Samstag, 31. August 2024

Die Grundform allen Bestimmens ist das sich-selbst-Bestimmen.

M. Ernst                      aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik
 
Im ganzen Bewusstsein komme ich nur immer vor als Vermögen. Wir wollten das Bewusst-sein der Agilität des Ich ableiten nicht als etwas, das geschehen ist, sondern als etwas unmit-telbar Geschehendes. Oben argumentierten wir so: Ich finde meine eigene physische Kraft als bewegt; durch sie hindurch erblicke ich ein Objekt als Resultat meiner Kausalität; aber wie wird die physische Kraft die meinige? 

Ich beziehe diese Bestimmtheit derselben auf mein Selbstbestimmen, welches ich voraus-setze als Erklärungsgrund. Demnach entsteht die höhere Frage: Wie werde ich mir meines Selbstbestimmens bewusst? Dies haben wir zuletzt erörtert.
_________________________________________________________  
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 205


Nota I. - Bestimmen kann ich nicht, ohne davon zu wissen. Ich kann überhaupt von nichts anderem wissen, als von meinem Bestimmen. Das Wissen von mir als Bestimmenden ist die Bedingung von allem Wissen. Das Bewusstsein meiner schafft die Dimension bewussten Seins schlechthin.
17. 6. 20   

Nota II.. - Sich-setzen ist eine reale Tätigkeit, sich-bestimmen  ist ein Reflektieren darauf; ist ideale Tätigkeit und geschieht noch nur im Vorstellen.
 JE           


 

Freitag, 30. August 2024

Ästhetisch heißt: als unbestimmt bestimmt.

               zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik,  zu Geschmackssachen
 
So lässt sich alles Handeln denken als ein Einschränken in eine gewisse Sphäre. Alles Be-wusstsein ist ein Bewusstsein unseres Einschränkens unserer Tätigkeit, und kann ich mich nicht anschauen als beschränkend, ohne ein Übergehen von der Un-bestimmtheit zur Be-stimmtheit zu setzen, also ohne Unbestimmtheit mit zu setzen. Auf diesen Punkt kommt viel an.
_________________________________________________________
 J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo Hamburg 1982,
S. 35 


 
Nota I. - Kommt viel an: denn an sich sind die Dinge weder bestimmt noch unbestimmt; 'an sich' sind sie gar nicht; weder bestimmt noch unbestimmt. Bestimmt oder unbestimmt sind sie für diesen oder jenen - oder aber sie sind nicht: und sind nicht dieses oder jenes. 
 
Nota II. - Wird der Mensch als schlechthin tätig gedacht, dann ist jede wirkliche Tätigkeit eine Beschränkung dieser Tätigkeit-überhaupt. Und die Beschränkung ist eine Bestimmung. Unbeschränkt hieße unbestimmt.
11. 12. 23 

Nota III. - Das ist die 'Bestimmung', das heißt: Anti bestimmung des Ästhetischen: Ästhe-tisch nennen wir, was als unbestimmt bestimmt ist. Genauer genommen: was ent bestimmt wurde -  so, als ob unsere Tätigkeit nie eingeschränkt worden wäre.
JE, 29. 8. 2024
 


 
 
Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

Donnerstag, 29. August 2024

Nur als Aufgabe.

                                          aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

... kann nur eine Idee sein; ein bloßer Gedanke in uns, von welchem gar nicht vorgegeben wird, daß ihm in der wirklichen Welt außer uns etwas entspräche. Ideen können unmittelbar nicht gedacht werden. Sie sind Aufgaben eines Denkens, und nur, inwiefern wenigstens die Aufgabe begriffen werden kann, kommen sie in unserm Bewußtsein vor.
______________________________________________________________________
J. G. Fichte, Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre, [Gesamtausgabe, Bd. 1.2, S. 133]



Nota. - In der Wirklichkeit gibt es vernünftige Handlungen und solche, die es nicht sind. Vernunft dagegen ist eine Idee.
14. 6. 20



Nota. Das obige Foto gehört mit nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE 

Mittwoch, 28. August 2024

Ein Objektives kommt nur im Denken vor.

dailymotion                       aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Man sieht hier, wie aus der intelligiblen Welt ein sinnliche Welt entstehen kann dadurch:

1) Wir müssen alle diskursiv denken.
2) Wir müssen allem Bestimmten ein Bestimmbares voraussetzen.
3) Das vorauszusetzenden Bestimmbare bekommt den Charakter der Objektivität. (Es erscheint als ein Gefundenes, Gegebenes, ohne unser Zutun Vorhandenes.)

