Dienstag, 31. Dezember 2024

Entfremdete Arbeit.

                                                                               aus Marxiana

Vorstellen ist das Schema des Handelns - Urbild, Grundform, Modell. 

Wirkliche sinnliche praktische Tätigkeit kenne der Idealismus nicht, meinte Marx - wenn auch die tätige Seite des Menschen im Idealismus stärker entwickelt sei als bei den Materi-alisten, bei denen der Mensch nur als Leidender vorkommt. Unter Idealismus verstand er das dogmatische Hegel'sche System, die Wissenschaftslehre kannte er nicht.* Auf die Wis-senschaftslehre trifft sein Verdikt nicht zu. 

Er will sagen, der Idealismus löse alle wirklich Arbeit letzten Endes in bloßes Denken auf. Das tut Fichte nicht, in der Wissenschaftslehre hebt das Bewusstsein im Gegenteil bei der Sinnlichkeit an: Zuerst ist Gefühl, und darunter versteht er keinen Gemütszustand, sondern ganz prosaisch und wie John Locke die Meldungen der Sinneszellen. 

Er will ja nicht die Welt aus dem Bewusstsein erklären, sondern umgekehrt das Bewusstsein aus der Welt. Unter Welt versteht er allerdings nicht einen Haufen toter Gegenstände, son-dern den Raum menschlicher Tätigkeit, und die ist sinnlich, bevor** sie Vorstellung werden kann.

Wenn man indes alle kontingenten empirischen Bestimmungen abzieht, bleibt von der sinn-lichen praktischen Tätigkeit allein das Vorstellen übrig.

So sah es auch Marx. "Eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war."***

Es ist das Vorstellen, das menschliche Arbeit von den Tätigkeiten der Tiere unterscheidet. Zur bloßen Verausgabung rein physischer Energie, zur Äußerung von Arbeitskraft, haben erst das Kapital und die Große Industrie die Arbeit entfremdet.**** Da muss man nicht lang mit dialektischem Hintersinn im 'Herr und Knecht'-Kapitel der Phänomenologie suchen; in der Wissenschaftslehre liegt alles klar zutage.


*) Das lässt sich nachweisen.
**) Dazwischen tritt die Reflexion = Scheidung der Einbildungskraft in einen realen und einen idealen Teil.
***) K. Marx, Das Kapital. Band 1, MEW 23, S. 193
****) Die Vorstellung ward der Maschine eingebaut; die Arbeitskraft braucht sie nicht mehr. [2020]
20. 7. 15



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Montag, 30. Dezember 2024

Vergegenständlichung als Entfremdung.

Bernhard Wasem                                                                 aus Marxiana
 
Der fact, daß mit der Entwicklung der Productivkräfte der Arbeit die gegenständlichen Be-dingungen der Arbeit, die vergegenständlichte Arbeit wachsen muß im Verhältniß zur leben-digen Arbeit – es ist dieß eigentlich ein tautologischer Satz, denn was heißt wachsende Pro-ductivkraft der Arbeit anders, als daß weniger unmittelbare Arbeit erheischt ist, um ein größ-res Product zu schaffen und daß also der gesellschaftliche Reichthum sich mehr und mehr ausdrückt in den von der Arbeit selbst geschaffnen Bedingungen der Arbeit – erscheint vom Standpunkt des Capitals so, nicht daß das eine Moment der gesellschaftlichen Thätig-keit – die gegenständliche Arbeit – zum immer gewaltigern Leib des andren Moments, der subjektiven, lebendigen Arbeit wird, sondern daß – und dieß ist wichtig für die Lohnarbeit – die objectiven Bedingungen der Arbeit eine immer colossalere Selbstständigkeit, die sich durch ihren very extent darstellt, gegen die lebendige Arbeit annehmen, und der gesellschaft-liche Reichthum in gewaltigern Portionen als fremde und beherrschende Macht der Arbeit gegenübertritt. 

