Mittwoch, 26. Juni 2024

Kategorischer Imperativ ist das reine Wollen.

Michelangelo                                          aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkriti

4. Die Schwierigkeit war eigentlich, ein Wollen zu erklären ohne Erkenntnis des Objekts. Der Grund der Schwierigkeit lag darin, dass das Wollen nur betrachtet wurde als ein empiri-sches, als ein Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten. Diese Behauptung ist nun geleugnet worden; es ist ein Wollen postuliert worden, das die Erkenntnis des Objekts nicht voraussetzt, sondern schon bei sich führet, das sich nicht auf Beratschlagung gründet. Und dadurch ist nun die Schwierigkeit völlig gehoben.

Das reine Wollen ist der kategorische Imperativ; es wird aber hier nicht so gebraucht, son-dern nur zur Erklärung des Bewusstseins überhaupt. Kant braucht den kategorischen Impe-rativ nur zur Erklärung des Bewusstseins der Pflicht.

Aus dem reinen Wollen wird nun das empirische, und aus dem Objekte des reinen Wollens werden alle andere
[sic] Objekte abgeleitet. 

Allenthalben mussten wir, um das Bewusstsein zu erklären, etwas Erstes, Ursprüngliches annehmen, oben beim Gefühl, hier beim Wollen. Alles Denken, alles Vorstellen liegt zwi-schen dem ursprünglichen Wollen und der Beschränktheit durchs Gefühl in der Mitte. Der idealen Tätigkeit können wir zusehn, weil wir nur ideale Tätig- keit anschauen und auffassen können.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 143



Nota I. - Das ist also das Anschauliche an der intellektuellen Anschauung: dass das Objekt - das Ich - nicht mittels Deliberation 'erkannt', d. h. bestimmt wird, sondern als (schon) be-stimmt ursprünglich angeschaut. Als das Objekt des reinen Wollens findet sich bestimmt das reine Ich. Und dem reinen Wollen entspricht ein 'reiner Zweck'; das wäre das (unend-liche) Fort bestimmen des (nun nicht mehr reinen) Ich. Oder etwa nicht?
21. 12. 16
 
Nota II. - Wie soll ich das verstehen: 'nur ideale Tätigkeit ist anschaulich'? Ich denke, so: Reale Tätigkeit ist bilden. Bild, und also anschaulich, ist erst ihr Produkt, nicht sie selbst: Anschauen des Bildes ist ideale Tätigkeit.

- Angeschaut wird in der intellektuellen Anschauung das Ich als ein schon Bestimmtes: nämlich als schlechthin zu Tätigkeit Bestimmtes: denn nur in sofern lässt sich sagen, dass es 'ist'. Es ist gar kein kategorischer Imperativ, denn der richtet sich an ein Ich, das schon da ist - und schon dieses odere jenes gewollt hat. So bei Kant: Der kategorische Imperativ wird rückblickend zum Grund der 'praktischen' Vernunft, und die steht gleich-ursprünglich ne-ben der 'reinen' (wie auch neben der Urteilskraft...). Bei Fichte kommt ein unbestimmtes und also noch unwirkliches x durch seine ursprüngliche Bestimmtheit als Tätiges überhaupt erst zu da-Sein. Das reine Wollen ist kein Imperativ ex post, sondern eine ontische Bedin-gug ex ante. Und kann natürlich als solche nicht erfahren oder erwiesen werden, sondern muss sich als sinnstiftendes Postulat immer wieder erst bewähren.
JE 


Dienstag, 25. Juni 2024

Wollen ist das unendlich zu Bestimmende

wxyz                        zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Ich werde nicht müde, es zu wiederholen: In der transzendentalen Auffassung, als Noume-non, ist das reine Wollen als das höchste Bestimmbare aufgefasst, denn es ist von Allem das allererste. Weil es aber reines Wollen ist, wird seine Bestimmbarkeit und das Übergehen zur Bestimmtheit nie zu einem Schluss kommmen, das Bestimmen geht ins Unendliche fort. Den fiktiven Zielpunkt kann oder muss ich sogar mir denken als das Eine Absolute, Zweck-begriff an-sich als Gegenstand des Wollens an-sich; Noumena alle beide. 