Des Übergehens, es mag nun sein ein Übergehen des Denkens oder des Wollens, werde ich mir bewusst als meines eignen Wirkens; es setzt aber allemal ein Bestimmbares voraus, von dem übergegangen wird, und insofern ist das Bestimmbare gegeben. Es kommt nicht vor, außer in wiefern ich es denke, aber wenn ich denke und will, so kommt es vor als mein Denken und Wollen bedingend als ein Gefundenes.
________________________________________________________
J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 147


Nota. - Dies für Leser, die neu auf diese Seiten gekommen sind: 

Hier steht nicht: Das Bestimmbare, Objektive ist nur, insofern ich denke. Vom Sein ist in der Wissenschaftslehre gar nicht die Rede, sondern vom Wissen. Sondern das Bestimmbare kommt vor, sofern ich will und denke. Wissenschaftslehr handelt davon, wie es kommt, dass uns etwas vorkommt. Sie sagt aber nicht, 'dass uns das nur so vorkommt'! Von etwas, das uns nicht vorkommt, können wir nichts wissen, und über das, wovon wir nichts wissen, sollten wir nicht reden.
JE,
5. 9. 15

Dienstag, 27. August 2024

Durchschnitt und Subjektität.

 Ike B.                                                                 aus Marxiana

Was immer sich generisch über 'die bürgerliche Gesellschaft' aussagen lässt, gilt jeweils nur im Durchschnitt. 'Begriffe' sind Abstraktionen von je individuellen Aktionen und Interaktionen zum Zweck der Reflexion. Die Durchschnittsgrößen, die im Verlauf des Marktgeschehens ausgemittelt werden, sind keine Ganzheiten, sondern Verallgemeinerung. Verallgemeinerung ist auch 'das Arbeitsvermögen'. Ein Ganzes kann es nur werden durch 'Bildung zur Partei'.

6) Das Ganze oder das Allgemeine

‘Wirklich’, d.h. wirkend, ist das ‘allgemeine Arbeitsvermögen’ nur auf dem Standpunkt des gesellschaftlichen  G a n z e n. Jedoch ist ‚die Gesellschaft‘ ein ’Ganzes’  n u r  in der  V o r-s t e l l u n g   (als ein  V e r h ä l t n i s ); empirisch ist sie dagegen nur ein endloser  Strom indi-vidueller Austauschakte, vermittelt durch die  K o n k u r r e n z:  diese  r e d u z i e r t  qua ‚allgemeines Äquivalent‘ die verschiedenen Arbeiten auf ‚Arbeit überhaupt‘: „abstrakt allgemeine Arbeit”, und diese Abstraktion vollzieht sie  r e a l : nämlich als  D u r c h -
 s c h n i t t. Also was im Begriff ‘Arbeitsvermögen’ dargestellt ist, existiert empirisch nur als ein Durchschnitt von vielen Arbeiten, und dieser Durchschnitt ist wiederum das Medium des gesellschaftlichen Zusammenhangs - als Parameter der individuellen Austauschakte. Aber ein Durchschnitt ist eben kein ‚Ganzes’, sondern ein Allgemeines; d.h. empirisch real ist nur die (unbestimmte) Menge - “unendliche Mannigfaltigkeit” - von individuellen An-bietern bestimmter Arbeitskräfte: Das ist die “Klasse an sich” der marxologischen Literatur, reines Ausbeutungsmaterial, das ein ’Ganzes’ darstellt  f ü r  das ihr gegenüberstehende Kapital - also gerade  n i c h t  ‘an sich’.

‘Klasse’ wird diese empirische Menge nur, insofern sie sich wirklich, d.h. wirkend dem Kapital entgegen s e t z t , “sich zur Klasse  b i l d e t” (und sei es nur ‘an sich für sich‘, faktisch, noch ohne das bestimmte Bewußtsein davon: ‘für sich für sich’); ‘zur Klasse bilden’ heißt: “zur politischen Partei”.

