Sonntag, 14. Juli 2024

Nichts ist reell, das nicht auf Wahrnehmung gründet.

Stebchen, pixelio.de                       zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Ich habe bisher im Gegenteile geglaubt, daß Schwärmerei, Wahnsinn, Raserei darin bestehe, daß man seine Erdichtungen für wirkliche Gegenstände hält, und der gesunde Verstand dar-in, daß man nichts für wirklich hält, das sich nicht auf eine innere oder äußere Wahrneh-mung gründet. ...

Diesem System ist das unsrige darin gerade entgegengesetzt, daß es die Möglichkeit, ein für das Leben und die Wissenschaft gültiges Objekt durch das bloße Denken hervorzubringen, gänzlich ableugnet und nichts für reell gelten läßt, das sich nicht auf innere oder äußere Wahrnehmung gründet. In dieser Rücksicht, inwiefern die Metaphysik das System reeller, durch das bloße Denken hervorgebrachter Erkenntnisse sein soll, leugnet z. B. Kant, und ich mit ihm, die Möglichkeit der Metaphysik gänzlich. Er rühmt sich, dieselbe mit der Wur-zel ausgerottet zu haben, und es wird, da noch kein verständiges und verständliches Wort vorgebracht worden, um dieselbe zu retten, dabei ohne Zweifel auf ewige Zeiten sein Be-wenden haben.
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J. G. Fichte, Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 113f.]

 

 

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Bestimmt, unbestimmt, bestimmbar; setzen, abstrahieren.

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