Epigenom, Methylierung zu MarxianaObwohl man ohne eine
Theorie der Entwicklung die gegebene Wirklichkeit nicht verstehen kann,
gibt eine solche Theorie doch nur an, worauf man achten muss,
wenn man die sich entfaltende Welt der Kapitalproduktion begreifen will.
Der logische Endpunkt* der Kapi-talentwicklung als Prozess der
Wertexpansion muss nicht Wirklichkeit werden; doch gibt die Theorie zu
jedem beliebigen Zeitpunkt eine Orientierungshilfe für die nähere,
konkretere Analyse der tatsächlichen Bewegung der Kapitalproduktion.
*) [Er meint den Fall der Profitrate.]
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Paul Mattick, Marx und Keynes, Frankfurt/M. 1971, S. 108
Nota. - Das ist alles richtig. Aber heißt das nun, die Kritik der Politischen Ökonomie sei doch eine positive (wenn auch abstrakte...) Lehre von den 'wahren Gesetzen' der geschicht-lichen Entwicklung - statt ein System der Kritik?!
Mitnichten. Denn was Mattick an dieser Stelle hinzuzufügen vergisst, ist, dass man stets einen... Grund haben muss, um "begreifen" zu wollen: Denn sie Abstraktion, die die Dar-stellung der mannigfaltigen Fakten als begriffliches Modell erst ermöglicht, ist ja selber auch schon Reflexion gewesen - auf das, was interessiert. "Das, worauf man achten muss", war der logische Ausgangspunkt des ganzen Modells, welches jenen erst zur Darstellung bringt.
25. 5. 86
Nota II. - Kritisieren mag man dieses oder jenes. Die Kritik eines Systems ist
nicht selber ein System, sondern geht darauf, zu prüfen, ob das
kritisierte System seinem systematischen Anspruch gerecht wird.* Im Fall
der Politischen Ökonomie ist es das Wertgesetz, das als die bestimmende Regel allen Wirtschaftens aufgestellt wurde, die aber in der bürgerlichen Ge-sellschaft und dem Freihandel erstmals rein zur Entfaltung gekommen wäre.
Dass
er eine Kritik der Politischen Ökonomie zu verfassen habe, war Marx am
Anfang nicht bewusst. Die wollte er vielmehr durch Kritik en détail zum
System erst vollenden, indem er die Lücken füllte. Doch an der Unmöglichkeit, den kapitalistischen
Profit mit dem Wertgesetz in Einklang zu bringen, wurde ihm klar,
dass er das System der Politischen Öko-nomie an seinem dogmatischen Kern
zu Fall bringen musste.
Der Kern der Kritik ist darum das Kapitel über die "sogenannte ursprüngliche Akkumula-tion" des Kapitals. Der Nachweis, dass der Kapitalist zwar die ganze Arbeit erhält, dem Ar-beiter aber nur den Preis seiner Arbeitskraft bezahlt, musste en détail geführt werden, um unter dem ideologischen Schein das wirkliche Geschehen ersichtlich zu machen.
Das
alles geht fast haarspalterisch in die Einzelheiten, und wer für das
Wort systematisch eine sentimentale Schwäche hat, wird ihm gerne
anhängen, selber ein System aufgestellt zu haben. Und ihm nachsagen, er habe den Wert aus "der menschlichen Arbeit" abgeleitet.
Doch aus der Arbeit ist lediglich der Tauschwert abgeleitet, und das
ist eine Tautologie. Der Gebrauchswert, auf den es beim Wirtschaften
ankommt, denn nur um dessentwillen wird eine Ware letzten Endes gekauft
und verkauft, mag auf den Bäumen wachsen oder vom Himmel fallen.
Hier muss man freilich einschränken: sofern er auf den Markt kommt. Mattick hat darauf hingewiesen, dass Produktion im Auftrag des Staates eben nicht auf den Markt kommt, aber sehr wohl einen Kaufpreis erzielt, Profite von Milliarden und aber Milliarden einbringt und doch nicht in die Durschnittsprofitrate eingeht - und dadurch deren Sinken aufhält. Und das ist eine Wohltat an der Menschheit, denn es
geschieht nur, damit das Gros, nämlich die Rüstungsproduktion, niemals
ihren Gebrauchswert entfaltet, sondern gottlob auf dem Müll-haufen landet.
*Notabene: Die Kritik 'der reinen Vernunft' war eine Kritik der Systeme der rationalisti-schen Metaphysik. Deren Kern war die Vermengung von logischem Grund und physika-lischer Ursache. So hat Kant ihn aber nicht ausgesprochen, und hat sich die Möglichkeit eines systematischen Gegenentwurfs verbaut; die "Architektur" der KrV, wie Kant es nennt, ist vielmehr unzusammenhängend und "rhapsodisch" - wie Fichte es nennt.
JE