Und hier stoßen wir auf die dritte Gestalt des ‘Arbeitsvermögens’ bei K. M.: die “Arbeiter-klasse” als transzendentale ‘Idee’, sowohl erkenntnisleitendes, ‘regulatives’ Prinzip als auch -sofern die Erkenntnis nämlich praktisch, d. h. politisch, m o t i v i e r t  ist - als “praktisches Postulat”, nicht Bestimmtheit, sondern Bestimmung, d.h. nicht  S e i n, sondern  S o l l e n.

In keiner der drei Gestalten, in denen das Arbeitsvermögen in der ‘Kritik der politischen Ökonomie‘ vorkommt, handelt es sich um ein substantes Subjekt: Als bloßes ‘Vermögen’ ist es logisches Konstrukt, lediglich Erklärungsgrund eines empirisch Wirklichen; transzenden-tale Voraussetzung, keineswegs selber Realie;

- als empirische Realität ist es bloß faktische Addition  (p r o z e s s i e r e n d e:  also nicht einmal endliche  S u m m e)  individuell Gegebner; als solche nicht handelnd (‘wirkend’), sondern lediglich ‘leidend’; also   g a r   k e i n  ’Subjekt‘ - zur “Arbeiterklasse” wird diese empirische Menge nur, sofern sie handelnd sich als solche setzt; wirkliches, weil wirkendes Subjekt wird sie nur durch  E n t g e g e n setzung, nämlich effektive.


aus Marx und Fichte, im Sept. 1987

Sonntag, 25. August 2024

Apagogik und bestimmte Negation.

Katzenaugennebel                                                                           zu Marxiana

Kurze Geschichte der Kritik der Politischen Ökonomie. 

Die Kritik der Politischen Ökonomie ist als Ganzes Apagogik. Sie sei nicht eine nachträg-liche theoretische Begründung des praktischen kommunistischen Programms, meinte Vilfredo Pareto, sondern ein kritischer Anhang dazu: bestimmt, es vorab gegen die Ein-wände zu rechtfertigen, die seitens der bürgerlichen Ökonomen vorgebracht werden wür-den - indem es deren Voraussetzung ad absurdum führte.

Das apagogische Verfahren ist problematisch, weil allezeit umstritten sein wird, welche Negation dieses oder jenen Standpunkts die bestimmte ist. Es wäre die, welche dessen eigentlichen logischen Kern trifft. Welches war der logische Kern der Politischen Ökono-mie? Sie sagte es selbst: Es war das Wertgesetz. Die bestimmte Negation der Politischen Ökonomie war die Widerlegung des Wertgesetzes. 

Es begann mit Friedrich Engels' Beitrag zur einzigen Ausgabe der von Karl Marx und Arnolf Ruge herausgegebenen Deutsch-Französischen Jahrbücher: "Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" (Paris 1844), der die Arbeitsgemeinschaft von Marx und Engels und mit ihr die Kritik der Politischen Ökonomie begründete.

Engels hat die Geltung des Wertgesetzes ausdrücklich bestritten. Wenn es zuträfe, dass auf dem Mrkt alle Güter nach Maßgabe der in ihnen vergegeänständlichten Arbeit ausgetauscht werden, gäbe es keinen Unternehmergewinn. Die vom Arbeiter dem Stoff zugefügte Arbeit würde ihm im Lohn auf Heller und Pfennig ausbezahlt und es käme nirgend mehr heraus, als was hineingesteckt wurde. Bekanntlich macht das Kapital aber Gewinn, denn nur da-durch ist es Kapital.

Ab da begann Marx seine Beschäftigung mit der besonderen bürgerlichen Produktionswei-se. Die Absicht war nicht die Ausarbeitung einer allgemeinen Theorie des Wirtschaftens. Es ging von Anfang an darum, die Herkunft des Kapitalsgewinns aufzuklären, denn sachlich ist sie ein Rätsel. Mit der Vertiefung in die Geschichte der ökonomischen Lehre musste Marx aber feststellen, dass theoretisch alles in Ordnung war mit Smith-Ricardos Herleitung des Wertgesetzes. Noch in Zur Kritik der politischen Ökonomie von 1859 hat er das Wert-gesetz nicht öffentlich in Frage gestellt, und auch in seinen ersten Ausarbeitungen zu dem Manuskript-Korpus, das später als Grundrisse bekannt wurde, findet sich keine Ahnung davon. Doch als er  versuchte, mit Hilfe der Hegel'schen Dialektik aus dem bloßen Begriff des Kapital einen Mehr wert heraus zu zaubern, der während des Produktionsprozesses  zu ''Austausch gleicher Werte" hinzukäme, blieb er im Gewirr der Wörter stecken. 