In der transzendentalen Analyse ist das Wollen das letzte Aufgefundene, in der syntheti-schen Rekonstruktion ist es das erste Vorauszusetzende. In der Realität kommt das Denken - "Deliberieren" - vor dem Wollen, empirisch ist das Wollen immer schon bestimmt als das Wollen von diesem oder jenem, erst in der transzendentalen Reflexion scheint auf, dass es dem Denken noumenal immer schon zu Grunde lag.

3. 6. 17

 

Merke

a. Bestimmen ist das einzig Reale.
b. Was bestimme ich? Mein Wollen.
c. Wer bestimmt? Ich mich als den dies-Wollenden.

B und c uno actu: a.


 
 

Montag, 24. Juni 2024

Am Anfang ist Wollen.

                                              zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Der Anfang alles Bewusstseins ist Synthesis und Analyse zugleich, und durch letztere ent-steht ein Mannigfaltiges. Ein erster Moment des Bewusstseins, der dafür erkannt wird, kann nicht sein, denn alles ist immer ein Stück.

Ein Kind komme in dem Momente X zum Bewusstsein, das wäre der erste Moment, es findet sich wollend, es kann dies nicht erklären, ohne ein [sic] Moment Y vorauszusetzen. Für Gott ists der erste, aber nicht für das Kind. Dieses müsste wieder Z voraussetzen und so fort. Kein / Mensch weiß, wann er stirbt. Dies ist klar, wir denken immer mehr Zweck-begriffe. Aber kein Mensch hat auch gewusst, wann er anfange. -

Das Bewusstsein ist überhaupt in keiner Zeit, nur sie hat Anfang und Ende. Die ganze Zeit ist bloß Ansicht, die [dadurch] entsteht, dass wir an das erste angenommene Wollen ein ande-res als Erklärendes anknüpfen, und auch vorwärts etwas anknüpfen, was daraus folgen soll.

...Das Beschriebene ist nur ein Wollen, und eben in der Synthesis durch die Beziehung des Seins aufs Denken, und umgekehrt, wird es ein Wollen... Aber das Wollen ist doch nur Er-scheinung; es ist genau das, was oben geschildert worden ist, die Identität von Sein und Denken; diese ganze Wechselwirkung und nichts anderes ist das Wollen. Der Anfang des Bewusstseins und der eigentliche Mittelpunkt, an den das Übrige angeknüpft wird, ist Wol-len. -

Aber haben wir uns nicht verirrt? Der Begriff der Aufforderung ist analysiert worden. Wir sind aber aufs Zweite gekommen, wir haben geredet von etwas anderem. Aber wir haben gefunden: Der Begriff der Aufforderung ist nicht das Erste, sondern das Wollen. Das Be-wusstsein hebt von keinem Momente an, es ist Wollen. An diesen Moment des Willens wird durch die bloße Erscheinung das Übrige angeknüpft. 
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 186f.


 

Nota. - "Aber das Wollen ist doch nur Erscheinung" - nämlich mein reales Wollen von die-sem oder jenem Mannigfaltigen: 'Erscheinung' von einem vorauszusetzenden 'reinen' Wol-len. Und als eine solche geschieht sie reell 'durch die Beziehung des Denkens aufs Sein'.

Das ist vertrackt ausgedrückt, aber es ist auch vertrackt gemeint. Es gibt Punkte, an denen Vereinfachung Verfälschung wäre.
JE 

 

Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

Merkmale der Dinge.

