Freitag, 28. Juni 2024

Alles empirische Denken geht aus von der Wahrnehmung der Veränderung meines Zustands.

peter-frodermann;             zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

7. Das Sollen oder das bestimmte reine Wollen ist nach Obigem selbst etwas Objektives. Das Bewusstsein als etwas Fließendes hebt nur an mit dem Gefühle der Veränderung in unserem Zustande; die Veränderung wird aber auf das Wollende bezogen, welches gleich-sam als schon bekannt vorausgesetzt wird, da es schlechthin da ist.

Das Mannigfaltige des Gefühls ist eins, inwiefern unsere eigene Selbstbestimmung in dem [sic] Mannigfaltigen hineingesetzt wird. Wir haben hier zwei Hälften,

α) die des Mannigfaltigen,
β) die unserer Selbstbestimmung; die letztere setzen wir in die erstere hinein, und so ist Selbstbewusstsein möglich.
 
/ Das im vorigen Paragraphen Aufgestellte ist der Punkt des empirischen Denkens. Alles empirische Denken geht aus von der Wahrnehmung der Veränderung des Zustandes, aber es wird nur wahrgenommen, in wiefern die Veränderung verknüpft wird mit dem Wollen. Ich verhalte mich dazu als das für das Denken Vorausgesetzte, und dieses Ich ist das Wol-lende und hat sonach den Charakter des Objektiven. Sonach entsteht das reine Wollen nicht durch das Denken, sondern jenes wird diesem schon vorausgesetzt.  

Wenn ich wirke, so bringe ich mich eigentlich aus einem Zustande des Gefühls in einen an-deren, hier ist ein Übergehen durch meinen freinen Willen; so wenn ich mir einen freien Begriff entwerfe, z. B. wenn ich mir an die Stelle eines Objekts im Raume irgend ein ande-res denke. Diese Veränderung soll geschehen sein durch meinen Willen zufolge eines Be-griffs.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 147f.
 
 
Nota. - Empirisches Denken ist Denken eines Empirischen; eines sinnlich in Raum und Zeit Erfahrbaren: desjenigen, das denkt, sowieso (Von einem Nichtempirischen, das denkt, haben wir schlechterdings keine Erfahrung) - und desjenigen, das gedacht wird. Es wird nur gedacht, weil es wahrgenommen wurde, und ebendarum heißt es empirisch. Es wird wahr-genommen, weil es meiner Tätigkeit widersteht. Dass es ihr widersteht, erkenne ich an einer Veränderung meines Gesamtzustandes. Würde meiner Tätigkeit nichts entgegengesetzt, so ginge sie in den unendlichen Raum hinaus, ohne dass ich etwas bemerkte. Mein 'Gesamtzu-stand' bliebe unverändert, und ich würde nichts fühlen. Das ließe sich ausführen...     

Das erste Unmittelbare, das, wovon alles Wahrnehmen und Bewusstwerden ausgeht, ist - die Veränderung meines Gesamtzustandes. Ist die Veränderung etwas Geistiges, ist sie et-was Sinnliches? Um einen Gesamt zustand handelt es sich, weil ebendies noch gar nicht unterscheidbar ist: Er ist ein und derselbe. Einen Unterschied bringt erst die Reflexion hin-ein, und die verfolgt eine Absicht: Die findet ihre Prädikate - Qualitäten - nicht in den Wi-derständen auf, sondern legt sie an sie an. Anders kann es ein Transzendentalphilosoph gar nicht denken.
JE, 8. 1. 22

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