aus spektrum.de, 16. 7. 2022
Rätselhafte Metaphern
Beim Reden greifen Menschen oft auf Metaphern zurück. Doch warum verstehen wir diese eigentlich so problemlos? Keine einfache Frage, mussten auch Sprachphilosophen erkennen. Eine Kolumne.
von Matthias Warkus
Was haben die folgenden Sätze gemeinsam? »Nur die Harten kommen in den Garten.« »Der neue Finanzminister ist die Sollbruchstelle der Ampel.« »Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.
Die Antwort ist einfach: Wörtlich genommen sind alle drei Sätze wenig sinnvoll. Es gibt keinen Garten, an dessen Eingangstür getestet wird, ob man in diejenigen, die hineinwollen, eine Delle drücken kann. Und wenn es ihn gäbe, ist er mit dem ersten Satz nicht gemeint. Es mag zudem sein, dass der Mast einer Verkehrsampel irgendwo eine Sollbruchstelle hat, wie Jan Gänger auf n-tv.de schreibt, aber wenn es sie gibt, ist diese Stelle nicht Christian Lindner. Und mit einem Buch kann man, auch wenn Franz Kafka das 1904 forderte, kein gefrorenes Meer aufhacken, ganz abgesehen davon, dass kein Mensch ein Meer enthält – rein vom Volumen her ist das schon schwierig.
Wie
kommt es nun, dass wir diese Sätze dennoch im übertragenen Sinn gut
verstehen? Das liegt daran, dass sie Metaphern verwenden. Aber was heißt
das genau und wie funktionieren
Seit
der Antike gibt es auf diese Frage eine traditionelle Antwort, nämlich:
durch Analogie. Spricht man metaphorisch, dann ist immer eine Art
Gleichung mit vier Werten A, B, C und D im Spiel, bei der sich A zu B
verhält wie C zu D. So könnte man etwa im ersten Satz die Bedeutung des
Ausdrucks »die Harten« darüber erklären, dass sich besonders
widerstandsfähige Menschen (A) genauso zu einwirkenden
Unannehmlichkeiten des Lebens (B) verhalten wie harte Werkstoffe (C) zu
einwirkendem Druck durch einen Prüfkörper (D). Im dritten Satz könnte
man sagen, dass es hier um aktives, bewegtes menschliches Seelenleben
geht (A), das sich zu einer nach außen hin stillgestellten und
unterdrückten Persönlichkeit (B) verhält wie das offene, wogende Meer
(C) zu einem gefrorenen Meer (D).
Nicht jedes Sprachbild hat Analogien
Doch
diese klassische Auffassung bringt leider mehrere Probleme mit sich,
weswegen sich die Sprachphilosophie vor allem seit dem 20. Jahrhundert
erneut intensiv mit Metaphern und ihrer Bedeutung beschäftigt hat. Ein
Problem besteht darin, dass es manchmal nicht möglich ist, die
AB:CD-Gleichung sinnvoll zu formulieren, weil es einfach keine Analogie
gibt oder sie nicht auf die buchstäbliche Ebene herunterzubrechen ist.
Der amerikanische Philosoph John Searle (*1932) hat 1979 argumentiert,
der metaphorische Satz »Mary ist ein Eisblock« würde korrekt verstanden,
weil er aussagt, dass Mary kalt ist – aber »kalt« bedeutet nun bei
einem Menschen etwas gänzlich anderes als bei einem Eisblock, es gibt
keine reale Ähnlichkeit als Bindeglied.
Hat Searle damit Recht?
Das kann man diskutieren. Eventuell kommt es auch darauf an, was mit der
Metapher gesagt werden soll. Im Beispielsatz von oben »Der neue
Finanzminister ist die Sollbruchstelle der Ampel« steckt etwa die
Vorstellung, dass Regierungskoalitionen darauf hin konzipiert sein
könnten, unter bestimmten Umständen zu zerbrechen. Das ist schwer zu
überprüfen, da es in über 70 Jahren bundesdeutscher Geschichte nur einen
einzigen effektiven Koalitionsbruch gegeben hat. Der Gehalt der
Metapher wäre also gegebenenfalls an einem hypothetischen Verständnis
eines Phänomens abzuschätzen und nicht an etwas »Echtem«, Greifbarem.
Zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich, weil bei manchen Metaphern die
implizierte Ähnlichkeit nicht symmetrisch ist. David Hills gibt dafür in einem Lexikonartikel
das Beispiel »Blut ist Geld«, was eine ganz andere metaphorische
Bedeutung hat als »Geld ist Blut«. Und das ist alles nur die Spitze des
Eisbergs, wie so oft in der Sprachphilosophie.
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Metaphern allgemein darüber erklären zu wollen, dass
sprachliche Ausdrücke Bedeutungen haben, die einander vertreten können,
ist also schwierig. Dies hat in den vergangenen 50 bis 60 Jahren
Theorien befördert, die metaphorisches Reden als gewissermaßen
grundlegender ansehen als das Sprechen in auf Wahrheit bezogenen
satzartigen Strukturen. Mit dem sehr einflussreichen Werk »Leben in
Metaphern« von George Lakoff und Mark Johnson aus dem Jahr 1980 hat sich
sogar die Vorstellung etablieren können, dass unser Denken kulturell
geprägte metaphorische Grundstrukturen hat (die sich ausdrücken in
Sätzen wie »Liebe ist eine Reise«). Wie so oft zeigt sich jedenfalls
auch hier: Die Komplexität sprachlicher Phänomene, die uns im
alltäglichen Sprachgebrauch kaum auffällt, ist eine beständige
Herausforderung für die philosophische Theoriebildung.
Nota. - Zuerst einmal ist die Metapher ein rhetorischer Kniff. Sie macht den Hörer zum Komplizen des Redenden, bevor er ihn verstanden hat. Er muss sich 'in ihn hineinver-setzen', um zu entziffern, was jener wohl gemeint haben mag - und wenn er's versteht, wird er zu einem Mitmeinenden. Um wieder Abstand zu gewinnen, müsste er sich einen Ruck geben, doch vielleicht war ihm das Mitmeinen ja angenehm...
Keinen Perspektivwechsel mutet dem Hörer ein diskursiver Satz zu. Er bietet sich um-standslos der Kritik. Die Frage, ob ich ihm beistimme, muss ich mir mit der Frage nach seinem Sinn uno actu stellen.
Die erfolgreichsten Metaphern sind volkstümliche Redensarten, die jeder dutzendfach schon selber angebracht hat; allerdings in kleiner Dosis, damit's nicht auffällt.
Und umgekehrt kann eine Metapher in philosophischem Reden eine Verfremdung schaffen, die eine Ungewissheit schafft, ob das, was man versteht, auch das ist, was der Redner gesagt hat. Wie jedes Fach hat die Philosophie ihren Jargon, und manch zünftige Floskel wird schneller verstanden als gehört - aber das hat der Redner gerade nicht gemeint. Da wird mit Metaphern nicht gerechnet und werden zu einer Stufe, die man erklimmen muss. Aber auch dann stimmt die Genugtuung, sie entschlüsselt zu haben, auf eine Zustimmung ein. Denn eine gute Metapher ist witzig, und der Hörer fühlt sich geschmeichelt, wenn man ihm Humor zutraut.
JE
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