Sonntag, 16. Juni 2024

Kleines System der Philosophie.

                                                                         aus Philosophierungen  
 
Philosophie ist wissenschaftlich nur als Kritik. Und nur als Kritik sollte sie sich zu einem System ordnen lassen. Negativ zwar, sofern ihr letzter Grund darin aufgefunden wird, dass ein realer Urgrund des Wissens sich nicht nachweisen lässt. Sie ist Wissen des Wissens und endet in der Einsicht, dass das Wahre als beabsichtigter Gegenstand des Wissens nicht auf-gefunden, sondern postuliert wird. Ein solches Wissen vom Wissen ist in seiner Negativität rein formal und hat keinen Inhalt. 

Das war aber nicht die Absicht, aus der heraus die Philosophie entstanden ist. Sie wollte im Gegenteil ein positives Wissen, das als Wegweiser zur richtigen Lebensführung taugt. Die Kritik zeigt nun: Mit theoretischen Mitteln ist das nicht zu haben. Die richtige Lebensfüh-rung lässt sich nicht ergründen, sondern kann nur entworfen werden. Sie muss frei erfun-den werden, und ihr einziger Maßstab* ist Schönheit – nämlich ob sie vor allem Interesse gefällt. Da kann die theoretische, wissenschaftliche, kritische Philosophie allerdings sekun-där behilflich werden: indem sie die Interessen ans Licht zieht und abweist.
 

Die Kritik fügt dem Wissen sachlich nichts hinzu. Sie macht aber durch ihre Distinktionen das Wissens selbst – nicht erst das Gewusste – zu einem möglichen Gegenstand des Urteils: Was ist vor-, was ist nachgeordnet? Sie prüft den Wert des Wissens und ist also selber prak-tisch.

Daraus erhellt aber zugleich, dass der Maßstab zur Beurteilung des Wissens nicht in ihm selber aufzufinden ist, sondern ihm 'vor'-, d. h. übergeordnet war. Die 'Begründung' des Wissens geschieht actu im 'metaphilosophischen' Raum – und hat sich in der praktischen oder Lebensphilosophie zu bewähren. Sie ist eine pragmatische Fiktion, und insofern eben doch: 'Hypothese', genauer: Hypostase. Ist nicht proiectio, sondern proiectum. Und dies ist das einzige 'Interesse', das der Kritik standhält. 

*) Einen Urteilsgrund gibt es nicht. Und ein Urteil ohne Grund nennen wir 'ästhetisch': Es hat als Anhaltspunkt nichts als den Geschmack.

irgendwann in 2010

 

 

Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Bestimmt, unbestimmt, bestimmbar; setzen, abstrahieren.

                       aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik   Im vorigen Paragraphen war es uns um die Erkenntn...