aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
Die Aufgabe war, zu zeigen, wie das Selbstbewusstsein möglich sei. Wir haben darauf ge-antwortet: Das Selbstbewusstsein
ist möglich, wenn das vernünftige Wesen in einem und demselben
ungeteilten Moment sich eine Wirksankeit zuschreiben und dieser
Wirksamkeit etwas entgegensetzen kann.
Man setze, dass dies geschehe im
Momente Z. /
Jetzt wird weiter
gefragt, unter welcher Bedingung dies soeben Geforderte möglich sei; und
da ist denn sogleich klar, dass die zu setzenden Wirksamkeit nur in
Beziehung auf irgend ein bestimmtes Objekt A, auf welches sie gehe, gesetzt werden kann. Man muss nicht sagen, es könne ja eine Wirksamkeit überhaupt, eine bloß mögliche Wirksamkeit gesetzt werden; denn das wäre ein unbestimmtes Denken, und das Argumentieren
aus Voraussetzungen überhaupt möge doch nunmehr der Philosophie genug
geschadet haben. Eine bloß mögli-che Wirksamkeit oder Wirksamkeit
überhaupt wird gesetzt lediglich durch Abstraktion von einer gewissen
oder von aller wirklichen.
Aber ehe von etwas abstrahiert werden kann, muss es gesetzt sein, und es geht hier wie immer dem unbestimmten
Begriffe des überhaupt einen bestimmten Begriff von einem bestimmten
wirklichen voraus, und der erstere ist durch den letzteren bedingt. -
Ebensowenig wolle man
sagen, die Wirksamkeit könne gesetzt werden als gehend auf das im
Momente Z zu setzende Objekt B, denn B wird gesetzt lediglich, in
wiefern keine Wirk-samkeit darauf geht.
Demnach muss der Moment
Z erklärt werden aus dem anderen Momente, in welchen das Objekt A
gesetzt und begriffen worden sei. Aber A kann auch nur unter der
Bedingung begriffen werden, unter welcher B begriffen werden konnte;
nämlich der Moment, in wel-chem es begriffen wird, ist auch nur möglich
unter Bedingung eines
vorhergehenden Mo-ments, und so ins Unendliche. Wir finden keinen
möglichen Punkt, in welchem wir den Faden des Selbstbewusstseins, durch
den alles Bewusstsein erst möglich wird, anknüpfen könnten, und unsere
Aufgabe ist sonach nicht gelöst.
Es ist um der ganzen
Wissenschaft willen, die hier aufgestellt werden soll, wichtig, dass man
sich eine deutliche Einsicht von dem soeben geführten Raisonnement
verschaffe.
_______________________________________________________________________J. G Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 30f.
Nota. - Die allgemeineren Begriffe sind Abstraktionen von den besonderen Begriffen, und ganz am Anfang steht die Anschauung eines Singulums. "Es gibt" Begriffe überhaupt nicht. Sie müssen von jemandem gedacht, und das heißt: in Denkoperationen verwendet werden. Abstrahieren ist ein solche Operation.
Im wirklichen Denken geht das Bestimmte dem Unbestimmten voraus - nicht umgekehrt. In der logischen - und in diesem Fall auch der materiallogisch-genetischen - Betrachtung (in der Reflexion) stellt es sich freilich umgekehrt dar: Zuerst ist Bestimmbarkeit, der freie Akt des Bestimmens durch das Ich kommt
erst hinzu. So aber nur für einen unbeteiligten Be-trachter. Für das
handelnde Ich ist es vielmehr so, dass die Unbestimmtheit zusammen mit
der Bestimmtheit überhaupt erst entsteht im und durch den Akt seines
Bestimmens. Das ist der Moment, in dem Alles entsteht, weil ein Ich
entsteht.
Von allen Bestimmungen die allgemeinste ist Sein; so allgemein, dass von Begriff schon gar nicht mehr geredet werden kann: Es ist bloße Objektität, es ist alles, was einer Tätigkeit Wi-derstand leistet - und sei es, indem es sich meinem Bestimmenwollen entzieht. Das Nichts
ist dagegen ein schierer Antibegriff. Es ist nicht einmal etwas, das
sich dem Bestimmen ent-zieht; es ist für das Bestimmenwollen - vulgo Erkennen, Begreifen - schlicht und einfach nicht da; ja wo denn auch?
JE 29. 1. 19
Nota. Das
obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie
der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht
wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.
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