Montag, 24. Juni 2024

Am Anfang ist Wollen.

                                              zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Der Anfang alles Bewusstseins ist Synthesis und Analyse zugleich, und durch letztere ent-steht ein Mannigfaltiges. Ein erster Moment des Bewusstseins, der dafür erkannt wird, kann nicht sein, denn alles ist immer ein Stück.

Ein Kind komme in dem Momente X zum Bewusstsein, das wäre der erste Moment, es findet sich wollend, es kann dies nicht erklären, ohne ein [sic] Moment Y vorauszusetzen. Für Gott ists der erste, aber nicht für das Kind. Dieses müsste wieder Z voraussetzen und so fort. Kein / Mensch weiß, wann er stirbt. Dies ist klar, wir denken immer mehr Zweck-begriffe. Aber kein Mensch hat auch gewusst, wann er anfange. -

Das Bewusstsein ist überhaupt in keiner Zeit, nur sie hat Anfang und Ende. Die ganze Zeit ist bloß Ansicht, die [dadurch] entsteht, dass wir an das erste angenommene Wollen ein ande-res als Erklärendes anknüpfen, und auch vorwärts etwas anknüpfen, was daraus folgen soll.

...Das Beschriebene ist nur ein Wollen, und eben in der Synthesis durch die Beziehung des Seins aufs Denken, und umgekehrt, wird es ein Wollen... Aber das Wollen ist doch nur Er-scheinung; es ist genau das, was oben geschildert worden ist, die Identität von Sein und Denken; diese ganze Wechselwirkung und nichts anderes ist das Wollen. Der Anfang des Bewusstseins und der eigentliche Mittelpunkt, an den das Übrige angeknüpft wird, ist Wol-len. -

Aber haben wir uns nicht verirrt? Der Begriff der Aufforderung ist analysiert worden. Wir sind aber aufs Zweite gekommen, wir haben geredet von etwas anderem. Aber wir haben gefunden: Der Begriff der Aufforderung ist nicht das Erste, sondern das Wollen. Das Be-wusstsein hebt von keinem Momente an, es ist Wollen. An diesen Moment des Willens wird durch die bloße Erscheinung das Übrige angeknüpft. 
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 186f.


 

Nota. - "Aber das Wollen ist doch nur Erscheinung" - nämlich mein reales Wollen von die-sem oder jenem Mannigfaltigen: 'Erscheinung' von einem vorauszusetzenden 'reinen' Wol-len. Und als eine solche geschieht sie reell 'durch die Beziehung des Denkens aufs Sein'.

Das ist vertrackt ausgedrückt, aber es ist auch vertrackt gemeint. Es gibt Punkte, an denen Vereinfachung Verfälschung wäre.
JE 

 

Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

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