Flammarion aus MarxianaDer wirkliche Reichthum
der Gesellschaft, und die Möglichkeit beständiger Erweiterung ihres
Reproduktionsprocesses hängt also nicht ab von
der Länge der Mehrarbeit, sondern von ihrer Produktivität und von den
mehr oder minder reichhaltigen Produktionsbedin-gungen, worin sie sich
vollzieht.
Das Reich der Freiheit
beginnt in der That erst da, wo das
Arbeiten, das durch Noth und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist,
aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jen-seits der Sphäre der
eigentlichen materiellen Produktion. Wie der Wilde mit der Natur rin-gen
muß, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und
zu reprodu-ciren, so muß es der Civilisirte, und er muß es in allen
Gesell/schaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen.
Mit seiner
Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnothwendigkeit, weil die
Bedürf-nisse; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese
befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehn, daß
der vergesellschaftete Mensch, die associirten Producenten, diesen ihren
Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemein-schaftliche
Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht
zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den, ihrer
menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehn.
Aber es bleibt dies
immer ein Reich der Nothwendigkeit. Jenseits
desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als
Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem
Reich
der Nothwendigkeit als seiner Basis aufblühn kann. Die Verkürzung des
Arbeitstags ist die Grundbedingung.
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K. Marx, Das Kapital III, MEGA II/15, S. 794f. [MEW 25, S. 828f.]
Nota. - Bemerkenswert, dass er an dieser Stelle die auf der Grundlage höherer Arbeitstei-lung historisch hinzugekommenen Bedürfnisse dem "Reich der Naturnotwendigkeit" zu-schlägt - was nicht falsch ist, sofern ihre Befriedigung nicht beliebig ist, sondern aus Not eingefordert wird. Aber es ist keine Naturbestimmung, sondern Menschenprodukt, und gehört insofern dem Reich der Freiheit an.
Es kann eine Situation eintreten, in der zur Wahl steht, ob ein neuentstandenes Bedürfnis gilt, oder ob historisch knapp gewordene Naturvorräte gespart werden sollen. Das ist eine politische Wahl, und eo ipso Sache der Freiheit.
Doch zu Marxens Zeit war auch theoretisch noch nicht daran zu denken; und es setzt einen allgemeinen gesellschaftlichen Wohlstand voraus statt eines Zustands allgemeiner Knapp-heit. Die Induszivilisation hat anscheinend eine solche Wahl nicht gehabt, sondern musste ihre Ressourcen aufbrauchen und daran untergehen.
JE
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