Winslow Homer, Boy fishingWinslow Homer, Boy fishing 

Es sind die Absichten der Menschen, an denen die Dinge Merkmale bekunden.
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Merke: Ein Merkmal ist ein Mal, das merkbar ist.
3. 9. 13

Erst durch ihre Merkmale ähneln oder unterscheiden sich Dinge. Besser gesagt - 'sich' unterscheiden die Dinge überhaupt nicht. Nur wer etwas mit ihnen vorhat, unterscheidet sie, denn nur dann merkt er was.
19. 4. 15

 

 

Sonntag, 23. Juni 2024

Das Intelligible hineinsetzen in das Sinnliche.

W. Homer, Boy fishing          aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Was heißt sich denken, sich etwas denken? Die Art, wodurch die Noumene zu Stande kom-men, ist das sich denken? Das Intelligible in das Sinnliche hineinsetzen als Vereinigungs-grund heißt: sich etwas denken. Das bloß Gedachte ist nicht in der Erfahrung, sondern wird erst durch das Erfahrene hineingetragen.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 137


Nota. -
Das Sinnliche ist das schlechterdings Mannigfaltige. Jedes Einzelne ist eine Welt für sich, eine Monade, die so, wie
sie vor dir liegt, nichts mit irgendeiner andern Monade gemein-sam hat. Es 'ist' nicht einmal dieses-und-kein-anderes: Es begegnet dir nur als ein flüchtiger Moment in einem unendlichen Erlebnisstrom: ein Phänomen. Um es als dieses zu fixieren, musst du es aus dem Strom herausgreifen - und ipso facto zu den anderen Diesen gesellen, die du vorher schon herausgegriffen hattest. Und siehe, schon hast du ein Intelligibles in ein bislang nur Sinnliches hineingesteckt.

Und das war erst der Anfang.
JE,
19. 4. 15

 

Samstag, 22. Juni 2024

Der Begriff ist ein Abkömmling.

Rudolpho Duba, pixelio.de                                                       aus Philosophierungen
 
In den Begriffen wird das festgestellt, was sich aus Anderem her leiten und eo ipso mit An-derm vergleichen lässt. Eben dieser Umstand: Ableitbarkeit und Vergleichbarkeit, macht Be-grifflichkeit aus. Sie beruht allerdings auf der gewagten Annahme - ein pari, mit Pascal zu reden -, dass es für alles einen gemeinsamen letzten Grund gibt, in dem sie alle miteinander zusammenhängen. Nur logisch erscheint das diskursive System "eher da" zu sein als der Be-griff selbst. Historisch waren aber zuerst die Vorstellungen "da", bevor sie in Begriffe ge-fasst - d. h. mit einander verglichen und aus einander her geleitet wurden.
aus e. Notizbuch, ca. 2002  


Nachdem das diskursive System - alias die Vernunft - einmal ausgebildet ist, kommt es sachlogisch - alias genetisch - vor den Begriffen selbst.*
11. 2. 18 
 
*) So wie es in meiner Vorstellung erscheint, als seien die Zweck begriffe schon gefasst, bevor ich sie selber wählen kann.
9. 3. 22

Freitag, 21. Juni 2024

Vernunft ist proiectum.

laternamagica                                                                       aus Philosophierungen

Vernunft ist proiectum,* nicht proiectio. Nicht terminus a quo, sondern terminus ad quem. Sie ist die Behauptung, dass der Welt ein Sinn gebührt. 

*) lat. proiectum = gr. problêma.

26. 2. 09

 

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Donnerstag, 20. Juni 2024

Bild.

W. Baumeister, Zwei Laternen, 1955   zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Der Schlüsselbegriff bei Fichte ist eben nicht der Begriff, sondern das Bild. Er erklärt das Bewusstsein nicht aus der Vernunft, als eine Etappe auf dem Weg ihrer Selbstbegegnung, sondern die Vernunft aus dem Bewusstsein, und das beruht nicht nur –, sondern ist genau genommen nichts anderes als sein bildnerisches Vermögen.

von wann?


Das ist, genau genommen, der spezifische Unterschied zum Hegel'schen System und aller rationalistischen Metaphysik, und die radikal andere Auffassung vom Geist beruht im Grun-de auf ihm. Bei Hegel ist der Begriff die Selbstbewegung und Selbverfassung einer objekti-ven Idee, die ihrerseits nicht anders als durch ihn 'begriffen' werden kann. Bei Fichte stammt die Vernunft aus dem Bilden eines zur Vernunft sich selbst bestimmenden Wollen-den.



