Samstag, 8. Juni 2024

Schema: eine reduzierte Vorstellung.

  ezgif.com-crop                zu Wissenschaftslehre...

Vernunft als Systemzustand vorgestellt ist ein Weltall, das bis an die Ränder mit Begriffen ausgefüllt ist, die einander wechselseitig tragen und bestimmen. Man stellt sie sich am besten als eine Kugel vor. Woher sie kam oder wer sie "in die Welt gesetzt" hat, ist ganz offen.

Dem hat die Vernunftkritik abgeholfen. Wirklich ist Vernunft aber Tätigkeit, unendliches Selbstsetzen einer Gesellschaft von Vernünftigen. Sie hat einen Anfang im 'reinen', noch un-bestimmten Wollen, und ihren Fluchtpunkt im unendlichen Bestimmen-Wollen. Ihr Bild wird am deutlichsten als Strahl angeschaut.

Feststellend bestimmende Begriffe reichen da nicht heran. Vorstellen ist zunächst einbilden -  das Projizieren von Bildern. Kann man Bilder durch Abstraktion verallgemeinern zu im-mer höheren und weiteren Dimensionen? Dann müssten sie verblassen - in ihren Farben, Formen und Linien. Einen Begriff kann man durch Konkretionen anfüllen wie einen Sack mit Kartoffeln. Er wird dann immer detaillierter und präziser, aber immer weniger präg-nant. In die Breite löst er sich auf, in die Tiefe werden sich seine Bestimmungen in Nichtig-keit verlieren. Doch bei der gebotenen Umsicht und Sorgfalt dürfte im Einzelnen eben wegen der Enge kein Platz für Meinungsverschiedenheiten bleiben - sondern nur ein ganz kleines Ja oder Nein.

Ein Bild lässt sich weder in die Breite noch in die Tiefe treiben. Man muss es gewisserma-ßen 'nach innen' verdeutlichen - als Schema, als Modell, in dem das konzentriert ist, worauf es ankommt

Worauf kommt es an? Nehmen wir den Körper des Menschen. Beim Blutkreislauf kommt es auf die Adern an, beim Skelett auf die Knochen, beim Fleisch auf die Muskelstränge, und so weiter. Das sind keine Abstraktionen vom lebendigen Leib, sondern Reduktionen auf das, worauf abgesehen wurde. Worauf man es abgesehen hat, mag ewig umstritten bleiben, aber davon bleibt das jeweilige Schema unberührt.

Das Bild der von Begriffen angefüllten Kugel lässt sich nicht weiter schematisieren. Man könnte sie vielleicht als über einander liegende Schalen auffassen. Aber das wäre willkürlich, weil die Menge der verfüllten Begriffe keinen logischen Mittel- bzw. Ausgangspunkt hat wie eine geometrische Sphäre. In dieser Kugel gibt es keinen ausgezeichneten Ort, man kann - nein: muss dort anfangen, wohin einen der Zufall führt, doch welche Richtung man verfol-gen soll, ergibt sich auch daraus nicht. Diese Begriffkugel ist kein System, sondern ein Bud-delkasten. 

Das Bild vom Strahl hat dagegen einen Ausgangs- und einen Fluchtpunkt. Beide Bilder sind Schemata, Bilder von einem Bild; Sinn bilder, nicht Abbilder. Das eine von einem Status, womöglich von einem blinkenden, als ewiges Wiederaufleuchten von immer Demselben. Das Andere von einem Fortgang. 

Die Frage ist nicht, was besser gefällt, sondern welches worauf passt. Die metaphysischen Begriffssysteme wollen allerdings Alles wiedergeben: Gott und die Welt. Deus sive natura sagte Spinoza, und Leibniz überlegte, ob nicht wohl Gott in denselbem mathematischen Formeln dächte wie die Naturwissenschaft - und so hatten sie dann doch einen ausgezeich-neten Ort, von dem alles ausgeht. In der heutigen Wissenschaft kann Gott nicht vorkom-men, und so bleibt ihr nur die Natur - sive deus, wie der Spötter hinzufügt, denn ohne ihn hängt das System nicht einmal in der Luft, sondern im Vakuum.

Das andere beschreibt kein Weltall, sondern ein Treibendes darin, das vielleicht nur ein kleines ist, doch ebenfalls ein ausgezeichnetes, weil es das ist, welches die Menschen spe-zifisch angeht - den Weg der Vernunft in die Welt. Dieser Strahl beginnt als ein aufblit-zendes fünklîn im Duster, das sich unablässig fortbewegt und wächst und dabei seinen Untergund fließend aufhellt. 

Philosophie lasse sich möglicherweise nur dichten, erwog Wittgensein.

 

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Bestimmt, unbestimmt, bestimmbar; setzen, abstrahieren.

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