Der Ton wird gelegt nicht auf das Vergegenständlichtsein, sondern das Entfremdet-, Ent-äussert-, Veräussertsein – das Nicht-dem-Arbeiter-, sondern den personificirten Producti-onsbedingungen, i. e. dem-Capital-Zugehören der ungeheuren
[ver]gegenständlichten Macht, die die gesellschaftliche Arbeit selbst sich als eins ihrer Momente gegenübergestellt hat. Soweit auf dem Standpunkt des Capitals und der Lohnarbeit die Erzeugung dieses gegen- ständlichen Leibes der Thätigkeit im Gegensatz zum unmittelbaren Arbeitsvermögen ge-schieht – dieser Process der Vergegenständlichung in fact als Process der Entäusserung vom Standpunkt der Arbeit aus oder der Aneignung fremder Arbeit vom Standpunkt des Capitals aus erscheint – ist diese Verdrehung und Verkehrung eine wirkliche, keine blos ge-meinte, blos in der Vorstellung der Arbeiter und Capitalisten existirende.

Aber offenbar ist dieser Verkehrungsprocess blos historische Nothwendigkeit, blos Noth-wendigkeit für die Entwicklung der Productivkräfte von einem bestimmten historischen Ausgangspunkt aus, oder Basis aus, aber keineswegs eine absolute Nothwendigkeit der Pro-duction; vielmehr eine verschwindende und das Resultat und der Zweck (immanente) dieses Processes ist diese Basis selbst aufzuheben, wie diese Form des Processes.
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K. Marx, Grundrisse, MEGA II/1.2, S. 698 [MEW 42, S. 721f.]


 
Nota. - Dies war stets die Lieblingsspielwiese der hegelisierenden Marx-Interpretation: Ver-gegenständlichuung, Verdinglichung, Entfremdung; ein scheinbar vertrautes Terrain der bloß-ideologischen Kritik, orientiert am 'Herr-und-Knecht'-Kapitel der Phänomenologie der Geistes, wo ganz im Dunkeln bleibt, was den Knecht bewogen haben mag, sich zu un-terwerfen und den Andern zu seinem Herrn zu machen. Es bleibt nur die mystifizierte Vor-stellung von der Selbstbewegung des Begriffs, um da einen Sinn hineinzufinden.

Doch nicht so bei Marx. Bei ihm produzieren wirkliche Menschen sachliche Gegenstände, und sie tun das unter historisch vorgegebenen Bedingungen - und nur unter diesen Bedin-gungen. Die dialektische Form der Darstellung hat den Sinn, aus dem Strom der Erschei-nungen die tätigen Subjekte hervortreten zu lassen, und nicht, sie im Gegenteil in einen selbsttragenden Prozess zu versenken. 

Und vor allem: Es geht hier nicht um Formbestimmung des (hier: fixen) Kapitals, sondern um seine absolute Größe; seinen "very extent" und seine krasse Disproportion gegen die lebendige Arbeit. 
JE,
10. 8. 15

Sonntag, 29. Dezember 2024

Form ist Absicht.

                     aus Über Ästhetik, Rohentwurf, 19.    
                                    
'Form ist geronnene Tätigkeit.'

Recte: Absichtsvolle Tätigkeit, die ihren Zweck erreicht, zeitigt jedesmal bestimmte Form. Je mehr aber die (bürgerliche) Lebenswelt (die Stadt) mit Dingen angefüllt ist, die aus ab-sichtsvoller Tätigkeit stammen (Arbeitsprodukte=Waren), kann es nicht ausbleiben, daß auch die anderen Dinge, die nicht aus Arbeit stammen, sondern von Natur aus ('in der Na-tur') da sind, so angeschaut werden, als ob sie aus absichtsvoller Tätigkeit stammten; also als ob ihre Form nicht eine zufällige, sondern eine beabsichtigte sei; als ob 'die Natur' ein Ar-beiter sei! Das nennt Kant dann "zweckmäßig ohne Zweck".

