Mittwoch, 6. Juli 2022

Das Gehirn bildet Modelle.

Klüger als die Maschine: Das menschliche Gehirn kann besser kategorisieren als der Computer.
aus FAZ.NET, 4. 7. 2022                                                                           zuJochen Ebmeiers Realien   zu Philosophierungen

Wie das Gehirn den Computer schlägt
Klüger als die Maschine: Das menschliche Gehirn kann besser kategorisieren als der Computer

Von Sascha Zoske 

Künstlicher Intelligenz fällt es schwerer als dem Menschen, das Allgemeine im Beson-deren zu erkennen. Wie gut dem Gehirn das gelingt, zeigt ein Experiment aus Gießen. Menschen sind weit besser als Computer in der Lage, unbekannte Objekte in Kategorien einzuordnen. Wie sie dabei vorgehen, haben Wahrnehmungspsychologen der Liebig-Uni-versität untersucht. Die Forscher zeigten Versuchspersonen eine Phantasieform und baten sie, neue Beispiele der gleichen Art auf einem Tablet zu zeichnen.

Das Gehirn entwirft Modelle

Die Bilder, die dabei entstanden, waren nach Worten von Teamleiter Roland Fleming nicht einfach Kopien des ersten Objekts, sondern systematische Variationen. Bestimmte Merkmale der Originalform wurden konsequent beibehalten, um deutlich zu machen, dass die Eigenkreationen zur selben Kategorie gehören. Andere Teile wurden verzerrt, entfernt oder durcheinandergewürfelt. Anschließend wurden die Zeichnungen anderen Probanden gezeigt. Diese ordneten die Neuschöpfungen meistens derselben Kategorie zu wie das Original.

Offensichtlich bildet das Gehirn beim Betrachten eines unbekannten Objekts ein Modell davon, das seine Besonderheiten erfasst. Dieses Modell kann dann benutzt werden, um ähnliche Gegenstände zu erkennen oder selbst zu ersinnen. Künstliche Intelligenz kann Bilder auch miteinander vergleichen, ist beim Kategorisieren aber dem Gehirn unterlegen. Wie lange menschliche Kreativität diesen Vorsprung noch halten werde, sei unklar, schreiben die Gießener Psychologen.


Nota. - Die nächstliegende Vermutung: Auf den ersten Blick kann die natürliche Intel-ligenz mehr Merkmale überblicken und in einem Modell wiedergeben. Der zweite Gedan-ke: In technischer Hinsicht und vor allem, was die Menge angeht, hat sich die künstliche Intelligent bislang als überlegen erwiesen, und zwar haushoch.

Wenn es aber nicht die Quantität der Merkmale ist, an der sich die natürliche Intelligenz überlegen zeigt, dann wird es wohl die Qualität der Modelle sein, auf der ihr Vorzug be-ruht.

Was soll das heißen?

Ein Modell ist nicht einfach ein Bild unter anderen. Es ist ein Bild von einem Bild: Es sieht sein Vor-Bild nicht an und gibt es wieder (wozu auch?), sondern sieht ab auf das, was an oder auf dem Bild in ein Modell passen würde. Die Hypothese, worauf es an-kommt und was im Modell durch Hervorhebung kenntlich zu machen wäre, geht dem Hin sehen auf die Merkmale voraus. 

Nicht werden wie bei einem Puzzlespiel tausend Merkmale zu einander gelegt und nach Mustern gesucht, die ein Modell abgeben könnten – und diese werden miteinander vergli-chen darauf hin, ob das, was in den Mustern sichtbar wird, dasjenige sein könnte, worauf es ankommt. Das könnte ewig dauern, denn die Entscheidung, was als Modell 'am besten taugt', ist immer ein Qualitätsurteil, das durch Auszählen und Vergleichen nicht zu erset-zen ist. Es muss eingangs  vorgestellt und nicht nachträglich zusammengestellt werden. Oder so rum: Welches Merkmal als eine Besonderheit gelten soll, muss ihm von außen zugewiesen und nicht von innen herausgelesen werden.

Mit andern Worten, da braucht man, was nicht nur Kant produktive Einbildungskraft genannt hat. Man muss wissen, wozu man etwas brauchen will, um vorweg zu ahnen, welches Merkmal dafür in Frage kommt.
JE



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