Donnerstag, 24. Juli 2025

Vorstellen und Denken.

 In hoc signo vinces                 zu Philosophierungen

Des Denkens können wir uns gegebenenfalls enthalten; des Vorstellens nicht.

Was heißt denken? Zwei Begriffe zu einander ins Verhältnis setzen. Was ist ein Begriff? Eine bestimmte Vorstellung. Was heißt: eine Vorstellung bestimmen? Sie als Gegensatz fassen: fassen heißt entgegen setzen. Heißt zwischen zwei Termini ein Bedeutungsfeld eröffnen, in das Phainomena eingesetzt werden sollen. Die Bedeutung selbst wird nicht vorgestellt: Sie muss gedacht werden - als Spannung zwischen den Polen. Die Pole kann ich bezeichnen  und dadurch den Begriff benennen. Die Vorstellungsarbeit muss ich jedesmal neu leisten. Müsste ich, denn anders darf man von Denken nicht reden.

Ich kann aber auch darauf verzichten, und es soll Leute geben, denen das ein Leichtes ist. Aber aufs Vorstellen kann keiner verzichten. Ich stelle mir Etwas vor, sobald ich soundso-viel Meldungen meiner Sinnesorgane als Eines anschaue. Anders würde ich nichts wahr-nehmen, sondern in einem Ozean von Gefühlen treiben; Phainomena würden mir nicht erscheinen

Denken setzt voraus, dass Begriffe benannt wurden. Ich kann meinen Teddy so und meine Lieblingsjacke anders nennen. Wenn ich will, dass einer mich versteht, muss ich solche Na-men wählen, die ein anderer ebenso auffasst wie ich. Nach diesem Muster kann ich die gan-ze Welt beschreiben, und das tun die realen Sprachen. 

Die theoretische Physik dieser Tage spricht keine reale Sprache - sondern die Sprache der theoretischen Physik. Sie besteht aus Begriffen, bei denen die Eingeweihten sich etwas - nämlich dasselbe - denken können. Indem sie diese Sprache sprechen, unterstellen sie, dass sie dasselbe denken. Nicht unterstellen sie, dass einer, ein paar oder alle sich dabei etwas vorstellen  können: Die Frage klammern sie aus, weil sie nicht zu ihrem akademischen Fach, sondern vielleicht zu einem anderen gehört - oder nichtmal das: Mit andern Worten, allein durch die Auffassung, dass es sich um ein Fach handelt, wird die Frage nach der Herkunft der Begriffe aus den Vorstellungen beiseite getan. Das wird wissenschaftspragmatisch zweckmäßig sein. Aber im Wissen tut es eine Lücke auf. Wo keine Anschauung mehr mög-lich ist, gibt es keine Erfahrung - und kein Wissen

Für sich - "immanent" - mag jeder Wissenszweig erfolgreich sein; z. B. Vorhersagen ermög-lichen. Aber das ist ein technologischer, pragmatischer Gesichtspunkt, und er taugt, wozu er taugt. 

Denken - Vorstellungen in Sprache fassen - geschieht zwecks Mitteilung; oder zwecks Refle-xion: Ich höre mir zu, um besser zu verstehen. So kann es auch semantisches Gedächtnis geben, ohne das keine Vernunft denk bar wäre. Um meine Vorstellungen zu behalten, reicht mir das episodisches Gedächtnis, aber es ist volatil. Die Wörter des semantischen Gedächt-nisses sind in Zeichen gefasst; Laute, die auch nicht beständig sind - doch die Buchstaben der Sprache finden sich überall wieder und bringen die Erinnerung von außen zurück.

Das episodische Gedächtnis besteht in Bildern, die anschaubar sind. Das semantische Ge-dächtnis besteht aus Zeichen, die lesbar sind. Vorstellen kann man im analogen Modus, denken muss man im digitalen Modus - erst der ermöglicht Reflexion. Dieser ist bunt an Farben und Formen, jener ist genau (ziemlich). Dieser ist produktiv, jener bloß vermittelnd.

 

Anmerkung.
Fichte mochte eine systematische Nomenklatur nicht aufstellen, solange sein System nicht abgeschlossen war.
Eine Eigenheit seines Systems ist aber, dass es der Sache nach nicht abgeschlossen werden kann. Eine sinnvolle Nomenklatur wird niemals möglich.

Die Nomina sind daher immer nur konkret und situativ zu verstehen. Sie gelten immer nur 'gewissermaßen'.
JE 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Apagogische Dialektik.

                                                                                zu Marxiana Kapital kann also nicht aus der Zirkulation...