(Im Mittelalter galt 'Natur' noch als das schlechthin Formlose, Ungestalte - Wilde (nicht den Theologen vielleicht, aber den Lebenden; dagegen die Stadt Abbild des 'himmlischen Jeru-salem'; vid. romanische Kathedrale, Stadtgründungen im 12. Jahrhundert; Kloster-Gärten). - In der Renaissance erscheint sie als das zu-Gestaltende; Stadtplanung! Schloß-Parks (Villa D'Este/Tivoli, 1549)! - Rationalismus: 'französischer Garten' gegen die rohe Natur. - Mit der Aufklärung werden dann Kant & Co. nicht müde, sich immer wieder an der "wunderba-ren Zweckmäßigkeit" zu ergötzen, nach der die Natur angeblich sich selbst eingerichtet hät-te (englischer Garten als die Natur, wie sie sein sollte; Kants "Zweckmäßigkeit
ohne Zweck" par excellence. - Was nach anderthalb Jahrhunderten Darwinismus, da die Evolutionslehre in den Bestand des Volksvorurteils eingegangen ist, keiner mehr recht "nachvollziehen" kann...) Wenn aber in einer Naturform eine Absicht prima facie nicht zu erkennen war, dann machte das ihren Rätselcharakter aus - ihren ästhetischen Reiz!

Den Anblick des aufgepeitschten Meeres findet Kant bezeichnenderweise weder "schön" (verborgen zweckmäßig) noch "erhaben" (jenseits allen Maßes), sondern bloß...
"gräss-lich"! [KU/WW X, S. 166; man müsse sein "Gemüt schon mit mancherlei Ideen angefüllt haben", um dem Anblick was abzugewinnen.] Aber schon ein paar Jahre später - mit der Romantik, Anbruch der Moderne - hat man (=die Avantgarde, nicht der Vulgus) es dann satt, allent-halben von Zweckmäßigkeit (als dem Philistricum par excellence) umgeben zu sein, und ergötzt sich gerade an den Dingen, die nicht aus absichtsvoller Tätigkeit hervorgegangen sind - und nennt sie Natur, mit einer Emphase, die der Vokabel nie zuvor beigelegt worden ist.

[vgl. 22]




Nota.
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Samstag, 28. Dezember 2024

Bewusst sein ist handeln und kein Sach-Verhalt.

                                                                zu Wissenschaftslehre

Der alles entscheidende Mangel der künstlichen gegenüber der lebendigen Intelligenz ist, dass sie keinem organischen Leib innewohnt, der in der Welt ist. Der Mangel der tierischen Intelligenz ist, dass der organische Leib, dem sie innewohnt, nicht in einer Welt ist, sondern nur in seiner (!) Umwelt.

Künstliche Intelligenz reagiert auf Daten, die ihr anonym von außen zugeführt werden und die sie nicht beurteilen, aber miteinander verrechnen kann. Auch tierische Intelligenz rea-giert auf Daten - die sie nicht selber identifizieren muss, weil ihre Reaktionen genetisch pro-grammiert sind. Menschliche Intelligenz reagiert auf Daten, die sie unablässig in einer unge-stalten Menge auf- und aussucht, absichtsvoll zueinander in Beziehung setzt und daraus Schlüsse folgert. Denn sie ist in einer Welt, wo sie 'Daten' nicht nur aufnimmt, sondern auch eingibt.

*

Bewusstsein ist das Vermögen, die eigene Aufmerksamkeit zu richten  - man merkt auf etwas. Das setzt voraus, sich von etwas anderm unterschieden zu haben. Setzt es voraus? Nein, es ist es selbst, beides geschieht im selben Akt. Um mich selbst zu bemerken, muss ich Anderes von mir unterschieden haben - auch das geschieht im selben Akt. Bewusstsein ist von vorn das, was Selbstbewustsein von hinten ist; oder andersrum.

*

Anderes ist Fremdes. Die intelligente Maschine kennt nichs Fremdes: Was sie kennt, wurde ihr eingegeben; sie lernt es kennen als Bestandteil "ihrer selbst", aber ein Selbst hat sie nicht, weil ihr nichts Fremdes begegnet. Sie ist in keiner Welt: Eine Welt ist ein Reich von Anderm, und unter Bewusstsein versteht man die Absicht, es sich bekannt zu machen.

Ein Tier dagegen begegnet keinem Fremden. In seiner Umwelt kommt nur vor, was gat-tungsmäßig zu ihm schon in einem Verhältnis steht; Nahrung oder Fressfeind. Es kennt es, weil es genetisch in sein Verhaltenspotenzial eingeprägt ist. Es muss auf nichts merken, es reicht, dass es reagiert - möglichst schnell.

