Sonntag, 31. August 2025

Die reine Vernunft ist das Reich der Noumene.

                          zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik 

Wieso heißt das Buch, das die Kopernikanische Wende der Philosophie bewirkt hat, nicht einfach Kritik der Vernunft, was befremdlich genug klingt; sondern Kritik der reinen Ver-nunft?

Das Reich der reinen Vernunft ist das Reich der Noumene.

Doch sind die sinnlichen Begriffe doppelt 'gegeben': zuerst als Phainomena der Vorstellung; aber als Begriffe werden sie überdies zu Noumenen - und mischen sich unters 'Geister-reich'. 

So entstanden die rationalistischen Metaphysiken - als ein Reich von Begriffen an sich.

 

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Samstag, 30. August 2025

Wollen ist von Allem der Anfang.

                                   zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik 

Der Begriff der Aufforderung ist nicht das Erste, sondern das Wollen. Das Bewusstsein hebt von keinem Momente an, es ist Wollen.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 187

 

Nota. - Die Aufforderung seitens der Reihe vernünftiger Wesen, mich-selbst zu bestimmen, ist nicht der erste Akt in der Geschichte des vernünftigen Ich. Sie ergeht an einen, der sich bereits als Ich gesetzt hat, denn anders wäre er der Reihe vernünftiger Wesen noch gar nicht begegnet. Mit dem sich-selbst Bestimmen kann er erst beginnen in der intelligiblen Welt der mannigfachen Iche, in der er tätig ist - nämlich bestimmend tätig. Und er kann damit nicht aufhören, solange er in der intelligblen Welt bleibt. Das Ich ist das Währende im Wechsel der Erscheinungen; anders ist es nicht.

Das vernünftige Bewusstsein entsteht nicht auf einmal an dieser oder jener Wegesbiegung. Das in ihm Dauernde muss als vorab daseiend angenommen werden, sonst hätte es sich nicht in einen Gegen-Satz zu einem vorfindlichen Nichtich begeben und durch dessen Widerstand sich-selbst bemerken können. So ist es aber geschehen, an nichts anderm kann das Reflektieren beginnen. 

Dies unbestimmt Zugrundliegende ist als ein schlechthin Agiles vorzustellen. Fichte nennt es Wollen. Es ist nach Ort und Zeit und auch sonstwie unbestimmt und hat selbst keinen ersten Moment. Wenn man von einem Ansich reden könnte - man kann es nicht - wäre es das Wollen.

Solange es beim Wollen bleibt, folgen daraus Bewusstsein und Vernunft, und zwar notwen-dig.

Bedenken Sie bitte immer, dass die Wissenschaftslehre keine metaphysische Ontolo-gie ist, sondern eine Vernunftkritik - nämlich die Prüfung, ob und gegebenenfalls un-ter welchen Voraussetzungen die Herrschaftsansprüche der Vernunft gerechtfertigt sind. Sie behauptet keine Sachverhalte, sondern Bedeutungen.

JE 

 

 

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Freitag, 29. August 2025

Die Idealität der Gegenstände.

               zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik 

Jedes Ding ist bezogen auf unsere mögliche Wirksamkeit...
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 225  

 

Nota. - 'An sich' sind die Gegenstände nicht gegeben - denn da ist keiner, der gibt, noch einer, dem gegeben wird. Kann man sagen, sie seien da? Solange sie keiner bemerkt hat, sind sie weder hier noch dort. Als bloßer Gegenstand begegnet das Ding nämlich nieman-den: Das wäre eine Abstraktion von dem Ding, wie es vorgefunden wurde, und das ist im-mer hier und jetzt. Hier und jetzt bemerke ich immer eine Größe, eine Form, eine Farbe, einen Ort. Erst wenn ich davon absehe, erwächst mir aus diesen sinnlichen Bestimmtheiten die Vorstellung von einem Gegenstand an sich, der auch ohne mein Fühlen seiner Merkma-le 'da' wäre - nämlich irgendwo in einem unbestimmten Raum; nämlich ein bloßes Gedan-kending. 

In der geschäftigen Welt kommt es aber fast gar nicht vor, dass etwas bloß eine Größe, eine Form, eine Farbe und einen Ort hat. Es zeigt mir spätetens auf den dritten Blick ein gutes Dutzend anderer Bestimmungen. Nämlich dann, wenn ich es unter andern Dingen, die ich längst kenne, an 'seinen Platz' stellen will. 