Das war ein echtes Problem: Das Problem der Politischen Ökonomie scheint zu sei, dass das Wertgesetz gleichzeitig gilt und nicht gilt. Es ist wahr, dass der Lohnarbeiter in einer ausgebildeten Marktwirtschaft "kriegt, was er verdient". Wahr ist aber auch, dass Kapital Profit macht. Und wahr ist, dass er woanders als aus dem unmittelbaren Austausch zwi-schen Kapital und Arbeit im Produktionsprozess nicht herkommen kann.

Das Mysterium findet seine Klärung darin, dass zwar das Kapital das ganze Produkt, das aus dem Arbeitsprozess hervorgeht, einstreicht; aber nicht die darin enthaltene Arbeit be-zahlt, sondern nur den Preis, den anteilig Produktion und Reproduktion der Arbeitskraft kosten. Also die Lebensunterhaltungskosten des Arbeiters und seiner Nachkommenschaft - wie hoch sie immer seien.  

Und wie das? Weil der Arbeiter keine Produkte auf den Markt trägt, für die er den vollen Gegenwert erhält, denn er kann allein gar nicht arbeiten, weil ihm dazu die Mittel fehlen - Werkzeug und Rohstoff. Also besitzt er kein Produkkt, das er zu seinem Wert als Ware gegen Kapital eintauschen kann, das ihm als Arbeitsmittel dienen könnte. Die einzige Ware, die er zu Markte tragen kann, ist seine Arbeitskraft, so roh sie ist; sie tauscht er zu ihrem Wert. Und ihr Wert ist, wie der jeder anderen Ware, der Wert, den ihre Produktion gekostet hat: der Wert der Waren, die er für seinen Lebensunterhalt verbraucht.

 

 

Das ist die "ursprüngliche Akkumulation", aus dem das Kapital entstand, das ihm nun fix und fertig beim Tausch gegenübersteht: die Trennung der Arbeit von ihrer sachlichen Be-dingung, und das war die Vertreibung der Bauernschaft von ihren Äckern; sie war längst erfolgt und ist Geschichte. Sie ist nicht ökonomisch geschehen durch Austausch, sondern durch Gewalt. Die Bedingungen der Entstehung des Kapitals waren nicht dieselben wie die Bedingungen seiner Reproduktion. 

Erst im fünften Heft des Manuskripts zu den sog. Grundrissen wird sich Marx darüber klar. Es folgt das Kapitel "Formen, die der kapitalistischen Produktionsweise vorangehen", in dem der Prozess der Enteignung der Landbevölkerung dargestellt wird. Statt um ein theo-retisches System geht es nun um Realgeschichte. Erst hier wird Marx klar, dass es sich nicht um eine immanente Darstellung der bürgerlichen Produktionsweise handelt, sondern um Kritik eines theoretischen Gebäudes, das ein System gar nicht war, weil es auf anderen Vor-aussetzungen beruhte, als es behauptete. 

Und darum ergänzte Marx die ursprüngliche Überschrift von Heft V Polititcal Economy durch den Nachsatz Criticism of. Das waren keine Grundrisse, sondern deren mühsame Geburt. Das apagogische Verfahren war Marx ganz von selbst unterlaufen beim Versuch der Darstellung

Doch ohne eine vorgängige praktische Absicht wäre es nicht geschehen. Sonst hätte Den Ökonomen selbst was auffallen müssen.



Samstag, 24. August 2024

Marx' apagogisches Verfahren.

Luca Giordano, Apoll häutet Marsyas                                          zu Marxiana

Wie also wird der regulirende Preis des Arbeitslohns bestimmt, der Preis um den seine Marktpreise oscilliren? 