*

Der Schlüssel zum bewusst-Sein-meiner ist die Unterscheidung, ob die Gefühle, die mein Sensorium meinem Gehirn vermeldet, mir 'ganz von allein' zukommen, oder aus meinem Handeln stammen: daraus, dass meine Tätigkeit einen Widerstand er-fährt aus einem, das ihr entgegensteht und ihr als Gegen stand vorkommt. Der Unterschied ist nicht in ihm be-gründet, sondern in ihr, denn dass sie selber tätig ist, weiß sie, indem sie tut

Die Realität der Dinge ist dem Erlebenden verbürgt durch die Gefühle, die ihr Widerstand gegen seine Tätigkeit auslöst. Darauf kann er merken. Nicht nur seine Selbstgewissheit, son-dern auch seine Außenwahrnehmung entsteht als Interpretation, d. h. sinnhafte* Ausdeu-tung der Meldungen seiner Sinnesorgane an die Ner-venzellen in seinem Gehirn. Unter-scheiden nach 'innen' und 'außen' kann er nicht die Gefühle selbst, sondern durch seine Tätigkeit, die diese  hervorbringt und jene nicht. Die einen schreibt er den Gegenständen zu, auf die er 'selber' wirkt, die andern seinem Leib, der ihm erst durch diese Unterschei-dung zu seinem wird.

Diese Unterscheidung nennen wir Bewusstsein. Sie muss unentwegt erneuert werden, um über den Augenblick hinaus zu dauern.

*) Einen Sinn muss er eingangs selber hineinstecken, als Absicht. Die entsteht nicht aus (bewusster!) Reflexion, sondern begründet sie.

 

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Freitag, 27. Dezember 2024

Was heißt wissen? (Nominaldefinition.)

                                           zu Wissenschaftslehre

Wirkliches Wissen ist ein solches, das erlaubt, in Raum und Zeit gesetzte Zwecke zu verfol-gen. Wirklich ist Wissen, das aus Raum und Zeit kommt und sich in Raum und Zeit verge-genständlicht. Es entsteht ausschließlich durch Erfahrung. Erfahrung ist die Synthesis aus Anschauung und Begriff. Die Anschauung erfasst das in Raum und Zeit Gegebene; der Be-griff projiziert einen Zweck hinein.

Wissen entsteht nicht ohne Absicht. Wissen heißt, eine intentionale Grundhaltung an iden-tifizierten Gegenständen bestimmen. Was immer an reellem Wissen als intelligibel erscheint, entstammt diesem intentionalen Apriori; was immer daran als material erscheint, stammt aus Raum und Zeit. Dieses ist Geist, jenes ist Stoff, dieses ist das Subjektive, jenes ist das Objektive am Prozess des Wissens. Denn ein Prozess ist wissen: Sein Anfang ist unvor-denklich, sein Ende ist nicht abzusehen.

*

Nominal sind diese Definitionen, weil jede Bestimmung ihren Gegensatz immer schon vor-aussetzt. Bestimmungen sind real immer nur im aktuellen Vollzug; sobald sie als gegeben aufgefasst werden, verblassen sie zu Begriffen. Die Begriffe aber sind unverzichtbar, um das Verfahren rückblickend zu durchschauen und auf seine Richtigkeit zu prüfen. Nur so kommt das Wissen zu einem einstweiligen Zustand.

Bild: lernen

Das Objekt ist die Gedächtnisspur von einem Leiden.

renders-graphiques          aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Durch dieses Anschauen wird mein Zustand verändert. Ich werde frei und tätig, da ich im Gefühle leidend bin. Da alles Leiden aber doch bleibt, so wird es ein Objekt. Änderung in diesem Etwas muss sich bloß aus meiner Freiheit in der Anschauung erklären lassen.

Gefühl und Anschauung sind in demselben Momente und Zustand synthetisch vereinigt; dies ist ohne das andere nicht. Was Objekt des Gefühls ist, ist dasselbe, was es in der An-schauung ist auf dem philosophischen Gesichtspunkt; aber für das Ich ist es zweierlei, weil das Ich verschieden betrachtet wird. Einmal ist das Ich leidend, und dann ist es Gefühl der Beschränktheit; einmal ist es tätig, dann ist das Gefühlte Objekt. Kurz, die Anschauung ist das Gefühlte, nur bleibt es als Objekt der Anschauung kein Gefühltes, sondern ein Ange-schautes, Gesehenes, nicht auf das Ich bezogen. Im Bewusstsein erst wird es wieder auf das Ich bezogen.