Denn unsere Welt ist angefüllt von Dingen, deren Bedeutungen seit Hunderten oder Tau-senden von Jahren durch alltägliche Verwendung bestimmt wurden. 'An seinen Platz stellen' ist nur ein blasses Schema von Verwenden-überhaupt. Da ich schlechterdings in der Welt etwas vorhabe, muss ich einschätzen, ob es mir bei meinen Absichten dienlich sein wird oder nicht. Wenn nicht, kann ich es achtlos beseite lassen und sogar vergessen, dass es da ist. Ich kann es auch in meinem Gedächtnis in das Fach für späteren Gebrauch zurücklegen; wofür ich nur drei oder vier auffälligste Merkmale 'behalten' muss, um es wiederfinden zu können.

Die Art, wie ich in der Welt Anderem und Andern begegne, ist eingefärbt von der Gewiss-heit, dass ich ein grundsätzlich Tätiger bin und bei Jedem vor allem andern darauf zu schauen habe, ob und was ich damit anfangen kann.

In einfachen Worten: Nur dass da etwas ist, ist mir gegeben und unabhängig von meinem Wollen. Doch jeder meiner Bestimmung, was es 'ist', liegt eine tätige Absicht zu Grunde. 

Ich kann wohlbemerkt auch darauf verzichten - aber doch nur, wenn ich einen Grund dafür habe. Ganz von allein geschieht es nicht, sondern erst, wenn eine Reflexion ihm den Weg bereitet hat.
JE 

 

 

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Donnerstag, 28. August 2025

Die Reflexion ist frei.

 Kristall                zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Hier haben wir den wahren Entstehungspunkt des Bewusstseins: die Freiheit der Reflexion.
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J. G. Fichte, Wissenschaftsjehre nova methodo, S. 157  

Die Reflexion ist schlechthin frei in der Wahl des Mannigfaltigen, auf welches sie geht, es ist kein absoluter Grund da, warum sie dies oder jenes wähle.
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ebd., S. 156

 

Nota. - Bewusst 'sein' ist meiner-selbst bewusst werden, indem meine Tätigkeit auf etwas stößt, das ihr Widerstand entgegensetzt; und dabei sich selbst anschauen wie auch den Gegenstand.

Das ist nach Fichte einerseits "reale" Tätigkeit, soweit ein Bild entsteht; und andererseits "ideale" Tätigkeit, indem das Bild angeschaut wird. Die reale Tätigkeit ist produktiv, indem etwa Neues angefangen wird. Die ideale Tätigkeit fügt dem Bild nichts hinzu, sondern be-stimmt lediglich seine Anschauung.

Es handelt sich wohlbemerkt nicht um zwei verschiedne Kräfte, die von verschiedenen Substanzen ausgingen: Zu einer solchen Annahme besteht vorab kein Anlass. Es handelt sich lediglich um verschiedene Leistungen; diesen rechnen wir je ein spezifisches Vermögen zu. Es gibt keinen Grund, dafür zwei Substanzen anzunehmen, solange eine ganzen Dienst tut. 

Gehen wir weiterhin von einem an sich selbst ununterschiedenen Vermögen aus, dann müssen wir annehmen, dass es mit der 'idealen' Wendung zur Reflexion durchaus nicht er-schöpft ist, weil es qua Einbildungskraft unbeschränkt sein sollte. Wenn also ein Teil - ein Quantum, sagt Fichte - der Einbildungskraft durch Reflexion an ein eo ipso Bestimmtes gebunden wird, bleibt doch ein unbeschränkter 'Rest' zurück, der weiterhin ursprünglich frei ist und verwendet werden kann, sie immer das Wollen setzt.

Anschaulich gesprochen: Durch den Widerstand der Gegenstände ist die reale Tätigkeit weitgehend gebunden. Was aber nicht gegenständlich gebunden ist, bleibt frei und kann sich Gegenstände wählen, wie sie will - auch solche, die sich ihr nicht als phänomenal ge-geben aufdrängen und sie sich einbilden musste. 

Und an dieser Zweiteilung hebt das wirkliche Bewusstsein - dem von mir in der Welt überhaupt erst an. 

