aus welt.de, 18. 7. 2022 Mohammed mit seinen Getreuen auf dem Weg (allerdings nach Mekka 630) – Miniatur aus der türkischen Handschrift ‘Sijer i-Nebi’ zu öffentliche Angelegenheiten
Mohammeds Aufstieg
Wie auch das Klima den Triumph des Islam ermöglichte
Der Auszug Mohammeds aus Mekka und seine Ankunft in Medina im Sommer 622 markierten einen Wendepunkt in der Geschichte des Islam. Für den Siegeszug der neuen Religion spielte Trockenheit offenbar eine wichtige Rolle, zeigt eine neue Studie.
Von Jan Kuhlmann
Die Botschaft Mohammeds sollte die Welt verändern – aber am Anfang zuckten viele seiner Zuhörer in Mekka mit den Schultern. Was der Prophet Anfang des 7. Jahrhunderts an göttlichen Offenbarungen verkündete, klang in ihren Ohren nicht nur wenig über-zeugend, sondern schien auch den Einfluss der Stadt als wichtigen kultischen Ort, wo unterschiedliche Götter verehrt wurden, infrage zu stellen. Entsprechen distanziert blieben seine Bewohner – nicht zuletzt die Mitglieder der führenden Klans.
1400 Jahre ist es in diesen Tagen her, dass Mohammed eine weitreichende Entscheidung fällte: Im Jahr 622 zog er mit etwa 70 Anhängern
von Mekka nach Medina, wohin er als Schlichter eingeladen gewesen sein
soll. Die Hidschra, der Auszug, war ein Wendepunkt in der frühen
islamischen Geschichte und markierte auch den Beginn der islamischen
Zeitrechnung. In Medina fand Mohammeds Botschaft von dem einen und
einzigen Gott mehr Beifall. Von hier aus verbreiteten seine Anhänger sie
in den nächsten Jahrzehnten mit dem Schwert bis in weit entfernte Gegenden.
Generationen
von Historikern haben gerätselt, warum der Islam damals so erfolgreich
sein konnte. Ein Forscherteam der Universität Basel hat dazu jetzt im Fachmagazin „Science“
eine klimahistorische Antwort vorgelegt. Danach könnten Dürren infolge
von Klimaveränderungen eine wichtige Rolle gespielt haben, um günstige
Bedingungen für die Ausbreitung monotheistischer Religionen und damit
auch des Islam zu schaffen.
Die
Wissenschaftler blicken dafür auf das Königreich Himyar, das mehr als
200 Jahre die bestimmende Macht im Süden der Arabischen Halbinsel war,
in etwa auf dem heutigen Staatsgebiet des Jemen. Die Himyariten
unterhielten unter anderem große Bewässe-rungssysteme, zu denen Dämme und
Terrassenfelder zählten. So betrieben sie erfolgreich Landwirtschaft,
worauf ihre wirtschaftliche Kraft und damit auch ihre Macht beruhte.
Doch im 6. Jahrhundert n. Chr. erlebte das Königreich einen Niedergang. Wassertor des antiken Staudamms von Marib im Reich von Himyar
Die
Studie vertritt die These, Dürren in Folge von Klimaveränderungen
hätten die Widerstandsfähigkeit des altsüdarabischen Reiches
untergraben. Der „abrupte und anhaltende Rückgang der Niederschläge“
müsse ein erheblicher Stressfaktor gewesen sein. Himyars Niedergang
wiederum sei ein wesentliches Element sozioökonomischer, politischer,
aber auch religiöser Transformationen gewesen, die den Rahmen für die
Entstehung des Islam gebildet hätten. „Die Bevölkerung war durch Hunger
und Krieg in großer Not“, sagt Dominik Fleitmann,
Leiter der Studie. Der Islam sei auf fruchtbaren Boden gestoßen. Die
Menschen hätten neue Hoffnung gesucht: „Die neue Religion bot dies.“
Für
ihre Untersuchung kombinierten die Autoren unter anderem historische
Daten mit der Auswertung eines Stalagmiten im Oman, der Aufschluss über
die hydroklimatischen Bedingungen „dieser kritischen Periode“ gebe. Sie
kommen so zu dem Ergebnis, dass es in der Region „die schwersten
Dürreperioden“ in den ersten drei Jahrzehnten des 6. Jahrhunderts
gegeben habe – also in etwa in der Zeit, in der der Niedergang des
Himyar-Königreiches seinen Anfang nahm.
Die Autoren sind nicht die ersten Wissenschaftler, die die damaligen klimatischen Bedingungen in Betracht ziehen. „Der Umstand, dass die Kaltphase des 6. Jahrhunderts mit Trockenheit auf der Arabischen Halbinsel einherging, wird seit über hundert Jahren in der Erforschung des frühen Islams als ein Faktor diskutiert“, sagt Lutz Berger, Professor für Islamwissenschaft an der Universität Kiel.
Die Ergebnisse der Studie passen für ihn ins Bild: Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass Gesellschaften in sensiblen Ökosystemen wie die auf der Arabischen Halbinsel von klimatischem Stress besonders berührt seien.
Überbewerten will Berger die Studie trotzdem nicht. „Natürlich hätte es ein Prophet aus Mekka schwerer gehabt, die Halbinsel unter seiner Ägide zu einen, hätte die Herrschaft der Altsüdaraber fortgedauert“, sagt er. Ob Mohammeds Erfolg aber auch in diesem Fall „gänzlich unmöglich gewesen wäre“, müsse jedoch dahingestellt bleiben. Bergers Fazit: „Das ist alles nicht falsch, es ist aber auch nicht alles.“
Der Erfolg der islamischen Botschaft lässt sich nur aus einem Zusammenspiel vieler Faktoren erklären. Die Großreiche der Römer und der persischen Sasaniden hatten sich in endlosen Kriegen, die auch ihre Verbündeten auf der Arabischen Halbinsel in Mitleiden-schaft zogen, erschöpft. Ebenfalls im Jahr 622 war der oströmische Kaiser Herakleios zu einem Feldzug gegen den Rivalen aufgebrochen, der bis 628 dauern sollte.
Heere aus dem Iran und aus dem christlichen Reich von Aksum in Äthiopien intervenierten seit dem 6. Jahrhundert in Arabien. Wie instabil die Situation im Süden der Halbinsel geworden war, zeigt der Kollaps des berühmten Staudammes von Marib. Die Hauptstadt des Sabäischen Reiches war um 260 von Himyar erobert worden. Der Damm, der die Bewässerung von fast 10.000 Hektar Kulturland ermöglichte, brach um etwa 570 und wurde nicht wieder repariert. Zur gleichen Zeit ging der Handel auf der Weihrauchstraße spürbar zurück.
In dieser krisenhaften Gemengelage fiel Mohammeds Botschaft auf fruchtbaren Boden. Letztlich aber siegte sie mit dem Schwert. Den Erfolg der muslimischen Heere erklärt Lutz Berger unter anderem mit „überlegener Motivation und Organisation“. Als die Römer nach ihrer Niederlage aus Syrien abzogen, hatten die Muslime leichtes Spiel: „Denn die Bewohner der Städte im Landesinnern öffneten den Eroberern ihre Tore und feierten die Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit.“
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