Freitag, 24. Mai 2024

Die Pflicht gebietet immer konkret.

                                zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Dem wirklichen Menschen im Leben (und wie sich versteht, auch dem, der selbst Philoso-phie treibt, inwiefern er wirklich handelt) kommt das Pflichtgebot nie überhaupt, sondern immer nur eine bestimmte Willensbestimmung in concreto als Pflicht vor. Inwiefern er nun wirklich seinen Willen so bestimmt, wie sein Gewissen es in diesem Falle fordert, so handelt er moralisch.
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J. G. Fichte, Rückerinnerungen, Antworten, Fragen. [S. 157] 

 

Nota I. - Die Moralität meiner Handlung entscheidet sich nicht daran, ob mein Gewissen mir dieses oder jenes gebot, sondern daran, dass es mein Gewissen war, das mir geboten hat. Nicht ob das, was ich getan habe, moralisch war, ist die Frage, sondern ob ich in mei-nem Handeln moralisch war. Pflicht ist allein, was mein Gewissen mir gebietet - und nichts anderes. Moralische Gesetze gibt es nicht. Das Gewissen gebietet immer hier und jetzt.
22. 11. 18

Nota II. - Es ist nicht die Rede davon, dass er die Stimme seines Gewissens seinem ver-nünftigen Urteil unterzöge, so als wäre sie ein Ratgeber unter vielen. Die rät ihm nicht, sondern kommandiert, und wenn er nach Abwägung vernünftiger Gründe dann anders handelt, bleibt ihm der Stachel des schlechten Gewissens doch: So sollte er nicht.  

Ethische Urteile sind ästhetische Urteile, die auf Handlungen bezogen werden - nämlich auf deren Gründe im Handelnden. Ihre Gründe werden nicht erwogen, sondern angeschaut und unmittelbar "von Beifall oder Missbilligung begleitet". Im ästhetischen Urteil fallen An-schauung und Urteil zusammen.

Das Vernunfturteil beruht auf der Vergleichung von Begriffen. Der Begriff ist Vorausset-zung und Medium der Reflexion. Die kommt nach der Anschauung. 

Die Vernunft mag beurteilen, ob die Richtsprüche meines Gewissens den Zwecken in der Sinnenwelt, die ich verfolge und auf die ich mich womöglich mit der Reihe vernünftiger We-sen, der ich doch angehöre, verständigt habe, förderlich ist oder abträglich. Doch Moralität fragt nicht nach Zwecken in der Sinnenwelt und nicht, was ich meinen Mitmenschen -, son-dern danach, was ich mir selber schulde. Dass sie bequem sei, hat noch keiner behauptet.
JE 18. 8. 20

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