Notabene. Es handelt sich hier wie überall nicht um Definitionen schlechthin gültiger Begriffe, sondern um Wortzeichen, die den Leser/Hörer auffordern, Vorstellungen aus dem gegebenen Zusammenhang hervorzu-bringen. Andere Wörter mögen in diesem Zusammenhang denselben Dienst leisten - es geht immer nur um die Verständlichkeit. Die Aufgabe ist jeweils, Wortzeichen zu finden, die in anderen Zusammenhängen dieselben Vorstellungen hervorrufen. Man kann es immer nur versuchen.
JE  

Mittwoch, 27. August 2025

Reich der Notwendigkeit und Reich der Freiheit.

  Flammarion                                                           aus Marxiana

Der wirkliche Reichthum der Gesellschaft, und die Möglichkeit beständiger Erweiterung ihres Reproduktionsprocesses hängt also nicht ab von der Länge der Mehrarbeit, sondern von ihrer Produktivität und von den mehr oder minder reichhaltigen Produktionsbedin-gungen, worin sie sich vollzieht. 

Das Reich der Freiheit beginnt in der That erst da, wo das Arbeiten, das durch Noth und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jen-seits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. Wie der Wilde mit der Natur rin-gen muß, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reprodu-ciren, so muß es der Civilisirte, und er muß es in allen Gesell/schaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen. 

Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnothwendigkeit, weil die Bedürf-nisse; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehn, daß der vergesellschaftete Mensch, die associirten Producenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemein-schaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den, ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehn. 

Aber es bleibt dies immer ein Reich der Nothwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Nothwendigkeit als seiner Basis aufblühn kann. Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung. 
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K. Marx, Das Kapital III, MEGA II/15,  S. 794f. [MEW 25, S. 828f.]


Nota. - Bemerkenswert, dass er an dieser Stelle die auf der Grundlage höherer Arbeitstei-lung historisch hinzugekommenen Bedürfnisse dem "Reich der Naturnotwendigkeit" zu-schlägt - was nicht falsch ist, sofern ihre Befriedigung nicht beliebig ist, sondern aus Not eingefordert wird. Aber es ist keine Naturbestimmung, sondern Menschenprodukt, und gehört insofern dem Reich der Freiheit an.

Es kann eine Situation eintreten, in der zur Wahl steht, ob ein neuentstandenes Bedürfnis gilt, oder ob historisch knapp gewordene Naturvorräte gespart werden sollen. Das ist eine politische Wahl, und eo ipso Sache der Freiheit.  

Doch zu Marxens Zeit war auch theoretisch noch nicht daran zu denken; und es setzt einen allgemeinen gesellschaftlichen Wohlstand voraus statt eines Zustands allgemeiner Knapp-heit. Die Induszivilisation hat anscheinend eine solche Wahl nicht gehabt, sondern musste ihre Ressourcen aufbrauchen und daran untergehen. 
JE 

 

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Dienstag, 26. August 2025

Vorstellungen können nicht ins Verhältnis gesetzt werden.

Vorstellungen können zu einander nicht in ein Verhältnis gesetzt werden. 

Vorstellungen sind analog; sind Bilder und werden angeschaut. Zwei Bilder können neben-einander gesetzt und gemeinsam angeschaut werden, aber nur als Ganze; sobald eine Ein-zelheit ins Auge gefasst wird, entschwinden die andern Einzelheiten an den Rand - und das andere Bild verschwindet ganz. Aus der Ferne kann ich zwei Bilder so anschauen, als ob sie eines wären. 

Sie bleiben dabei mein eigen. Aufbewahren kann ich sie nur für mich - wenn mein Gehirn es zulässt. Sie mögen mich an andere gehabte Vorstellungen erinnen und auf deren Fährte locken. Aber das ist Glückssache.

Begriffe werden nicht angeschaut, sondern gedacht. Angeschaut werden die Zeichen, die den Begriff bedeuten: Der Begriff wurde definiert durch eine Anzahl von Merkmalen, die an ihm bemerkt und ihm zugeschrieben werden. Durch die Bezeichnung werden die Merk-male zu einander in ein Verhältnis gesetzt: Sie verhalten sich zu einander als Teile eines Ganzen.

Ich kann es durch Nennung des Zeichens einem andern mitteilen und sie zu einander in ein Verhältnis setzen, indem ich... Zeichen mit einander verbinde - als Wörter in einem Satz. Den gehörten Satz kann ich mir wiederum vorstellen und anschauen. Meinungsverschie-denheiten können aufgelöst werden, indem die bezeichneten Merkmale auseinandergelegt, mit einander verglichen (anschaulich!) und miteinander zu neuen Sätzen kombiniert wer-den. 