/ So lässt sich auch erklären die synthetische Vereinigung der aus dem Gefühl genommenen Prädikate mit den Prädikaten, die aus der Anschauung genommen sind, welche außerdem sich nicht erklären ließen. Ich schmecke etwas Süßes und setze ein Stück Zucker; nun sage ich: Der Zucker ist süße. Hier wird das Gefühl auf einen Gegenstand der Anschauung über-tragen, und beide werden in demselben Moment vereinigt.
_________________________________________________________ 
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 82f.



Nota. - Nicht zu vergessen: Das Leiden geschieht nicht, weil ein Etwas, das nicht ich ist, auf mein Ich einwirkt, sondern weil ich auf ein Etwas einwirke, das meiner Tätigkeit seinen Wi-derstand entgegensetzt. Diesen Widerstand erleide ich, dieses Leiden nennt Fichte Gefühl. Anschauung ist das Aufmerken auf dieses Gefühl und sein Bestimmen als dieses; als ein Objekt.
JE,
27. 3. 20

Donnerstag, 26. Dezember 2024

Gültige Bedürfnisse.

Doré, Gargantuas Kindheit                                             aus Marxiana

Bedürfnis setzt Gebrauchswert. Den Tauschwert setzt die Nachfrage. Nachfrage ist das Be-dürfnis, das gesellschaftlich gilt; Bedürfnis, das sich in Tauschwert ausdrückt. Es ist das in Tauschwert ausgedrückte Bedürfnis, das darüber entscheidet, ob die darauf zu verwendende Arbeitszeit 'gesellschaftlich notwendig' ist. Das Quantum des gebotenen Tauschwerts ent-scheidet über den Grad der Notwendigkeit.

'Tauschwert ist gesellschaftlicher Gebrauchswert' (Rodbertus) ist nur dann mystifizierend, wenn Gesellschaft als Abstraktum genommen wird; wenn unbedacht bleibt, dass die wirkli-chen Gesellschaften in gegensätzliche Interessengruppen gespalten sind. Ausgedrückt ist die Spaltung der Gesellschaft in der unterschiedlichen Gültigkeit der verschiedenen Bedürf-nisse:

Ein individuelles Bedürfnis (nach Gebrauchswert) gilt als gesellschaftliche Nachfrage (nach Tauschwert) nur, wenn es als 'Kommando über fremde Arbeitskraft' auftritt. Tritt es lediglich als Kommando über eigne Arbeitskraft auf, muss es diese erst zu Geld machen, "veräußern", in 'Kommando über fremde Arbeitskraft' umtauschen, um zu gesellschaftlicher Geltung zu gelangen. Gelingt ihr das nicht, wird sie nicht als Nachfrage geltend, bleibt privat, fällt gesellschaftlich nicht ins Gewicht. - Nicht die konkrete Arbeit zählt, sondern die anteilige Verfügung über das Abstraktum Arbeits-kraft. aus Abschied vom Tauschwert, Anm. 6


Das Maß gesellschaftlicher Geltung ist Kommando über Arbeitszeit;  nämlich in der in Klassen gespaltenen Gesellschaft.
16. 8. 15

 

 

Dienstag, 24. Dezember 2024

Bedeutungen sind keine Eigenschaften.

                                                          aus Philosophierungen

Bedeutungen sind keine Eigen schaften von Sachen, sondern Handlungs möglichkeiten eines Subjekts. Grün ist nicht der Baum; sondern wenn ich ihn sehe, sehe ich ihn so. Ich kann ihn auch groß oder klein sehen oder nah oder fern - aber stets so und nicht anders. Dass ich nicht anders kann, mag wohl irgendwie an ihm liegen. Aber stets bin ich es, der nicht anders kann.  
21. 4. 15 

Wie kommt der Mensch zu einer Handlung? Indem er eine Absicht fasst und sie ausführt. Die Zweckhaftigkeit entsteht nicht während der Ausführung, sondern geht ihr voraus. Die Bedeutungen, Merkmale oder Eigenschaften der Dinge sind, so wie sie im Begriff zusam-mengefasst sind, denkbare Zwecke eines Handelnden. Der Zweckbegriff ist nach Fichte der genetische und generische Ursprung allen Begreifens.
23. 6. 18




