Mittwoch, 14. August 2024

Wie der Gebrauchswert in die Formbestimmung eingreift.

                                                            aus Marxiana                                                  
Der Punkt, wo das Eingreifen des Gebrauchswerts in die Wertbestimmung in die Form-seite, am augenfälligsten, recte: am sinn fälligsten ist, ist schließlich ganz am Anfang des Prozesses der Wertschöpfung: denn es ist ja der Gebrauchswert, der je spezifische histo-risch gegebne Gebrauchswert der Arbeitskraft, nämlich die je bestimmte Produktivität der Arbeit, welche den Wert - den Tauschwert einer Ware - im Vergleich zu den anderen Wa-ren...

Nein, falsch; der je besondre Gebrauchswert der Arbeitskraft, die dieses je besondre Kapital verbraucht, d. h. zu effektiver Arbeit (energeia) aktualisiert, bestimmt nicht über den Wert der Ware - denn dieser drückt nur das Prorata des einzelnen Produkts an dem gesellschaft-lichen Gesamtarbeitstag aus -, sondern bestimmt die Höhe des Profits, den das Kapital an der einzelnen Ware macht; bestimmt die individuelle Profitrate dieses besondern Kapitals - nämlich indem sie den spezifischen Unterschied der individuellen zur allgemeinen, "durch-schnittlichen" Profirate ausmacht, und darauf, allein darauf kommt es dem Kapital an: allein auf seinen (Extra-) Profit, nicht auf die Wertproduktion an sich.

Also im Allgemeinen, d. h. für die reflektierende Abstraktion, ist es so, dass "der Wert" - nämlich der je geschaffene Neuwert, und um den allein geht es hier - "geschöpft" wird aus dem Unterschied zwischen Gebrauchs- und Tauschwert der Arbeitskraft, weil ihr Gebrauchs-wert eben die Arbeit selbst ist.

Der Wert drückt aus den Anteil, den das individuelle Produkt an der gesellschaftlichen Ge-samtarbeitszeit "hat"; oder richtiger: den Anteil, auf den er "zu Recht" Anspruch erheben kann: nicht der Anteil an der Gesamtarbeitszeit, der in ihm tatsächlich verausgabt, sondern derjenige Anteil, der in ihm "vergegenständlicht" ist: nämlich als in ihm vergegenständlich gilt; und ob er "gilt", ist immer eine Frage der 'Anerkennung': allgemeiner Anerkennung...

Zuerst einmal: ob er überhaupt "gilt": nämlich ob die in ihm 'dargestellte', her gestellte Nützlichkeit in der Gesellschaft ein ihm geltendes Bedürfnis vorfindet, und das wird unter kapitalistischen Bedingungen immer erst ex post entschieden: Um sich als Gebrauchs wert bewähren zu können, muss das Produkt zuerst seinen Tausch-wert "realisieren".

Und dann: welcher Anteil ihm "zugerechnet" wird: als welcher Anteil er "gilt"; und es gilt nicht diejenige Zeit, die tatsächlich auf seine Herstellung verwendet wurde, sondern es "gilt" jene Zeit, die irgend ein  anderer im Durchschnitt aufwenden müsste, um denselben Gegen-stand hic et nunc zu re produzieren. Vorausgesetzt ist also immer die durchschnittliche Pro-duktivität der Arbeit zur gegebnen Zeit, am gegebnen Ort des (beabsichtigten) Austausch-akts. Also das, was hier aktual gilt als "allgemeiner" Parameter, ist de facto lediglich ein em-irisch festgestellter, "geschätzer" Durchschnitt: Der durchschnittliche Gebrauchs wert der Arbeitskraft ist der Maßstab, nach dem der Anteil des Produkts an der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit bewertet wird; ist also das Maß ihrer "Wertigkeit", aber nicht diese selbst: Diese Wertigkeit selbst, also die Substanz des Werts, ist das Verhältnis der Gebrauchswerte - besondre Nützlichkeiten alias das Bedürfnis danach - zur gesellschaftliche verfügbaren Ge-samt(arbeits)zeit: das Verhältnis - pro rata -, in dem die Gesamtzeit auf die Bedürfnisse ver-teilt wird...