Wir wollen sagen durch Nachfrage und Zufuhr von Arbeitskraft. Aber von welcher Nach-frage der Arbeitskraft handelt es sich? Von der Nachfrage des Kapitals. Die Nachfrage nach Arbeit ist also gleich der Zufuhr von Kapital. Um von Zufuhr von Kapital zu sprechen, müssen wir vor allem wissen, was Kapital ist. 

Woraus besteht das Kapital? Nehmen wir seine einfachste Erscheinung: Aus Geld und Waaren. Aber Geld ist bloß eine Form der Waare. Also aus Waaren. Aber der Werth der Waaren ist nach der Voraussetzung in erster Instanz bestimmt durch den Preis der sie producirenden Arbeit, den Arbeitslohn. Der Arbeitslohn wird hier vorausgesetzt und behandelt als konstituirendes Element des Preises der Waaren. 

Dieser Preis soll nun bestimmt werden, durch das Verhältniß der angebotnen Arbeit zum Kapital. Der Preis des Kapitals selbst ist gleich dem Preis der Waaren, woraus es besteht. Die Nachfrage des Kapitals nach Arbeit ist gleich der Zufuhr des Kapitals. Und die Zufuhr des Kapitals ist gleich der Zufuhr einer Waarensumme von gegebnem Preis, und dieser Preis ist in erster Instanz regulirt durch den Preis der Arbeit, und der Preis der Arbeit ist seinerseits wieder gleich dem Theil des Waarenpreises, woraus das variable Kapital besteht, das an den Arbeiter im Austausch für seine Arbeit abgetreten wird; und der Preis der Waa-ren, woraus dies variable Kapital besteht, ist selbst wieder in erster Reihe bestimmt durch den Preis der Arbeit; denn er ist bestimmt durch die Preise von Arbeitslohn, Profit und Rente. Um den Arbeitslohn zu bestimmen, können wir also nicht das Kapital voraussetzen, da der Werth des Kapitals selbst durch den Arbeitslohn mit bestimmt ist. /

Außerdem nützt uns das Hereinbringen der Konkurrenz nichts. Die Konkurrenz macht die Marktpreise der Arbeit steigen oder fallen. Aber gesetzt, Nachfrage und Zufuhr von Arbeit decken sich. Wodurch wird dann der Arbeitslohn bestimmt? Durch die Konkurrenz. Aber es ist eben vorausgesetzt, daß die Konkurrenz aufhört zu bestimmen, daß sie durch das Gleichgewicht ihrer beiden entgegenstrebenden Kräfte ihre Wirkung aufhebt. Wir wollen ja gerade den natürlichen Preis des Arbeitslohns finden, d. h. den Preis der Arbeit, der nicht von der Konkurrenz regulirt wird, sondern sie umgekehrt regulirt. 

Es bleibt nichts übrig als den nothwendigen Preis der Arbeit durch die nothwendigen Le-bensmittel des Arbeiters zu bestimmen. Aber diese Lebensmittel sind Waaren, die einen Preis haben. Der Preis der Arbeit ist also durch den Preis der nothwendigen Lebensmittel bestimmt, und der Preis der Lebensmittel ist, wie der aller andern Waaren, in erster Linie durch den Preis der Arbeit bestimmt. Also ist der durch den Preis der Lebensmittel be-stimmte Preis der Arbeit durch den Preis der Arbeit bestimmt. Der Preis der Arbeit ist durch sich selbst bestimmt. In andren Worten, wir wissen nicht, wodurch der Preis der Arbeit bestimmt ist. 

Die Arbeit hat hier überhaupt einen Preis, weil sie als Waare betrachtet wird. Um also von dem Preis der Arbeit zu sprechen, müssen wir wissen, was Preis überhaupt ist. Aber was Preis überhaupt ist, erfahren wir auf diesem Wege erst recht nicht. 
_________________________________________________________
K. Marx, Das Kapital III, MEGA II/15, S. 836f. [MEW 25, S. 871f.]


Nota. - Apagogisch nennt man eine Beweisführung durch Negation des bestimmten Ge-gensatzes. Hier führt Marx die Erklärung des Preises der Arbeit durch den Preis der Le-bensmittel des Arbeiters ad absurdum. Es muss in der Umkehrung folgen das Auffinden des bestimmten Gegensatzes zu dieser Erklärung. 

