Donnerstag, 21. Juli 2022

Ach nein, es ist nicht alles Eins.


aus spektrum.de, 21.07.2022                           Die Kartierung des somatosensorischen Kortex steht bei Frauen noch ziemlich am Anfang. Aber derzeit besteht Hoffnung, dass der Homunkulus der Zukunft auch eine Klitoris haben wird.                                 zu Männlich

Der rätselhafte weibliche Homunkulus
Das Gehirn bildet sensorische Reize wie Berührungen auf einer Art Landkarte des Körpers ab. Allerdings kennt die Wissenschaft bislang vor allem die männliche Version, den Homunkulus


von Christian Wolf


Die weibliche Variante des Homunkulus zeigt eine Frau mit verzerrten Proportionen. Die Größenverhältnisse der Körperteile bilden ab, wie groß die Hirngebiete im Verhältnis zueinander sind, die die Empfindungen in den betreffenden Körperteilen verarbeiten.

Der Mensch hat einen Penis, aber keine Klitoris. Zumindest wenn man vom so genannten Homunkulus ausgeht, dem »Menschlein«: jenen Bereichen des Gehirns, die den eigenen Körper wie auf einer Landkarte Punkt für Punkt abbilden. Doch gemeinhin nur die männliche Anatomie – weibliche Körperteile: Fehlanzeige. Daran ändert sich nun langsam etwas. Forschende nehmen auch das neuronale Abbild des weiblichen Körpers in den Blick.

Entdeckt wurde der Homunkulus in den 1950er Jahren von Wilder Penfield (1891-1976). Um Epilepsie zu behandeln oder Tumore zu entfernen, operierten der Neurochirurg und seine Kollegen lokal betäubte, aber wache Patienten. Diese sollten dabei ihre Empfindungen beschreiben, während verschiedene Bereiche ihrer Großhirnrinde (Kortex) – der äußersten Schicht des Gehirns – mit Elektroden stimuliert wurden. Als die Elektroden in einer Hirnwindung des Scheitellappens nahe der Zentralfurche saßen, zuckte oder kribbelte es bei den Patienten an unterschiedlichen Stellen des Körpers.





Auf der Grundlage seiner Experimente ließ Penfield eine Karte zeichnen. Die Karte zeigte, dass benachbarte Bereiche des Körpers größtenteils auch in benachbarten Bereichen des Gehirns repräsentiert sind – die Hirnforschung nennt das Prinzip »somatotopisch«. Dabei sind empfindlichere Körperteile wie die Zunge, die über viele Rezeptoren verfügen, in der Hirnrinde vergrößert abgebildet. Daher auch die seltsamen Proportionen des Homunkulus: Die dürren Ärmchen gehen in riesige Hände über, und das Gesicht wird von einer Zunge und riesigen Lippen dominiert, die weit hervorstehen. Der Homunkulus zeigt, wie ein Mensch aussähe, wenn seine Körperproportionen denen der Hirnareale entsprächen, die sie repräsentieren.

Die Neurowissenschaftlerin Susana Lima vom Champalimaud Centre for the Unknown in Lissabon geht davon aus, dass es Unterschiede in den Hirnkarten männlicher und weiblicher Körper geben muss. Allein schon wegen der offensichtlichen Diskrepanzen in der Anatomie der Geschlechtsorgane. Und natürlich gebe es weitere Unterschiede: Man denke an den Fortpflanzungszyklus und die hormonellen Einflüsse auf neuronale Schaltkreise. »Schwangerschaft und Mutterschaft verändern bekanntermaßen.


Studienlage zum Hermunkulus | Die weibliche Variante des Homunkulus hat mit der männlichen viel gemeinsam, wie erste Forschung nahelegt. Sie zeigt auch, dass sexuelle Kontakte und Traumata die Repräsentation der weiblichen Genitalien im somatosensorischen Kortex formen.