Es soll also "Zeit" auf "Nützlichkeit" verteilt weden: Das ist so, als sollten Kartoffeln nach ihrer Seelengröße unterschieden werden. "Zeit" und "Nützlichkeit" sind an sich selber in-kommensurabel. Es ist schlechterdings unmöglich, das eine durch - theoretische - Analyse aus dem andern herauszulesen: das ein immanent im andern darzustellen. Aber wenn es keine Analyse sein kann, dann muss es ein Akt des Setzens, eine Thesis, und muss insofern das Eine zu dem Andern ins Verhältnis gesetzt werden, muss es eine Synthesis sein, eine "ur-sprüngliche", die 'nur aus Freiheit möglich' ist; ein Ur teil, praktisches Urteil: Wieviel Zeit will - 'soll' - ich auf dieses Bedürfnis, wieviel auf jenes verwenden? (Es ist augenfällig, dass die Frage sinnlos wäre, wenn die verfügbare Zeit nicht knapp ist.) Also ich soll abwä-gen, welches Bedürfnis mir wichtiger ist als das andre, ich soll eine Rangfolge, Hierarchie der Bedürfnisse etablieren. 'Ich': das ist die gegebne gesellschaftliche (All)gemeine.

Unter Bedingungen unmittelbarer Herrschaft von Menschen über andre Menschen - über ihren Willen, über das, was sie in ihrer (Lebens-) Zeit tun - ist das Problem einfach, oder es ist keins: Die Bestimmung der Prioritäten (das Urteil über die Geltung der Besdürfnisse geht der Produktion der Gebrauchsgegenstände voraus, "ex ante")  ist immer "konkret", d h. individuell, und darum an keine (immanente) Regel gebunden, die durch Analyse der Formen erst ans Licht bringen müsste: Hier findet keine "Strukturanalyse" statt, sondern empirische Beschreibung. 

[NB. Es ist nicht die Frage der Rituale, der konventionellen oder sakralen Formen, in denen die Befehle ausgesprochen werden; sondern die Maximen, nach denen ihre Inhalte bestimmt sind: Was da an "Regeln", "ökonomischen Gesetzen" herauszulesen ist, ist nichts anderes als eine empirisch, nämlich beschreibend nachgewiesene Häufigkeit, die Urteilsakte sind einander heteronom, der (beschreibende) Historiker kann die ihnen zugrundeliegenden Mo-tive "verstehend deuten", sodann typologisch klasifizieren und die (ihm bekannten) Phäno-mene, "Fakten", danach mengenmäßig ordnen; aber immer bleibt er hier Idiograph.]

Bei der Hervorbringung der den - um ihre verhältnismäßige Geltung konkurrierenden - Be-dürfnissen entsprechenden nützlichn Gegenstände geht, mit der Zunahme individuellen Geschicks bei den Produzenten - "Qualität", Produktivität der Arbeit - immer mehr Ge-schick in das Produkt selbst ein: als dessen "höhere", größere Nützlichkeit, und das wird wesentlich, indem der produzierte Gegenstand selber Arbeitsmittel wird, Produktionsin-strument. Indem die spezifische Nützlichkeit - Gebrauchswert - der Produkte zunehmend von der "Qualität" - der in ihnen als deren eignes Geschick vergegenständlichten Geschick-lichkeit der Produzenten - der Arbeitsmittel abhängt, erlangt die Herrschaft über das Ar-beitsmittel wachsende Bedeutung gegenüber der unmittelbaren Herrschaft über Menschen: Privateigentum am Arbeitsmittel statt persönlicher Herrschaft über den Arbeiter. Insofern ist das feudale Grundeigentum in (West!-) Europa der Beginn der Entwicklung zum Kapi-talismus.
 4. 5. 88



Formbestimmend ist der Gebrauchswert der Arbeit von Anbeginn, indem ihre zunehmende Qualität in die höhere Qualität der Produkte eingeht und, sofern das Produkt selbst zum Arbeitsmittel wird, die Arbeitsmittel gegenüber der Arbeit ein wachsendes Gewicht erhal-ten. Am Ende steht das fixe Kapital, das als digitaler Automat alle Arbeit selber übernimmt: Der Gebrauchswert hat die Form "zu Tode bestimmt".
2. 1. 17

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