Luca Giordano, Apoll häutet Marsyas zu Marxiana
Wie also wird der regulirende
Preis des Arbeitslohns bestimmt, der Preis um den seine Marktpreise
oscilliren?
Wir wollen sagen durch
Nachfrage und Zufuhr von Arbeitskraft. Aber
von welcher Nach-frage der Arbeitskraft handelt es sich? Von der
Nachfrage des Kapitals. Die Nachfrage nach Arbeit ist also gleich der
Zufuhr
von Kapital. Um von Zufuhr von Kapital zu sprechen, müssen wir vor
allem wissen, was Kapital ist.
Woraus besteht das
Kapital? Nehmen wir
seine einfachste Erscheinung: Aus Geld und Waaren. Aber Geld ist bloß
eine Form der Waare. Also aus Waaren. Aber der Werth der Waaren ist nach
der Voraussetzung in erster Instanz bestimmt durch den Preis
der sie producirenden Arbeit, den Arbeitslohn. Der Arbeitslohn wird hier
vorausgesetzt und behandelt als konstituirendes Element des Preises der
Waaren.
Dieser Preis soll nun
bestimmt werden, durch das Verhältniß der
angebotnen Arbeit zum Kapital. Der Preis des Kapitals selbst ist gleich
dem Preis der Waaren, woraus es besteht. Die Nachfrage des Kapitals
nach Arbeit ist gleich der Zufuhr des Kapitals. Und die Zufuhr des
Kapitals ist gleich der Zufuhr einer Waarensumme von gegebnem Preis, und
dieser Preis ist in erster Instanz regulirt durch den Preis der Arbeit,
und
der Preis der Arbeit ist seinerseits wieder gleich dem Theil des
Waarenpreises, woraus das variable Kapital besteht, das an den Arbeiter
im
Austausch für seine Arbeit abgetreten wird; und der Preis der Waa-ren,
woraus dies variable Kapital besteht, ist selbst wieder in erster Reihe
bestimmt durch den Preis der Arbeit; denn er ist bestimmt durch die
Preise von Arbeitslohn, Profit und Rente. Um den Arbeitslohn zu
bestimmen, können wir also nicht das Kapital voraussetzen, da der Werth
des Kapitals selbst durch den Arbeitslohn mit bestimmt ist. /
Außerdem nützt uns das Hereinbringen der Konkurrenz nichts. Die
Konkurrenz macht die Marktpreise der Arbeit steigen oder fallen. Aber
gesetzt, Nachfrage und Zufuhr von Arbeit decken sich. Wodurch wird
dann der Arbeitslohn bestimmt? Durch die Konkurrenz. Aber es ist eben
vorausgesetzt, daß die Konkurrenz aufhört zu bestimmen, daß sie durch
das Gleichgewicht ihrer beiden entgegenstrebenden Kräfte ihre Wirkung
aufhebt. Wir wollen ja gerade den natürlichen Preis des Arbeitslohns
finden, d. h. den Preis der Arbeit, der nicht von der Konkurrenz regulirt
wird, sondern sie umgekehrt regulirt.
Es bleibt nichts übrig
als den nothwendigen Preis der Arbeit durch die
nothwendigen Le-bensmittel des Arbeiters zu bestimmen. Aber diese
Lebensmittel sind Waaren, die einen Preis haben. Der Preis der Arbeit
ist
also durch den Preis der nothwendigen Lebensmittel bestimmt, und der
Preis der Lebensmittel ist, wie der aller andern Waaren, in erster Linie
durch den Preis der Arbeit bestimmt. Also ist der durch den Preis der
Lebensmittel be-stimmte Preis der Arbeit durch den Preis der Arbeit
bestimmt. Der Preis der Arbeit ist durch sich selbst bestimmt. In andren
Worten, wir wissen nicht, wodurch der Preis der Arbeit bestimmt ist.
Die
Arbeit hat hier überhaupt einen Preis, weil sie als Waare betrachtet
wird. Um also von dem Preis der Arbeit zu sprechen, müssen wir wissen,
was Preis überhaupt ist. Aber was Preis überhaupt ist, erfahren wir auf
diesem Wege erst recht nicht.
_________________________________________________________
K. Marx, Das Kapital III, MEGA II/15, S. 836f. [MEW 25, S. 871f.]
Nota. - Apagogisch
nennt man eine Beweisführung durch Negation des bestimmten Ge-gensatzes.
Hier führt Marx die Erklärung des Preises der Arbeit durch den Preis
der Le-bensmittel des Arbeiters ad absurdum. Es muss in der Umkehrung
folgen das Auffinden des bestimmten Gegensatzes zu dieser Erklärung.
Es wird nicht sein: eine andere Bestimmung des Preises, sondern: die Auffindung dessen, wovon die Lebensmittel des Arbeiters wirklich der Preis sind;
nämlich nicht der Arbeit, sondern des Arbeitsvermögens. Eine positive
Demonstration hätte man ihm glauben kön-nen oder nicht. Doch indem jene Bestimmung widerlegt wurde, die der Dreh- und Angel-punkt der
Politischen Ökonomie gewesen ist, würden mindestens die Ökonomen ihm glauben müssen (sofern sie immerhin bereit wären, sein Buch zu lesen).
JE, 22. 6. 20
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