Martin Büdenbender zu Philosophierungen, aus Die Wendeltreppe
Früher hieß es, Philosophie sei eine spezifisch abendländische Errungenschaft. Dann wur-de gesagt, es gäbe auch eine indische, eine chinesische und sogar eine afrikanische und in-dianische Philosophie.
Weisheitslehren, die verkünden, was wahr ist, hat es immer und überall gegeben. Aber die Frage, was Wahrheit ist, ist allerdings im Abendland aufgebracht und ausgeführt worden. Sie setzt nämlich voraus, dass Wahrheit etwas ist, wonach ich fragen und was ich beurtei-len kann – so wie jeder andere, der ebenfalls ich sagen kann. Setzt also voraus, dass ich mir die Fähigkeit zu eigenem Urteil zumesse; und mich nicht auf etwas verlassen darf, was mir von höherer Instanz “offenbart” worden ist. Und es setzt voraus, dass “es” Gründe “gibt”, auf die ich mich bei meinem Urteil stützen kann. – Beides mag man in Abrede stellen. Nur kann man sich dann an einer vernünftigen (!) Erörterung dieser Dinge nicht mehr beteiligen.
Philo-Sophie hat ihren Namen daher, dass der “Sokrates”, wie er in Platos Dialogen auf-tritt, sich selber keinen sophos, keinen Weisen nennen wollte, sondern lediglich einen phi-lo-sophos, einen Freund der Weisheit, der die Wahrheit sucht, weil er sie nicht hat.
Begonnen hat das mit Thales aus Milet in Kleinasien (650-560 v. Chr.). Der verkündete zwar auch nur, ‘was wahr ist’. Aber er unterschied bereits zwischen dem, was zu sein 'scheint', und dem, was ‘wirklich’ ist. In Wirklichkeit sei nämlich alles Wasser. Dieser ‘Ur-stoff’ wurde von seinen Nachfolgern mal als “apeiron”, als das Grenzenlose bestimmt (Anaximander, 610-546 v. Chr), mal als “noûs”, als Weltvernunft (Anaxagoras, 500-428 v. Chr.).
Früher hieß es, Philosophie sei eine spezifisch abendländische Errungenschaft. Dann wur-de gesagt, es gäbe auch eine indische, eine chinesische und sogar eine afrikanische und in-dianische Philosophie.
Weisheitslehren, die verkünden, was wahr ist, hat es immer und überall gegeben. Aber die Frage, was Wahrheit ist, ist allerdings im Abendland aufgebracht und ausgeführt worden. Sie setzt nämlich voraus, dass Wahrheit etwas ist, wonach ich fragen und was ich beurtei-len kann – so wie jeder andere, der ebenfalls ich sagen kann. Setzt also voraus, dass ich mir die Fähigkeit zu eigenem Urteil zumesse; und mich nicht auf etwas verlassen darf, was mir von höherer Instanz “offenbart” worden ist. Und es setzt voraus, dass “es” Gründe “gibt”, auf die ich mich bei meinem Urteil stützen kann. – Beides mag man in Abrede stellen. Nur kann man sich dann an einer vernünftigen (!) Erörterung dieser Dinge nicht mehr beteiligen.
Philo-Sophie hat ihren Namen daher, dass der “Sokrates”, wie er in Platos Dialogen auf-tritt, sich selber keinen sophos, keinen Weisen nennen wollte, sondern lediglich einen phi-lo-sophos, einen Freund der Weisheit, der die Wahrheit sucht, weil er sie nicht hat.
Begonnen hat das mit Thales aus Milet in Kleinasien (650-560 v. Chr.). Der verkündete zwar auch nur, ‘was wahr ist’. Aber er unterschied bereits zwischen dem, was zu sein 'scheint', und dem, was ‘wirklich’ ist. In Wirklichkeit sei nämlich alles Wasser. Dieser ‘Ur-stoff’ wurde von seinen Nachfolgern mal als “apeiron”, als das Grenzenlose bestimmt (Anaximander, 610-546 v. Chr), mal als “noûs”, als Weltvernunft (Anaxagoras, 500-428 v. Chr.).
Der entscheidende ‘Sprung’ trat ein mit Heraklit
aus Ephesos (ebenfalls Kleinasien; 550-480 v. Chr.). Er meinte nicht
nur, die Erscheinung von Werden und Vergehen sei das einzig Wirkliche
(”Alles fließt” wird ihm zugeschrieben), hinter dem es kein Bleibendes
gibt. Er wägt auch erstmals Argumente gegeneinander ab und urteilt,
warum dieses gilt und jenes nicht. In einem strengen Sinn ist er der
Vater der Philosophie.
Widersprochen haben ihm sogleich die Eleaten, die Anhänger einer Philosophenschule in Elea in Süditalien, allen voran Parmenides (540-470 v.Chr.). Ihnen zufolge ist im Gegenteil alles Werden und Vergehen bloßer Schein, das einzig Wahre ist das Sein selbst, "ontos on"; wahrnehmbar sei es nicht den Sinnen, sondern nur dem Denken. Auch sie argumentieren mit Gründen, und anscheinend ebenso plausibel wie Heraklit.
Plato aus Athen (427-347 v. Chr.) versucht, die widerstreitenden Argumente beider Par-teien systematisch gegeneinander zu gewichten und “dialektisch” aufzuheben (wobei er seine Gedanken seinem Lehrer Sokrates in den Mund legt). Ausschlaggebend sind immer und lediglich Vernunftgründe, die einem Jeden zugänglich sind, der willens ist. Höhere Eingebungen gelten ihm nichts. Seither ist Kritik – von gr. “krínein”=urteilen – das Medi-um der Philosophie; nämlich derjenigen, die diesen Namen verdient: der abendländischen.
Widersprochen haben ihm sogleich die Eleaten, die Anhänger einer Philosophenschule in Elea in Süditalien, allen voran Parmenides (540-470 v.Chr.). Ihnen zufolge ist im Gegenteil alles Werden und Vergehen bloßer Schein, das einzig Wahre ist das Sein selbst, "ontos on"; wahrnehmbar sei es nicht den Sinnen, sondern nur dem Denken. Auch sie argumentieren mit Gründen, und anscheinend ebenso plausibel wie Heraklit.
Plato aus Athen (427-347 v. Chr.) versucht, die widerstreitenden Argumente beider Par-teien systematisch gegeneinander zu gewichten und “dialektisch” aufzuheben (wobei er seine Gedanken seinem Lehrer Sokrates in den Mund legt). Ausschlaggebend sind immer und lediglich Vernunftgründe, die einem Jeden zugänglich sind, der willens ist. Höhere Eingebungen gelten ihm nichts. Seither ist Kritik – von gr. “krínein”=urteilen – das Medi-um der Philosophie; nämlich derjenigen, die diesen Namen verdient: der abendländischen.
zurück: I. „Was ist Wahrheit?“ (Joh. 18,38)
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