Mittwoch, 19. Juni 2024

Der erste Satz der Denkökonomie.

  Kokon                                                                                       zu Philosophierungen  

Nichts gilt ohne Voraussetzung.

Daraus folgt, dass ein jeder Anfang, den man immer wählen mag, nicht gilt, weil er keine Voraussetzung hat, sondern selber Voraussetzung ist. 

Man kann also im besten Fall immer nur eine Prämisse wählen in der Hoffnung, sie werde sich in der  weiteren Ausführung bewähren. In der Ausführung kommt es stets auf den je folgenden Satz an: Ist er von der Prämisse noch gedeckt?

In der Wirklichkeit beginnt aber keiner sein Denken mit einem ersten Satz. Ein jeder wird in eine Welt geboren, in der schon viel gedacht wurde und die von einem Netz von Sätzen umsponnen  ist wie ein Kokon. In dem gewöhnt er sich ins Denken ein, in voller Selbstver-ständlichkeit. 

Denken in specie beginnt aber mit dem Verlust der Selbstverständlichkeit; nämlich mit Kri-tik: mit dem Fragen nach dem Vorausgesetzten. Zuerst praktischerweise mit den Fragen wann, wo und wie. Es kann einige Zeit dauern, aber unvermeidlich wird daraus einmal die Frage warum und wozu?

Wir können nicht rückwärts hinter unsern Schatten springen und neu anfangen. Was wir haben, sind besagte Satzfäden, in die wir verwoben sind - die Sätze der Vernunft. Sie sind unser einziger Ansatzpunkt. Sie müssen wir problematisch voraussetzen. Woran könnten wir sie messen? Nur an ihnen selbst. Wir müssen sie vielmehr rückabwickeln: jeden Faden zurückverfolgen bis zu dm Fasen, an den er selber anknüpft. 

Bis an die Stelle, wo das Gespinst endet, weil es an keinen Faden mehr anknüpft. Weil es vielmehr dort anfing: Es wurde zu spinnen angefangen.

 

 

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Dienstag, 18. Juni 2024

Was sich bestimmen soll, muss sich schon haben.

                                          aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Das Ich bestimmt sich selbst. Das Wörtchen Selbst bezieht sich auf es. Es bestimmt sich, aber indem es sich bestimmt, hat es sich schon; das sich bestimmen soll, muss sich selbst haben, und was sich selbst hat, ist eine Intelligenz.
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 52



Nota I. - Weniger 'selbst' bedarf der Erläuterung, als sich. Sobald 'es' sich bestimmt, muss es annehmen, es sei δυναμει schon 'da' gewesen, ehe es sich ενεϱγειαι als ein 'Selbst' gesetzt hat. Es ist die Grammatik, die vom Satz ein Subjekt verlangt, welches ein Objekt prädiziert. Der Akt, das Handeln selbst, füllt keinen Satz. Es
kommt auch nicht zuerst und Subjekt und Ob-jekt ergäben sich aus ihm. Sondern sie müssen schon da sein, und aus ihrem Verhältnis er-gibt sich erst die Handlung.

Es ist in der Grammatik eine - historisch-genetisch unumgängliche - dogmatische Vorstel-lungsweise verewigt, die die kritische Absicht der Transzendentalphilosophie von vornher-ein immer wieder verbaut. Genauer gesagt: eine Vorstellungweise, in der die Nomina 'onto-logisch' vor den Verbis kommen; wo die Begriffe die Bilder längst ruhiggestellt haben.