Begriffe, die Merkmale mit einem andern Begriff teilen, kann ich willkürlich aufsuchen, und wenn meine Suche gründlich war, können sie mir nicht entgleiten: Sie haben etwas, das sie mit einander vermittelt. Ich kann sie zu einem Diskurs verknüpfen, während ich Vorstel-lungen bestenfalls durch Wortbilder verdichten kann. Aber das müsste ich wollen; unwill-kürlich wird das Verknüpfen von Begriffen, sobald es gewohnheitsmäßig geschieht, und das tut es in Zivilisationen, die auf Austausch beruhen.

 

Nota. - Die obigen Bilder standen bereits in einem Verhältnis zueinander: Sie sollten alle verkauft werden. JE 

Montag, 25. August 2025

Theorie und Modell.

Epigenom, Methylierung                                                                     zu Marxiana

Obwohl man ohne eine Theorie der Entwicklung die gegebene Wirklichkeit nicht verstehen kann, gibt eine solche Theorie doch nur an, worauf man achten muss, wenn man die sich entfaltende Welt der Kapitalproduktion begreifen will. Der logische Endpunkt* der Kapi-talentwicklung als Prozess der Wertexpansion muss nicht Wirklichkeit werden; doch gibt die Theorie zu jedem beliebigen Zeitpunkt eine Orientierungshilfe für die nähere, konkretere Analyse der tatsächlichen Bewegung der Kapitalproduktion.
*) [Er meint den  Fall der Profitrate.]
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Paul Mattick, Marx und Keynes, Frankfurt/M. 1971, S. 108

Nota. - Das ist alles richtig. Aber heißt das nun, die Kritik der Politischen Ökonomie sei doch eine positive (wenn auch abstrakte...) Lehre von den 'wahren Gesetzen' der geschicht-lichen Entwicklung - statt ein System der Kritik?!

Mitnichten. Denn was Mattick an dieser Stelle hinzuzufügen vergisst, ist, dass man stets einen... Grund  haben muss, um "begreifen" zu wollen: Denn sie Abstraktion, die die Dar-stellung der mannigfaltigen Fakten als begriffliches Modell erst ermöglicht, ist ja selber auch schon Reflexion gewesen - auf das, was interessiert.  "Das, worauf man achten muss", war der logische Ausgangspunkt des ganzen Modells, welches jenen erst zur Darstellung bringt.
25. 5. 86  

Nota II. - Kritisieren mag man dieses oder jenes. Die Kritik eines Systems ist nicht selber ein System, sondern geht darauf, zu prüfen, ob das kritisierte System seinem systematischen Anspruch gerecht wird.* Im Fall der Politischen Ökonomie ist es das Wertgesetz, das als die bestimmende Regel allen Wirtschaftens aufgestellt wurde, die aber in der bürgerlichen Ge-sellschaft und dem Freihandel erstmals rein zur Entfaltung gekommen wäre. 

Dass er eine Kritik der Politischen Ökonomie zu verfassen habe, war Marx am Anfang nicht bewusst. Die wollte er vielmehr durch Kritik en détail zum System erst vollenden, indem er die Lücken füllte. Doch an der Unmöglichkeit, den kapitalistischen Profit mit dem Wertgesetz in Einklang zu bringen, wurde ihm klar, dass er das System der Politischen Öko-nomie an seinem dogmatischen Kern zu Fall bringen musste. 

Der Kern der Kritik ist darum das Kapitel über die "sogenannte ursprüngliche Akkumula-tion" des Kapitals. Der Nachweis, dass der Kapitalist zwar die ganze Arbeit erhält, dem Ar-beiter aber nur den Preis seiner Arbeitskraft bezahlt, musste en détail geführt werden, um unter dem ideologischen Schein das wirkliche Geschehen ersichtlich zu machen. 

Das alles geht fast haarspalterisch in die Einzelheiten, und wer für das Wort systematisch eine sentimentale Schwäche hat, wird ihm gerne anhängen, selber ein System aufgestellt zu haben. Und ihm nachsagen, er habe den Wert aus "der menschlichen Arbeit" abgeleitet. Doch aus der Arbeit ist lediglich der Tauschwert abgeleitet, und das ist eine Tautologie. Der Gebrauchswert, auf den es beim Wirtschaften ankommt, denn nur um dessentwillen wird eine Ware letzten Endes gekauft und verkauft, mag auf den Bäumen wachsen oder vom Himmel fallen.