Es wird nicht sein: eine andere Bestimmung des Preises, sondern: die Auffindung dessen, wovon die Lebensmittel des Arbeiters wirklich der Preis sind; nämlich nicht der Arbeit, sondern des Arbeitsvermögens. Eine positive Demonstration hätte man ihm glauben kön-nen oder nicht. Doch indem jene Bestimmung widerlegt wurde, die der Dreh- und Angel-punkt der Politischen Ökonomie gewesen ist, würden mindestens die Ökonomen ihm glauben müssen (sofern sie immerhin bereit wären, sein Buch zu lesen).
JE, 22. 6. 20

Freitag, 23. August 2024

Wertgesetz und gesellschaftliche Anerkennung.

Barter                                                                          aus Marxiana

Es ist eine ungeschickte Formulierung: "Verteilung der verfügbaren Zeit" auf die "gesell-schaftlich geltenden"  oder "geltend sollenden" Bedürfnisse: Die Entscheidung über die Verteilung der Zeit ist eben die Entscheidung über das "Gelten-Sollen" der jeweiligen Be-dürfnisse: Das Allgemein-Gelten ist nichts anderes als die Anerkennung - für die Wissen-schaftslehre konstitutiv, nämlich für deren reelle Grundlage - im 'Naturrecht' -, wo die Existenz des Anderen die Aufforderung an das empirische Individuum richtet, sich "als" Vernunftwesen zu konstiuieren: zum "Ich", nämlich dem Selbst-Bewusstsein...

Fichte kann im 'Naturrecht' den Akt der gegenseitigen, d. h. "wechselwirkenden" Aner-kennung nur darstellen - insofern die Darstellung empirisch erscheint - als zwischen Zwei Individuen, "du und ich", was in der Tat eine subjektivistische Auffassung der Sache nah-elegt; 'du und ich' als Paradigma, wovon "das Allgemeine" nur eine empirische, nämlich quantitative Ausweitung ist; Addition von cases, Häufung von "Fällen"; obwohl es aber doch 'logisch' umgekehrt gemeint sein muss!

Erst im Wertproblem ist die 'Anerkennung' allegemein gefasst: ist die Gesetztheit des All-gemeinen Voraussetzung für So-Gesetztheit (=als gleiche!) der Individuen.

Gelten ist natürlich immer gelten für..., nämlich für Anderes. Aber 'das Andere' - der An-dere - 'ist' überhaupt nur als anderer, sofern er (mir) als solcher gilt. Mein Gelten ist "nichts als" mein Wirksam-Sein für Andere - und das setzt ipso facto dessen Gelten (=Wirksam-Sein) für mich; also beides "in einem einzigen Akt". Die 'Wechselwir- kung' ist nur die "Er-scheinung" dieses 'einen Akts' in der Reflexion, für den Verstand, der vereinzeln und her-nach addieren muss, in Raum und Zeit...

Der Markt ist die Lösung des Geltungs-, Anerkennungs-, Wert problems, weil er auch des-sen realer historischer Grund ist. Er ist das reell Allgemeine,* das in die Vorstellung zuerst als logisch Allgemeines aufgenommen wird: Das Individuum wird jetzt, in der bürgerlichen Gesellschaft, "Subjekt": civis, der bourgeois wird citoyen, "Mensch"; zuvor war jeder das, was er eben war; jetzt sind sie alle dasselbe, "Mensch", "Gattung"; früher hatte jeder sein Recht, als privilegium, das ihm unter Ausschluss aller andern zugesprochen war; jetzt haben alle 'von Natur aus' dasselbe Recht, "Naturrecht". Der Vertrag als abstrakte Form des Tauschs wird zum Paradigma aller gesellschaftlichen Verhältnisse, bis zum Exzess in Fichtes Revolu-tionsschriften!

Die Ware macht sie wirklich zu Gleichen - als Besitzer, d. h. sofern sie besitzen - des Ar-beitsvermögens und der Bedingungen seiner Realisierung,** also insofern sie die wirkliche lebendige Arbeit "besitzen", d. h. kommandieren; und das tut der Arbeiter nicht.


Und hier kommen wir der Sache auf den Grund: Es handelt sich nämlich nicht um "Aner-kennung überhaupt" - was eine rein formale Bestimmung wäre, d. h. gar keine; sondern um die Anerkennung als Gleiche; welche indes unter der bürgerlichen Form der Vergesellschaf-tung ebenfalls noch eine nur formale Bestimmung ist...

