Sonntag, 25. August 2024

Apagogik und bestimmte Negation.

Katzenaugennebel                                                                           zu Marxiana

Kurze Geschichte der Kritik der Politischen Ökonomie. 

Die Kritik der Politischen Ökonomie ist als Ganzes Apagogik. Sie sei nicht eine nachträg-liche theoretische Begründung des praktischen kommunistischen Programms, meinte Vilfredo Pareto, sondern ein kritischer Anhang dazu: bestimmt, es vorab gegen die Ein-wände zu rechtfertigen, die seitens der bürgerlichen Ökonomen vorgebracht werden wür-den - indem es deren Voraussetzung ad absurdum führte.

Das apagogische Verfahren ist problematisch, weil allezeit umstritten sein wird, welche Negation dieses oder jenen Standpunkts die bestimmte ist. Es wäre die, welche dessen eigentlichen logischen Kern trifft. Welches war der logische Kern der Politischen Ökono-mie? Sie sagte es selbst: Es war das Wertgesetz. Die bestimmte Negation der Politischen Ökonomie war die Widerlegung des Wertgesetzes. 

Es begann mit Friedrich Engels' Beitrag zur einzigen Ausgabe der von Karl Marx und Arnolf Ruge herausgegebenen Deutsch-Französischen Jahrbücher: "Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" (Paris 1844), der die Arbeitsgemeinschaft von Marx und Engels und mit ihr die Kritik der Politischen Ökonomie begründete.

Engels hat die Geltung des Wertgesetzes ausdrücklich bestritten. Wenn es zuträfe, dass auf dem Mrkt alle Güter nach Maßgabe der in ihnen vergegeänständlichten Arbeit ausgetauscht werden, gäbe es keinen Unternehmergewinn. Die vom Arbeiter dem Stoff zugefügte Arbeit würde ihm im Lohn auf Heller und Pfennig ausbezahlt und es käme nirgend mehr heraus, als was hineingesteckt wurde. Bekanntlich macht das Kapital aber Gewinn, denn nur da-durch ist es Kapital.

Ab da begann Marx seine Beschäftigung mit der besonderen bürgerlichen Produktionswei-se. Die Absicht war nicht die Ausarbeitung einer allgemeinen Theorie des Wirtschaftens. Es ging von Anfang an darum, die Herkunft des Kapitalsgewinns aufzuklären, denn sachlich ist sie ein Rätsel. Mit der Vertiefung in die Geschichte der ökonomischen Lehre musste Marx aber feststellen, dass theoretisch alles in Ordnung war mit Smith-Ricardos Herleitung des Wertgesetzes. Noch in Zur Kritik der politischen Ökonomie von 1859 hat er das Wert-gesetz nicht öffentlich in Frage gestellt, und auch in seinen ersten Ausarbeitungen zu dem Manuskript-Korpus, das später als Grundrisse bekannt wurde, findet sich keine Ahnung davon. Doch als er  versuchte, mit Hilfe der Hegel'schen Dialektik aus dem bloßen Begriff des Kapital einen Mehr wert heraus zu zaubern, der während des Produktionsprozesses  zu ''Austausch gleicher Werte" hinzukäme, blieb er im Gewirr der Wörter stecken. 

Das war ein echtes Problem: Das Problem der Politischen Ökonomie scheint zu sei, dass das Wertgesetz gleichzeitig gilt und nicht gilt. Es ist wahr, dass der Lohnarbeiter in einer ausgebildeten Marktwirtschaft "kriegt, was er verdient". Wahr ist aber auch, dass Kapital Profit macht. Und wahr ist, dass er woanders als aus dem unmittelbaren Austausch zwi-schen Kapital und Arbeit im Produktionsprozess nicht herkommen kann.

Das Mysterium findet seine Klärung darin, dass zwar das Kapital das ganze Produkt, das aus dem Arbeitsprozess hervorgeht, einstreicht; aber nicht die darin enthaltene Arbeit be-zahlt, sondern nur den Preis, den anteilig Produktion und Reproduktion der Arbeitskraft kosten. Also die Lebensunterhaltungskosten des Arbeiters und seiner Nachkommenschaft - wie hoch sie immer seien.  

Und wie das? Weil der Arbeiter keine Produkte auf den Markt trägt, für die er den vollen Gegenwert erhält, denn er kann allein gar nicht arbeiten, weil ihm dazu die Mittel fehlen - Werkzeug und Rohstoff. Also besitzt er kein Produkkt, das er zu seinem Wert als Ware gegen Kapital eintauschen kann, das ihm als Arbeitsmittel dienen könnte. Die einzige Ware, die er zu Markte tragen kann, ist seine Arbeitskraft, so roh sie ist; sie tauscht er zu ihrem Wert. Und ihr Wert ist, wie der jeder anderen Ware, der Wert, den ihre Produktion gekostet hat: der Wert der Waren, die er für seinen Lebensunterhalt verbraucht.

 

 

Das ist die "ursprüngliche Akkumulation", aus dem das Kapital entstand, das ihm nun fix und fertig beim Tausch gegenübersteht: die Trennung der Arbeit von ihrer sachlichen Be-dingung, und das war die Vertreibung der Bauernschaft von ihren Äckern; sie war längst erfolgt und ist Geschichte. Sie ist nicht ökonomisch geschehen durch Austausch, sondern durch Gewalt. Die Bedingungen der Entstehung des Kapitals waren nicht dieselben wie die Bedingungen seiner Reproduktion. 

Erst im fünften Heft des Manuskripts zu den sog. Grundrissen wird sich Marx darüber klar. Es folgt das Kapitel "Formen, die der kapitalistischen Produktionsweise vorangehen", in dem der Prozess der Enteignung der Landbevölkerung dargestellt wird. Statt um ein theo-retisches System geht es nun um Realgeschichte. Erst hier wird Marx klar, dass es sich nicht um eine immanente Darstellung der bürgerlichen Produktionsweise handelt, sondern um Kritik eines theoretischen Gebäudes, das ein System gar nicht war, weil es auf anderen Vor-aussetzungen beruhte, als es behauptete. 

Und darum ergänzte Marx die ursprüngliche Überschrift von Heft V Polititcal Economy durch den Nachsatz Criticism of. Das waren keine Grundrisse, sondern deren mühsame Geburt. Das apagogische Verfahren war Marx ganz von selbst unterlaufen beim Versuch der Darstellung

Doch ohne eine vorgängige praktische Absicht wäre es nicht geschehen. Sonst hätte Den Ökonomen selbst was auffallen müssen.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Bestimmt, unbestimmt, bestimmbar; setzen, abstrahieren.

                       aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik   Im vorigen Paragraphen war es uns um die Erkenntn...