Hier muss man freilich einschränken: sofern er auf den Markt kommt. Mattick hat darauf hingewiesen, dass Produktion im Auftrag des Staates eben nicht auf den Markt kommt, aber sehr wohl einen Kaufpreis erzielt, Profite von Milliarden und aber Milliarden einbringt und doch nicht in die Durschnittsprofitrate eingeht - und dadurch deren Sinken aufhält. Und das ist eine Wohltat an der Menschheit, denn es geschieht nur, damit das Gros, nämlich die Rüstungsproduktion, niemals ihren Gebrauchswert entfaltet, sondern gottlob auf dem Müll-haufen landet.

*Notabene:  Die Kritik 'der reinen Vernunft' war eine Kritik der Systeme der rationalisti-schen Metaphysik. Deren Kern war die Vermengung von logischem Grund und physika-lischer Ursache. So hat Kant ihn aber nicht ausgesprochen, und hat sich die Möglichkeit eines systematischen Gegenentwurfs verbaut; die "Architektur" der KrV, wie Kant es nennt, ist vielmehr unzusammenhängend und "rhapsodisch" - wie Fichte es nennt.
JE 

 

Sonntag, 24. August 2025

Reflexion ist lediglich ein synthetisches Vermögen.

 Monika Oumard                            zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Die Reflexion ist lediglich ein synthetisches Vermögen.

Dies ist ein wichtiger Satz für das Ganze. Alles empirische Wollen, Denken etc. beruht auf dieser Synthesis des reinen Wollens und der ursprünglichen Beschränktheit. Beides ist dem empirischen Bewusstsein gegeben, vor allem Bewusstsein da; aber die Synthesis ist nicht ursprünglich, sondern hängt von der Reflexion ab.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 163
 

Nota. - Die Reflexion bringt nichts Neues hervor, sie ist lediglich synthetisch und fügt zu-sammen, was in irgendeiner Hinsicht ursprünglich zusammen war. (Produktiv ist die Ein-bildungskraft, sie ist real; was sie hervorbringt, kann analysiert und wieder zusammenge-fügt werden.)
23. 1. 27 

Nota II. - Reflektieren ist die schlechterdings "ideale" Tätigkeit. Ihr Gegensatz ist schlech-terdings reale Tätigkeit - die der Intelligenz Anschauungen einbildet. Unterschieden werden sie daher erst durch Reflexion. Tätigkeit selbst ist Eine. Sie ist das in Raum und Zeit bestim-mte 'reine Wollen', und dieses ist das der Vernunft zu Grunde liegende eine Absolute, in dem alle folgenden Bestimmungen des Wollens ihren Anfang haben.

Das Reine Wollen wird aufgefasst als die an sich unbegrenzte und noch unbestimmte δύν-αμις, aus der Alles folgt... Je nachdem, worauf sie sich verwendet, kann der Betrachter er-blicken, was sie vermag und darin unterscheidbare 'Vermögen' erblicken, doch sie selber unterscheidet sich lediglich durch ihr Wirken und sonst nichts. Es ist jeweils nur ein Quan-tum von ihr, das sich an diesem oder jenem vergegenständlicht, und nur in diesem Mo-ment.

Indes - um sich zu diesem zu bestimmen, muss sie von jenem und allem andern absehen: muss ihr Wirken einschränken. Nur soweit sie sich also von sich selbst unterscheidet, wird vorstellbar, dass sie sich 'gegen sich selbst' wendet und zu ihrem eignen Objekt macht. Das allerdings tut sie ohne Unterlass, und wegen ihrer Fortdauer in der Zeit geht es an, sie quasi generisch als 'reale' und 'ideale' Tätigkeit gegeneinander abzugrenzen. Solange sie noch set-zend und hervorbringend tätig ist, tut sie wirk lich etwas und wird mit Grund Einbildungs-kraft genannt. Indem sie aber ihr Tun zugleich anschautwas sie nicht vermeiden kann, be-ginnt sie, das Getane zu erwägen, und wird Urteils kraft genannt. Ihr Unterschied ist nicht ergonomisch, sondern pragmatisch. Nicht ihre Bestimmung 'schlägt um', sondern sie be-stimmt sich anders.
JE  

Samstag, 23. August 2025

Realer Gegensatz und logischer Widerspruch.