*) Die Konkurrenz ist die Verallgemeinerung actu, "prozessierend".
**) [=Produktionsmittel]  
3. 8. 87 

 

Donnerstag, 22. August 2024

Gesellschaftliche Geltung und Verteilung der Arbeit.

                                                                       aus Marxiana

Der Charakter 1. des Produkts als Ware, und 2. der Ware als Produkt des Kapitals, schließt schon sämtliche Zirkulationsverhältnisse ein, d. h. einen bestimmten gesellschaftlichen Pro-zess, den die Produkte durchmachen müssen und worin die sie bestimmte gesellschaftliche Charaktere annehmen; er schließt ein [ein] ebenso bestimmtes Verhältnis der Produktions-agenten, von [dem] die Verwertung ihres Produkts und seine Rückverwandlung, sei es in Lebensmittel, sei es in Produktionsmittel, bestimmt ist. 

Aber auch abgesehen hiervon, ergibt sich aus den beiden obigen Charakteren des Produkts als Ware, oder Ware als kapitalistisch produzierter Ware, die ganze Wertbestimmung und die Regelung der Gesamtproduktion durch den Wert. In dieser spezifischen Form des Werts gilt die Arbeit einerseits nur als gesellschaftliche Arbeit; andererseits ist die Verteilung die-ser gesellschaftlichen Arbeit und die wechselseitige Ergänzung, der Stoffwechsel ihrer Pro-dukte, die Unterordnung unteer und Einschiebung in das gesellschaftliche Triebwerk, dem zufälligen, sich wechselseitig aufhebendenTreiben der einzelnen kapitalistischen Produzen-ten überlassen.

Da diese sich nur als Warenbesitzer gegenübertreten und jeder seine Ware so hoch als mög-lich zu verkaufen sucht (auch scheinbar in der Produktion selbst nur durch seine Willkür geleitet ist), setzt sich das innere Gesetz nur durch vermittelst ihrer Konkurrenz, ihres wechselseitigen Drucks aufeinander, wodurch sich die Abweichungen gegenseitig aufheben. Nur als inneres Gesetzt, den einzelnen Agenten gegenüber als blindes Naturgesetz, wirkt hier das Gesetz des Werts und setzt das gesellschaftliche Gleichgewischt der Produktion inmitten ihrer zufälligen Fluktuationen durch.
__________________________________
K. Marx, Das Kapital III, MEW 25, S. 887 



Nota. - Das Wertgesetz gilt "spezifisch", nämlich unter der Voraussetzung, dass sich die Gesellschaft bereits zu einem kapitalistischen System ausgebildet hat - nach der "ursprüng-lichen Akkumulation". Wer diesem Gedanken nicht folgen mag, muss sich nur an M.s obige Formulierung halten; da steht es deutlich genug.

Es ist die faktische Anerkennung durch das wirkliche Handeln der Austauschenden, das die Geltung ausmacht; und die nennt Marx ein 'Gesetz' - sofern es nämlich den Kokurrenten nicht als ihre eignes Handeln vorkommt, sondern als unerklärlicher Zufall.

Das wirkliche Handeln der Austauschenden findet unter sachlichen Bedingungen statt, die in ihm zur Geltung kommen. Und die sind gegeben in der Verteilung: "...kann gesagt wer-den, dass das Kapital... selbst schon eine Verteilung voraussetzt: die Expropriation der Ar-beiter von ihren Arbeitsbedingungen, die Konzentration dieser Bedingungen in den Hän-den einer Minorität von Individuen..." (ebd., S. 886) Die Teilung der Arbeit setzt die Ver-teilung der Arbeitsmittel schon voraus - und bedingt wiederum die Ver teilung der Arbeits-zeit: nämlich die Bestimmung darüber, welche, d. h. wessen Bedürfnisse gesellschaftlich wieviel gelten sollen.

Keine Chance für den 'naturalistischen Wertbegriff'...
JE, 28. 12. 16





Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

Bestimmt, unbestimmt, bestimmbar; setzen, abstrahieren.

                       aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik   Im vorigen Paragraphen war es uns um die Erkenntn...