und
beobachtet nur das Produkt seines Tuns; merkt aber nicht, dass er beim
Tun die Zeit u.s.w. erzeugt. Die Wissenschaftslehre gibt aufs Tun selbst
Acht, welches [die]
erwähnte Synthesis ist, und sie muss diese Synthesis unabhängig von der
Ana-lyse aufstellen; nur so entsteht eine genetische Einsicht in den
Ursprung unserer Vorstellun-gen.
Zeit ist nur ein Verhältnis, in welches wir unsere Vorstellungen zu
setzen genötigt sind. Das Gesetz dazu sehen wir entstehen, mit ihm die
Zeit, aus diesem Verhältnisse in der Zeit ent-steht alles Übrige. Dieses
ist der Hauptpunkt der transzendentalen Philosophie.
Anmerkung B.
Demnach
- wie das Ich sich denkt in dem beschriebenen Denken, so denkt es sein
ganzes Bewusstsein, seine ganze Erfahrung mit, also das Intelligible
oder Apriori im Kantischen Sinn des Worts und Aposteriori, beides sind
ganz dasselbe, bloß angesehen von verschiede-nen Seiten.
_________________________________________________________
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 191f.
Nota. -
Das synthetische Denken, von dem im letzten Paragraphen gelegentlich
verwirrend die Rede war, ist das Denken der Wissenschaftslehre. Wenn der
gewöhnliche Verstand den-kend handelt, achtet er nur auf die Produkte
seines Handelns, und das sind gewöhnlich Be-griffe - darunter die Zeit, durch die sie zu einander im Verhältnis (der Sukzession) stehen.
Die Wissenschaftslehre sieht aber nicht nur dem Auftreten der Begriffe
zu, sondern zu-gleich der Tätigkeit des Begreifens; und zwar beiden
zugleich, denn trennen lassen sie sich erst wieder in der Reflexion. (Auch das gewöhnliche Denken reflektiert, aber es hat hier nichts zu trennen.)
Dieses Verfahren, das nicht darstellt, wie die Begriffe auseinander hervorgehen, sondern wie das Ich Vorstellungen hervorbringt, die es in Begriffen fasst und fungibel macht, heißt das genetische.
*) Noch immer ist die Rede nicht vom empirischen Subjekt, sondern vom Ich als Noume-non und seinem 'Bewusstsein überhaupt'.
JE, 11. 9. 21
Nota Das
obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
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Montag, 23. September 2024
Eine genetische Einsicht in den Ursprung unserer Vorstellungen.
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