                                                                                  aus Marxiana

Gleichzeitig mit dem Fall der Profitrate wächst die Masse des Kapitals und geht Hand in Hand mit mit ihr eine Entwertung des vorhandnen Kapitals, welche diesen Fall aufhält und der Akkumulation von Kapitalwert einen beschleunigenden Antrieb gibt.

Gleichzeitig mit der Entwicklung der Produktivkraft entwickelt sich die höhere Zusammen-setzung des Kapitals, die relative Abnahme des variablen Teils gegen den konstanten.

Diese verschiednen Einflüsse machen sich bad nebeneinander im Raum, bald mehr nach-einander in der Zeit geltend; periodisch macht sich der Konflikt der widerstreitenden Agen-tien in Krisen Luft. Die Krisen sind immer nur gewaltsame Lösungen der vorhandnen Wi-dersprüche, gewaltsame Eruptionen, die das gestörte Gleichgewicht für den Augenblick wiederherstellen.

Der Widerspruch, ganz allgemein ausgedrückt, besteht darin, dass die kapitalistische Pro-duktionsweise die Tendenz einschließt nach absoluter Entwicklung der Produktivkräfte, abgesehn vom Wert und dem in ihm eingeschlossenen Mehrwert, auch abgesehn von den gesellschaftlichen Verhältnissen, innerhalb deren die kapitalistische Produktion stattfindet; während sie andererseits die Erhaltung des existierenden Kapitalwerts und sein Verwertung im höchsten Maß (d. h. beschleunigten Anwachs dieses Werts) zum Ziel hat. Ihr spezifi-scher Charakter ist auf den vorhandnen Kapitalwert als Mittel zur größtmöglichen Verwer-tung dieses Werts gerichtet. Die Methoden, wodurch sie dies erreicht, schließen ein: Abnah-me der Profitrate, Entwertung des vorhandnen Kapitals und Entwicklung der Produktiv-kräfte der Arbeit auf Kosten der schon produzierte Produktivkräfte.

Die periodische Entwertung des vorhandnen Kapitals, die ein der kapitalistischen Produk-tionsweise immanentes Mittel ist, den Fall der Profitrate / aufzuhalten und die Akkumu-lation von Kapitalwert durch Bildung von Neuwert zu beschleunigen, stört die gegebnen Verhältnisse, worin sich der Zirkulationsprozess des Kapitals vollzieht, und ist daher be-gleitet von plötzlichen Stockungen und Krisen des Produktionsprozesses.
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K. Marx, Das Kapital III, MEW 25, S. 259f. [ MEGA II.15, S. 245f.]


Nota. – Die theoretische Bedeutung obiger Passage für die elementare Stellung des Falls der Profitrate in der Theorie des Kapitals ist offenkundig.

Aber sie hat eine meta-theoretische Seite: Der buchstäblich Grund-legende Denkfehler der rationalistischen metaphysischen Systeme war die Identifizierung von logischem Grund mit realer Ursache (von Sein und Geltung). Die Vermengung von (logischem) Widerspruch und (realem) Gegensatz ist nur ihre Umkehrung. Und in dieser Gestalt taucht sie unverhofft bei Marx wieder auf: Es ist ein Überrest seines 'Kokettierens mit der Hegelschen Ausdrucks-weise', in dem sich allerdings eine andauernde Unsicherheit über die sog. dialektischen Me-thode verbirgt, die Marx immer wieder dazu verleitet, die logische Darstellung mit der reel-len Beschreibung zu vermengen.

Dass der Produktionsprozess und der Zirkulationsprozess nicht in derselben Geschwindig-keit und auch nicht am selben 'Platz' geschehen und ihre Synchronisierung periodisch durch Selbstvernichtung eines Teils des Kapitals wiederhergestellt werden muss, ist ein Realvor-gang. Dass das unbegrenzte Wachstum der Produktion und ihre gleichzeitige Begrenzung durch die Verwertungsmöglichkeit im Begriff des Kapitals beieinander liegen, ist dagegen ein logischer Widerspruch. Es ist aber nicht die Logik, die den Prozesse antreibt – sie be-schreibt ihn lediglich. Und dass etwas im Begriff widersprüchlich ist, bedeutet noch nicht, dass es in der Realität auf seine Auflösung hindrängt. 