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Montag, 23. Dezember 2024

Teilen und mitteilen und ihre Voraussetzung.

pixabay                                                                zu Philosophierungen

Wenn ich die Sache als Eine und einzelne ansehe, ist sie nicht mitteilbar, weil sie nicht teil-bar ist. Mitteilbar würde sie, wenn ich sie als - ein und dieses - Ensemble von Merkmalen ansähe: Das Merkmal, das ich an ihr bemerke, kann ich in meiner Vorstellungen von ihr - und möglichen anderen ihrer Merkmale - ablösen und womöglich an andern Sachen wie-dererkennen. Das kann ich mitteilen, indem ich das Merkmal jeweils mit einem Symbol auszeichne.

Wenn ich nun ein Merk-Mal an ihr finde, das ich nie zuvor, noch nie an einer andern Sache bemerkt habe? Dann gibt's nichts zu vergleichen und gibt's nichts mitzuteilen. Dann ist es selbst ein Einzelnes, ich kann es lediglich anschauen und als Bild in meiner Erinnerung zu behalten hoffen. Kann ich das Bild nachzeichnen, kann ich es nach Hause tragen und einem andern zeigen; um es ihm mitzuteilen, müsste ich es schon noch kopieren. Oder könnte, wenn ich es doch noch an einer andern Sache wiederfinde, mit dem Finger darauf zeigen und sagen: da! 

Dann weiß er, wovon ich rede, und wir können dem einen Namen geben. Den nennt man dann einen Begriff.


*

Es sind die Absichten der Menschen, an denen die Dinge ihre Merkmale bekunden. Nun mag das Merkmal, das 'sich zeigt', ein Singulum sein. Aber meine Absicht ist es nicht, sie lebt zusammen mit vielen ihresgleichen, die sich wiederum nur durch die Merkmale unter-scheiden lassen, die an den Dingen hervor bringen. Was trinkbar ist, weiß ich zwar nur, weil ich Durst habe, aber
was Durst ist, weiß ich nur, weil ich weiß, was trinken ist. Wohlbemerkt: Ich hätte ihn wohl auch, wenn ich nie erfahren könnte, was trinken ist, wenngleich nur drei Tage lang; aber ich wüsste nicht, was er ist!

Es ist also nicht möglich, von den Absichten der Menschen unmittelbar, ohne Umweg über die Sachen und die Merkmale, die sie aufweisen, zu den Begriffen zu kommen, denn ohne sie ließen sich die Absichten nicht bestimmen; aber da mussten sie sein, sonst wäre nichts zur Erscheinung gekommen.

*

Das ist eine Kurzfassung der Wissenschaftslehre.

29. 12. 17




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Sonntag, 22. Dezember 2024

Historisch kommt das Kapital aus dem Grundeigentum her.

ingolstadt                                                           aus Marxiana

Innerhalb des Systems der bürgerlichen Gesellschaft daher folgt auf den Werth unmittelbar das Capital. 

In der Geschichte gehn andre Systeme vor, die die materielle Grundlage der unvollkomm-nern Werthentwicklung bilden. Wie der Tauschwerth hier nur nebenher spielt neben dem Gebrauchswerth, erscheint nicht das Capital sondern das Grundeigenthumsverhältniß als seine reale Basis. 

Das moderne Grundeigenthum kann dagegen gar nicht begriffen werden, weil es nicht exi-stiren kann, ohne die Voraussetzung des Capitals und es erscheint historisch in der That als eine durch das Capital bewirkte, sich adaequat gesezte Form der vorhergehenden histori-schen Gestalt des Grundeigenthums. Es ist grade in der Entwicklung des Grundeigenthums, worin daher der allmählige Sieg und Herausbildung des Capitals studirt werden kann, weß-wegen Ricardo, der Oekonom der modernen Zeit, mit grossem historischen Sinn die Ver-hältnisse von Capital, Lohnarbeit, und Grundrente innerhalb der Grenzen des Grundei-genthums betrachtet hat, um sie in ihrer spezifischen Form zu fixiren. 