Doch was weiß man jenseits solcher Vermutungen bislang tatsächlich? Auch wenn der weibliche Homunkulus nie systematisch erstellt wurde: Einzelne Teile der Karte des weiblichen Gehirns sind bereits bekannt. Allerdings haben Vergleiche zwischen Männern und Frauen bislang eher Gemeinsamkeiten als Unterschiede zu Tage gefördert. Susana Lima selbst verweist auf ein Studie an Mäusen. Forscher um den Neurobiologen Michael Brecht vom Bernstein Center for Computational Neuroscience Berlin fanden im somatosensorischen Kortex von Nagetieren ähnliche anatomische Karten von Penis und Klitoris.

Kontroverse über die Verortung der Genitalien

Wo genau die Genitalien beim Menschen im Gehirn abgebildet sind, dazu gab und gibt es Kontroversen. »Penfield hat die männlichen Genitalien auf der Homunkulus-Karte unterhalb der Repräsentation der Zehen verortet«, sagt Christine Heim, Psychologin und Neurowissenschaftlerin von der Berliner Charité. Andere hingegen stellen sie neben der Hüfte dar, in Analogie zur Anatomie des Körpers, denn hier liegen Geschlechtsorgane und Hüfte ja auch nebeneinander. Dass es widersprüchliche Befunde gibt, könnte mit unterschiedlich präzisen Methoden der Genitalstimulation zusammenhängen. Ähnliche Kontroversen gibt es auch rund um die Verortung der weiblichen Genitalien.

Um die Kontroverse zu beenden, hat Christine Heim kürzlich mit Kollegen 20 Probandinnen untersucht. Mit einem Luftstoß wurde dabei eine Membran in Schwingung versetzt, die über der Unterwäsche in der Region der Klitoris lag. Die Stimulation sollte in keiner Weise als unangenehm oder als sexuell erregend empfunden werden. »Das ist nicht nur aus ethischen Gründen wichtig«, erklärt Christine Heim, »sondern auch um auszuschließen, dass andere Hirnregionen aktiviert werden, die nicht den rein sensorisch-taktilen Reiz abbilden.« Auf diese Weise konnte Heims Team zeigen, dass die Genitalien tatsächlich in somatotopischer Abfolge neben der Hüfte verortet sind, also analog zur Anatomie des Körpers. Die Beobachtung steht in Einklang mit einer früheren Studie an Männern. Hier verorteten Forschende das Repräsentationsfeld des Penis im Gehirn in ähnlicher Weise an einem Ort zwischen den Beinen und dem Rumpf

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Es gibt aber noch mehr Ähnlichkeiten zwischen den Geschlechtern. Und zwar darin, wie die menschliche Brust im Gehirn repräsentiert wird. Jop Beugels, plastischer Chirurg am Klinikum der Universität Maastricht, schob mit Kollegen jeweils zehn Männer und zehn Frauen in den funktionellen Magnetresonanztomografen und stimulierte mit Vibrationen verschiedene Stellen an ihrer Brust. Wie erwartet aktivierte dies Teile des somatosensorischen Kortex, wobei die Repräsentation der Nippel in der Hirnrinde vergrößert war. Die Forschenden fanden dabei keine statistisch bedeutsamen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Allerdings könnte das auch an der kleinen Stichprobe gelegen haben.

Messbare Unterschiede gibt es allerdings bei Frauen im Verlauf der Schwangerschaft.

In einer Studie untersuchte ein Team um Flavia Cardini von der Anglia Ruskin University in England Frauen im zweiten und dritten Trimester: in der 20. Woche, wenn der Bauch zu wachsen beginnt, und in der 34. Woche, wenn der Bauch deutlich sichtbar ist. Das Team um Cardini konnte zeigen: In einem späten Stadium der Schwangerschaft vergrößert sich die Repräsentation der Distanzzone im Gehirn, jenes Bereichs, der den Körper auf »Armeslänge« unmittelbar umgibt.