Das hat Marx auch nicht sagen wollen? Nein, sicher nicht. Aber er hat sich so ausgedrückt, dass epigonale Buchstabengelehrte es (in behördlichem Auftrag) so darstellen konnten.
JE,
10. 12. 15



Freitag, 22. August 2025

Die historische Berechtigung des Kapitals und seine Schranke.

grabbeau                                                                          aus Marxiana

Es wird nicht zu viel Reichthum producirt. Aber es wird periodisch zu viel Reichtum in seinen kapitalistischen, gegensätzlichen Formen producirt. /

Die Schranke der kapitalistischen Produktionsweise tritt hervor: 


1) Darin, daß die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit im Fall der Profitrate ein Ge-setz erzeugt, das ihrer eignen Entwicklung auf einen gewissen Punkt feindlichst gegenüber-tritt, und daher beständig durch Krisen überwunden werden muß.

2) Darin, daß die Aneignung unbezahlter Arbeit, und das Verhältniß dieser unbezahlten Ar-beit zur vergegenständlichten Arbeit überhaupt, oder, kapitalistisch ausgedrückt, daß der Profit, und das Verhältniß dieses Profits zum angewandten Kapital, also eine gewisse Höhe der Profitrate über Ausdehnung oder Beschränkung der Produktion entscheidet, statt des Verhältnisses der Produktion zu den gesellschaftlichen Bedürfnissen, zu den Bedürfnissen gesellschaftlich entwickelter Menschen. Es treten daher Schranken für sie ein schon auf einem Ausdehnungsgrad der Produktion, der umgekehrt unter der andren Voraussetzung weitaus ungenügend erschiene. Sie kommt zum Stillstand, nicht wo die Befriedigung der Bedürfnisse, sondern wo die Produktion und Realisirung von Profit diesen Stillstand gebie-tet. ...

Die Profitrate, d. h. der verhältnißmäßige Kapitalzuwachs ist vor allem wichtig für alle neu-en, sich selbständig gruppirenden Kapitalableger. Und sobald die Kapitalbildung ausschließ-lich in die Hände einiger wenigen, fertigen Großkapitale fiele, für die die Masse des Profits die Rate aufwiegt, wäre überhaupt das belebende Feuer der Produktion erloschen. Sie würde einschlummern. Die Profitrate ist die treibende Macht in der kapitalistischen Produktion, und es wird nur producirt, was und soweit es mit Profit producirt werden kann. ... Die Ent-wicklung der Produk/tivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit ist die historische Aufgabe und Berechtigung des Kapitals. Eben damit schafft es unbewußt die materiellen Bedingungen einer höhern Produktionsform. 
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K. Marx, Das Kapital III, MEGA II.15; S. 254ff. [MEW 25, S. 268f.]  


Nota. - Wenn überhaupt mit irgendeinem Recht gesagt werden kann, dass Marx in der Geschichte ein "Gesetz" entdeckt habe, so wäre es dieses: 'Man kann' die Geschichte so auffassen, als ob sie eine Gesellschaftsform bezweckt hätte, in der der Reichtum ohne Schranken wachsen kann, weil sich die Bedürfnisse ohne Schranke fortentwickeln; und als ob sie – was das Dialektische daran wäre – zu diesem Behuf zuerst eine Produktionsweise finden musste, deren Wachstumsdynamik den Rahmen der Klassengesellschaft sprengt. Zu diesem Zweck wiederum sei die Klassenspaltung der Gesellschaft zuvor überhaupt erst not-wendig gewesen, weil anders das Akkumulieren nie begonnen und die Bedürfnisse stagniert hätten. So könnte man die Geschichte auffassen. Dazu müsste man sie aber zuvor als ein mit eigenem Willen begabtes und zur Planung befähigtes Subjekt auffassen. Nur gibt es keinen vernünftig vertretbaren Grund dafür. Die Geschichte selber ist bête comme un fait, blöd wie eine Tatsache.
JE, 3. 12. 15


Donnerstag, 21. August 2025

Jeder trägt sein Gewissen in sich und hat ein ganz besonderes.

A. Böcklin, Selbstbildnis                    zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

2. Um uns selbst zu finden, müssen wir die Aufgabe denken, uns auf eine gewisse Weise zu beschränken. Diese Aufgabe ist für jedes Individuum eine andere, und dadurch eben wird bestimmt, wer dieses Individuum eigentlich sei. Diese Aufgabe erscheint nicht auf einmal, sondern im Fortgange der Erfahrung analytisch jedesmal, inwiefern ein Sittengebot an uns ergeht; aber in dieser Aufforderung liegt zugleich, da wir praktische Wesen sind, zu einem bestimmten Handeln Aufforderung. Dies ist für jedes Individuum auf besondre Art gültig. Jeder trägt sein Gewissen in sich und hat ein ganz besonderes.  