Das Verhältniß des industriellen Capitalisten zum Grundeigenthümer erscheint als ausser-halb des Grundeigenthums liegende Beziehung. Aber als Verhältniß des modernen farmer zum Grundrentner erscheint es als immanentes Verhältniß des Grundeigenthums selbst und das andre als nur in seiner Beziehung zum Capital mehr existirend, gesezt. Die Ge-schichte des Grundeigenthums, die die allmählige Verwandlung des Feudalen Landlords in den Grundrentner, des erbsässigen halbtributären und oft unfreien Leibpächters in den mo-dernen Farmer, und der dem Grunde angehörigen angesessenen Leibeignen und Frohnbäu-ern in Ackerbautaglöhner nachwiese, wäre in der That die Geschichte der Bildung des mo-dernen Capitals. Sie würde die Beziehung zum städtischen Capital, Handel etc in sich schliessen. 

Wir haben es aber hier mit der gewordnen, auf ihrer eignen Grundlage sich bewegenden bürgerlichen Gesellschaft zu thun.
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K. Marx, GrundrisseMEGA II/1.1, S. 175 [MEW 42, S. 177f.] 

Nota. - Hier sind wir noch in Heft II des Manuskripts der Grundrisse. Noch 'folgt auf den Wert unmittelbar das Kapital'; nämlich für die logische Betrachtung. Dass die historische Betrachtung vielmehr die Entwicklung des Kapitals aus dem Grundeigentum betrachten müsste, bemerkt Marx schon; aber er glaubt immer noch, den logischen Prozess unabhängig von und vor der historischen Entwicklung darstellen zu können. So wird er das eine ums andre Mal versuchen, den Begriff des Mehrwerts aus dem Begriff des Werts zu entwickeln. 

Es wird ihm nicht gelingen, und so entschließt er sich schließlich in Heft VII, die histori-sche Darstellung der sogenannten ursprünglichen Akkumulation des Kapitals selbst zu unternehmen und die Vertreibung des Landvolks vom Boden als historisch faktische Be-dingung der Lohnarbeit und insofern als 'logische' Voraussetzung der Mehrwerts zu be-schreiben: im sog. "Formenkapitel", MEW 42, S. 383-420.
JE, 22. 8. 15



Samstag, 21. Dezember 2024

Was begrifflich vorhergeht, kommt historisch danach.

                                                                                 aus Marxiana

Wenn in der Theorie der Begriff des Werths dem des Capitals vorhergeht, andrerseits aber zu seiner reinen Entwicklung wieder eine auf das Capital gegründete Productionsweise un-terstellt, so findet dasselbe in der Praxis statt. Die Oekonomen betrachten daher das Kapital auch nothwendig bald als Schöpfer der Werthe, Quelle derselben, wie andrerseits sie Werthe für die Bildung des Capitals voraussetzen und es selbst nur als eine Summe von Werthen in einer bestimmten Function darstellen. 

Die Existenz des Werths in seiner Reinheit und Allgemeinheit sezt eine Productionsweise voraus, worin das einzelne Product aufgehört hat, ein solches für den Producenten über-haupt und noch mehr für den einzelnen Arbeiter zu sein und ohne die Realisirung durch die Circulation nichts ist. Es ist keine formelle Bestimmung für den, der einen Infinitesimaltheil einer Elle Cattun schafft, daß sie Werth ist, Tauschwerth. Wenn er nicht einen Tauschwerth, Geld geschaffen, hätte er überhaupt nichts geschaffen. Diese Werthbestimmung selbst hat also zu ihrer Voraussetzung eine gegebne historische Stufe der gesellschaftlichen Producti-onsweise und ist selbst ein mit derselben gegebnes, also historisches Verhältnis. 
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K.  Marx, Grundrisse, MEGA II/1.1  S. 174 [MEW 42, S. 177]


Nota. – Erinnert sich noch einer? Bis 1990 gab es auf Erden ein kollektivistisches, "sozia-listisches" Gesellschaftssystem mit (mehr oder weniger) zentral gelenkter Staatswirtschaft, das sich mühte, den 'Wert' der Produktion zu ermitteln, ohne zu bemerken, dass das Pro-blem dabei kein technisches – das Ermitteln – war, sondern dass ihre Produkte schlicht und einfach einen 'Wert' nicht hatten. Sie hatten Gebrauchswert, meist einen geringen, aber Tauschwert hatten sie gar nicht. In Millionenauflage erschienen Lehrbücher der Politischen Ökonomie des Sozialismus, in denen allen Ernstes von 'sozialistischer Marktwirtschaft' die Rede war - Markt ohne Kapitalverhältnis! Markt ohne Konkurrenz! Wert ohne... Austausch von Arbeit und Kapital. 