Die denk
würdige Auflösung ist das Begriffsbild Intelligenz: ein Nomen, das nur als Tätiges gedacht werden kann. Es tritt in der Philosophie erst spät auf und ist dem gesunden Men-schenverstand bis heute ein Rätsel.
9. 4. 19

 
Nota II. -  Verwirrung kann aufkommen durch die semantische Rivalität von setzen und bestimmen. Ein X  'setzt' sich, indem es 'überhaupt' tätig wird. So aber nur in der abstrak-tiven Reflexion des philosophierenden Betrachters. In der Wirklichkeit kann ich nicht 'überhaupt' tätig sein - ich muss dieses oder jenes tun, nicht überhaupt, sondern bestimmt. Einen Zweckbegriff entwerfen, wie Fichte sagt. Indes wird in der Wirklichkeit ein Zweck-begriff nur im Ausnahmefall wirklich (neu) entworfen. Vielmehr handeln wir in der Vor-stellung, dass eine Mannigfaltigkeit von Zwecken 'uns zu Gebote steht', aus der wir uns mal diesen, mal jenen aussuchen - und ihn als 'Begriff' nur in dem Maße fassen, als wir ihn im Verlauf der Tätigkeit selbst anschauen können. 

Ich 'habe' mich, indem ich einen Willen fasse - eben nicht als Begriff, sondern als Tat-Sache. Ab da kann ich - und muss wohl - bestimmen
 
 
Nota III. - Und nicht vergessen: Setzen geschieht reell nur als ein Setzen-als. Setzen-als ge-schieht durch Entgegensetzen. Nur in der Abstraktion sind setzen und bestimmen unter-scheidbar. In der Wirklichkeit geschieht beides zugleich als das andere. Das gilt für ein Ich wie für ein jedes Andere. Darum klänge der Satz 'Was sich selbtbestimmen soll, muss sich schon haben' beinahe tautologisch.
JE, 5. 8. 21




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Montag, 17. Juni 2024

Vernunft, dogmatisch oder kritisch.

Osmar Schindler                                         zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

"Ich meine, vernünftig zu denken, wenn ein Anderer, dem ich vor-denke, gar nicht anders kann, als mir nach-zu-denken und mir beizustimmen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder, ich lasse es drauf ankommen; das wäre die pragmatische, die 'findende', die pro-blematische Version. Oder ich nehme eine prä-etablierte Übereinstimmung an, die eine an-dere Möglichkeit gar nicht offen lässt und einen wirklichen Andern gar nicht braucht; das ist die dogmatische Version..."

Fichte hat zwischen der pragmatisch-problematischen Auffassung, wonach die Vernunft sich aktual ergibt im wirklichen Verkehr vernunftbegabter Menschen - und insofern im besten Fall als proiectum aufzufassen ist -, und der dogmatischen Auffassung eines aprio-rischen Programms, das sich mittels vernünftig wirkender Individuen selbst verwirklicht, lange geschwankt; wobei in den früheren, sürmischen Jahren die Neigung zur aktualistisch-problematischen Version zu überwiegen scheint. Es war erst Jacobis Eingreifen in den Atheismusstreit, das ihn bewogen hat, sich schließlich für die dogmatische Variante zu entscheiden.

Von einer an sich seienden Vernunft vor der Zeit und vor ihrem "Erscheinen" in der End-lichkeit kann man nichts weiter wissen, nicht, wo sie herkommt, noch, worauf sie hinauswill. Da kann man nur glauben. An eine problematische Verunft, die auch scheitern mag, kann man nicht glauben, sondern man müsste sich ihrer jeden Tag neu vergewissern: Man muss wissen. Nämlich wo sie herkommt und worauf sie hinausläuft.

Her kommt sie aus der Fähigkeit der Menschen, wertend zu urteilen; das ist ihr ästhetisches Vermögen. Hinaus läuft sie auf eine ewig prozessierende Verständigung der Menschen über ihre gemeinsamen, nämlich
öffentlichen Angelegenheiten; überall da, bis wohin die Notwen-digkeiten reichen und ab wo frei gewählt werden kann: Von da an kann man fröhlich strei-ten.
19. 5. 2014 


 



Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

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Michelangelo                                           aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkriti 4. Die Schwierigkeit ...