Aber die Weise, wie das Vernunftgesetz allen gebiete, lässt sich nicht in abstracto aufstellen. So eine Untersuchung wird von einem hohen Gesichtspunkte aus angestellt, auf welchem die Individualität verschwindet und bloß auf das Allgemeine gesehen wird. Sittenlehre
[ist] WissenschaftsLehre des Praktischen, die insbesondere Ethik wird; d. h. das praktische Han-deln überhaupt, das Handeln kommt aber durch die Grundlage
[der gesamten Wissenschaftslehre] immerfort vor, indem auf [unleserlich; ich rate: 'Freiheit'] der ganze Mechanismus gründet, daher kann die besondre Wissenschaftlehre des Praktischen nur sein eine Ethik.

Diese lehrt, wie die Welt durch vernünftige Wesen gemacht werden soll, ihr / Resultat ist Ideal, in wiefern dies Resultat sein kann, da es nicht begriffen werden kann.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 241f. 



Nota. - 'Wie die Welt durch vernünftige Wesen gemacht werden soll' - das bezieht sich ja nun wohl auf den Raum, in dem die 'Reihe vernünftiger Wesen' einander begegnen; auf unsere Welt, wie ich das nenne. Auf meine Welt, in der ich mit meinem 'ganz besonderen' Gewissen allein bin und wo ich Anderen nichts schulde, bezieht es sich offenkundig nicht. Vernunft gehört in den Bereich des Politischen, Moralität im eigentlichen Sinn gehört ins Reich des Privaten.

Mit einander in Konflikt geraten können sie da, wo ich auch im öffentlichen politischen Bereich persönlich, 'existenziell' gefordert bin, weil beiden Sphären sich ausnahmsweise überschneiden; dann rangiert auch im Politischen die 'Gesinnungsethik' über der 'Verant-wortungsethik'.

Dass Fichte beide Bereiche vermengt, lässt sich verstehen, da er noch ganz am Anfang bürgerlich vernünftiger Verhältnisse stand, da gab es noch wenig anschauliches Material. Aber ein systematischer Fehler ist es auch dann noch. Dass der Freiheitsherold Fichte vom preußischen Hofphilosophen Hegel als Progagandist eines Polizeistaats hingestellt werden konnte, war zwar gehässig, aber so unverdient nicht. Öffentliches und Privates, Politisch-Rechtliches und Moralisches gehören zu verschiedenen Welten, wo sie vermengt werden, ist von reeller Freiheit nicht mehr die Rede. Vernunft, die totalitär wird, hört auf, eine zu sein.
JE
, 19. 5. 16

Mittwoch, 20. August 2025

Das ist mein Leib.

                 zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik 

Der scharf bestimmte Begriff des Leibes ist: Mein Leib ist das, was in der bloßen Gewalt der Willkür steht (sofern er artikuliert ist). Der transzendentale Begriff des Leibes ist: Er ist mein ursprüngliches Wollen, aufgenommen in die Form der äußeren Anschauung.

Ich und mein Leib, ich und mein Geist heißt dasselbe. Ich bin mein Leib, in wiefern ich mich anschaue; ich bin mein Geist, in wiefern ich mich denke. Eins aber kann ohne das andere nicht sein, und dies ist die Vereinigung des Geistes mit dem Leibe.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 160 


Nota. - Mein Geist hat einen Leib, mein Leib hat einen Geist - so für das historisch-wirk-liche Individuum. 

'Das Ich' ist Noumenon. Der Leib ist in Raum und Zeit. Wo vom Ich die Rede ist, ist von seinem Geist die Rede. Das Ich kommandiert einen Leib - und darum ist er seiner. Der Leib ist Werk-Zeug - Organ - des Geistes, doch als solches beschränkt er ihn. Dass beide zweier-lei sind, besteht nicht im ursprünglichen Bewusstsein, sondern ersteht erst der Reflexion, und für sie ist es ein Problem - nämlich die Aufgabe, sie im tätigen Leben in der realen Welt immer wieder neu auf einander zu beziehen: Das ist das In dividuum. Merke: Das Individu-um der bürgerlichen Welt ist bestimmt als schlechthin reflektierend.
JE 

Apagogische Dialektik.

                                                                                zu Marxiana Kapital kann also nicht aus der Zirkulation...