Im selben Staatsverlag erschienen in der Regel die Werke von Marx zur Kritik der Politi-schen Ökonomie. Wie war solcher Schwachsinn möglich? Ganz einfach: Es gab keine öffentliche Kritik. Was immer der Staatsverlag druckte, war das jeweils letzte Wort. Dass dieses Gesellschaftssystem untergegangen ist, ist sachlich nicht schade. Gedanklich hat es den Verdienst, dass jene Verheerung des Geistes zu einem Ende gekommen ist.
JE, 18. 10.. 15



Freitag, 20. Dezember 2024

Die Bedingungen für die Entstehung des Systems sind nicht die Regeln seines Fortbestands.

                                                                                            aus Marxiana 
 
Wenn z. B. das Weglaufen der Leibeignen in die Städte eine der historischen Bedingungen und Voraussetzungen des Städtewesens ist, so ist es keine Bedingung, kein Moment der Wirklichkeit des ausgebildeten Städtewesens, sondern gehört zu seinen vergangnen Voraus-setzungen, den Voraussetzungen seines Werdens, die in seinem Dasein aufgehoben sind. Die Bedingungen und Voraussetzungen des Werdens, des Entstehns des Capitals unter-stellen eben, daß es noch nicht ist, sondern erst wird; sie verschwinden also mit dem wirk-lichen Capital, mit dem Capital das selbst, von seiner Wirklichkeit ausgehend, die Bedingun-gen seiner Verwirklichung sezt. 

So z. B. wenn bei dem ursprünglichen Werden des Geldes oder des für sich seienden Werths zu Capital eine Accumulation – sei es durch Ersparung an den durch eigne Arbeit geschaffnen Producten und Werthen etc – auf Seiten des Capitalisten vorausgesezt ist, die er als Nichtcapitalist vollbracht hat – wenn also die Voraussetzungen des Werdens des Gel-des zu Capital als gegebne äussere Voraussetzungen für die Entstehung des Capitals erschei-nen – so, sobald das Capital als solches geworden ist, schafft es seine eignen Voraussetzun-gen, nämlich den Besitz der realen Bedingungen für Schöpfung von Neuwerthen ohne Aus-tausch – durch seinen eignen Productionsprocess. 

Diese Voraussetzungen, die ursprünglich als Bedingungen seines Werdens erschienen – und daher noch nicht von seiner Action als Capital entspringen konnten – erscheinen jezt als Re-sultate seiner eignen Verwirklichung, Wirklichkeit, als gesezt von ihm – nicht als Bedingun-gen seines Entstehens, sondern als Resultate seines Daseins. Es geht nicht mehr von Vor-aussetzungen aus, um zu werden, sondern ist selbst vorausgesezt, und von sich ausgehend, schafft die Voraussetzungen seiner Erhaltung und Wachsthums selbst. 
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K. Marx, Grundrisse, MEGA II/1.2, S. 368 [MEW 42, S. 372]


Nota. - Der 'Grund' eines Systems liegt außerhalb seiner und kommt in ihm nicht vor, und die immanente, "logische" Analyse kann ihn nicht ergründen. - Dieser Gedanke kommt in der ontologischen Dialektik Hegels natürlich nicht vor: Da ist durchgehend das Eine, als Substanz gefasste Große Subjekt am Wirken. Nun ist Hegels Dialektik eine dogmatische Parodie der kritischen, analytisch-synthetischen Methode Fichtes. Der Gedanke, dass der Grund eines Systems nur außerhalb seiner gefunden werden kann, ist dort ein durchgän-giges Denkmotiv. Wer das, was an Hegel allenfalls brauchbar ist, vom Kopf auf die Füße stellen will, wird sich bei Fichte wiederfinden.
JE 28. 8. 15





Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.

Noumena.*

                                        zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik    Ein Begriff, der uns in die intelli...