Der Mensch kann sich auf den transzendentalen Standpunkt erheben nicht als Mensch, sondern als spekulativer Wissenschaftler. Es entsteht für die Philosophie selbst ein Anstoß, in ihr ihre eigene Möglichkeit zu erklären. Was gibts für einen Übergang zwischen beiden Gesichtspunkten; - Frage über die Möglichkeit der Philosophie. Beide Gesichtspunkte sind sich ja gerade entgegengesetztes. Gibts nicht ein Mittleres, so ist nach unsern eignen Grund-sätzen kein Mittel, zu ihm über/zugehen.
Es ist faktisch bewiesen, dass es so ein Mittleres gibt zwischen der transzendentalen und der gemeinen Ansicht: dieser Mittelpunkt ist die Ästhetik. Auf dem gemeinen Gesichtspunkt er-scheint die Welt als gegeben, auf dem transzendentalen [als] gemacht (alles in mir), auf dem ästhetischen erscheint sie als gegeben so als ob wir sie gemacht hätten und wie wir selbst sie machen würden. [vide Sittenlehre, von den Pflichten des ästhetischen Künstlers]
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 243f.
Nota I. - Weder das Reale noch das Transzendentale gibt es an sich, und ebensowenig das Ästhetische. Es sind alles nur Anschauungsweisen und Gesichtspunkte, die man einnehmen kann in Freiheit (freilich: einen von ihnen muss man einnehmen, wenn immer man wahr-nehmen will.)
Also nicht das Ästhetische ist ein Mittelding; sondern lediglich ein Übergang, wenn ich von dem einen Gesichtspunkt zum andern wechseln
will. Vom transzendentalen zum realen: Natürlich - wenn ich aus dem
Zustand der Reflexion auf meine Tätigkeit in den Zustand der Tätigkeit
unter den Dingen selbst zurückkehren will, stoße ich als erstes auf
deren äuße-ren Schein. Umgekehrt ist es nicht ganz so natürlich. Wenn ich
mich aus meiner Tätigkeit unter den Dingen zu meiner bloßen
Vorstellung meiner Vorstellung zurückziehen will, muss sich allererst
von der Gegenständlich-, nämlich Wider ständigkeit der Dinge gegen meine Zwecke abstrahieren, indem ich meine Zwecke selbst außer Acht lasse - und von den Dingen ihren bloße Schein zurückbehalte.
Und
drittens kann ich beides tun und dabei auf den Abschluss des Übergangs
verzichten; im Übergang schwebend verharren. Das wäre Schillers ästhetischer Zustand oder, nach Fichte, der Standpunkt des ästhetischen Künstlers.
Nota II. - Keiner vor ihm hat den Unterschied, gar Gegensatz von Philosophieren und realem Wissen so grundsätzlich formuliert wie Fichte. Damit wird nicht erst der jeweilige philosophische Satz (Philosophem, sagt F.)
zum Problem, sondern das Philosophieren selbst. Man gleitet nicht
unversehens vom einen ins andere hinüber, sondern muss beim Aufstieg
einen Sprung tun; der Abstieg mag unbemerkt geschehen.
Aber das Springen hilft nichts, wenn ein Weg nicht da ist. Der Aufstieg muss möglich
sein. Und das ist er nur, wenn das Ich auf einem seiner unwillkürlichen
Wege in eine Stellung ge-riet, in der es genügend Abstand zu sich fand,
um sich wie einen andern zu betrachten; wo das Ich sich selbst vergisst, um sich als ein Fremder wiederbegegnen zu können. Und das ist Schillers ästhetischer Zustand, wo der Mensch "gleich Null" ist.
Nur so wird philosophieren überhaupt möglich.
JE, 26. 3. 19
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