
P. Brueghel d. Ä. Dulle Griet, 1562 zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Die Vermögen des Ich
müssen selbst deduziert werden; so muss hier bewiesen werden, dass
Einbildungskraft ist. Dies ist hier deduziert, weil kein Bewusstsein und
kein Ich [ist,]
wenn kein Übergehen vom Bestimmbaren aus ist, wenn nicht ein
Bestimmbares für uns ist. Dass es eine Einbildungskraft gebe, ist
dadurch notwendig.
Ihr entgegengesetzt ist
das Fassen des Bestimmten, das Denken, beides ist nicht ohne ein
anderes, und beides sind nur verschiedene Ansichten meines ganzen
Vermögens. Dies ist dasselbe viel / tiefer gefasst als: keine Anschauung ohne Begriff und kein Begriff ohne An-schauung.
Dann ist anzumerken:
Das Bestimmbare ist nicht etwa vor der Einbildungkraft voraus, son-dern
das Bestimmbare entsteht eben durch die Einbildungskraft und bloß
durch sie. Von der höchsten Synthesis aus ist zu sagen: Ich schaue mich
an als einbildend, und dadurch schaue ich ein Bestimmbares [an].
Insofern ist die Einbildungskraft absolut produzierend in Rücksicht
des Stoffs, so wie überhaupt das Ich produzierend ist; und endlich: Das
Objekt der Einbildungskraft ist das Bestimmbare, dasjenige, das alle
Tätigkeit im Bestimmen, die doch dem Ich allein zugeschrieben wird,
bedingt.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, S. 202f.
Nota. - Zuerst ist das Bild da, dann werden die Details bemerkt, lehrt die Gestalttheorie. Das Bild selber ist aber nicht, wie der Augenschein glauben macht, an sich ein Ganzes: Es ist zusammengesetzt aus einer Figur auf einem Grund. Unterschieden werden sie frühe-stens auf den zweiten Blick; denn wie hier bei Brueghel und später bei J. Pollock mögen die Figuren den Grund ganz bedecken und fast ineinander aufgehen. Das Bild wird am Anfang nicht als ein bestimmtes Ganzes, sondern als ungefasste Mannigfaltigkeit 'angeschaut', doch die Anschauung selbst geht unwillkürlich dazu über, Einzelnes von andern Einzelnen zu unterscheiden, wieder zusammenzufassen und von dem zu unterscheiden, 'vor' oder 'auf' oder zwischen dem sie vorkommen. Und doch werden sie hinterher wieder zum Bild zu-sammengefasst.
Anschauen geht dem Begreifen voraus, doch als erster Schritt des Bestimmens durch Re-flexion. Die Einbildungsskraft wird aufgefasst als die in oder hinter dem Anschauen wir-kende 'Substanz', als Quelle einer Kraft, die sich auf ihr eignes Wirken rückbezieht.
Und nie zu vergessen: Das Bestimmen treibt nur einen, der sich als bestimmenSollender vorkommt.
JE
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