Die Ergebnisse deuten den Forschenden zufolge darauf hin, dass das Gehirn die Repräsentation des umgebenden Raums an die neuen Umstände anpasst. Die Ausdehnung des Raums um den Körper im dritten Trimester könne mit der Notwendigkeit zusammenhängen, einen größeren Bereich zu überwachen, erklärt Flavia Cardini auf Nachfrage. Und zwar auf Grund der erhöhten Verletzlichkeit des Bauchs: »Nicht nur wegen seiner größeren Maße und damit eines weniger beweglichen Körpers, sondern vor allem wegen des Fötus.«


Zu Umbauten im Hermunkulus kommt es aber nicht nur bei körperlichen Veränderungen. In der bereits erwähnten Studie zur Repräsentation der weiblichen Genitalien im Gehirn zeigte Christine Heim: Je mehr Sexualkontakte Frauen im vergangenen Jahr hatten, desto dicker fiel das Genitalfeld in der Hirnrinde aus. Das passt zu anderen Ergebnissen aus den Neurowissenschaften. Schon lange ist bekannt, dass sich Erfahrungen langfristig auf das Gehirn auswirken können. So ist bei Personen, die in der Kindheit Geige gespielt haben, die Hand im somatosensorischen Kortex im Erwachsenenalter größer abgebildet als bei Gleichaltrigen ohne vergleichbare musikalische Erfahrungen.

In einer früheren Studie stieß Christine Heim auf einen umgekehrten Effekt bei Frauen, die als Kinder sexuell missbraucht wurden. Eine häufige Folge von sexuellem Missbrauch in der Kindheit ist die Entwicklung sexueller Funktionsstörungen, einschließlich Orgasmusstörungen und der Unfähigkeit, sexuelle Lust zu empfinden. In Heims Untersuchung mit 51 erwachsenen Frauen war bei Probandinnen mit solchen Traumata die Hirnrinde an den Stellen ausgedünnt, die die Klitoris und den umgebenden Genitalbereich im Gehirn repräsentieren.

»Wir nehmen an, dass es sich dabei um einen Schutzmechanismen handelt, der die sensorische Verarbeitung der aversiven Erfahrung vermindert«, sagt Christine Heim. Langfristig kann diese Ausdünnung zur Entwicklung von Verhaltensproblemen und sexuellen Funktionsstörungen im weiteren Leben beitragen. Heim hat aber auch noch eine alternative Erklärung. »Möglicherweise sind Frauen mit Missbrauchserfahrungen weniger sexuell aktiv, und das genitale Feld ist daher dünner.«


Nota. - Bei der Sprache fängt es an? Nein, da verrät es sich. Es läge nahe, die weibliche Version eines Homunkulus eine Homunkula zu nennen, aber ein:e amerikanische For-scher:in braucht altkontinentale Sprachen nicht zu kennen, und so wird ein Her mun-kulus draus und wir können froh sein, dass es kein Shemunkulus wurde.

Ja, seit dem Sieg der bürgerlichen Konkurrenzgesellschaft ist das Ideal einer jeden Gattung der Leistungsfähigste und für eine jede Gelegenheit am besten Gefittete, und das ist, wo es auf Schnelligkeit und Kraft des Zugriffs ankommt, eben das Männliche. Das schien den Forschern als die Normalversion, gegenüber der Kindlichkeit und Weiblich-keit als Mangelvarianten vorkamen, die von einer nomothetischen Naturwissenschaft vernachlässigt werden konnten. Der Unterschied verdiente keine eigene Beachtung. 

Ach, hätten sie geahnt, dass eines Tages das Männliche sich sogar als ein solches würde rechtfertigen müssen! So kommt es, dass die Transgenderei heute wie eine besonders abgefeimte Art des Feminismus, nämlich der Androphobie erscheint - welche Scheinge-fechte sie dem Publikum auch immer vortragen mögen.
JE 





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