H. Bosch, Der Taschenspieler aus Marxiana
Es ist dies
die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise innerhalb der
kapitalisti-schen Produktionsweise selbst, und daher ein sich
selbst aufhebender Widerspruch, der prima facie als bloßer
Uebergangspunkt zu einer neuen Produktionsform sich darstellt. Als
solcher Widerspruch stellt er sich dann auch in der Erscheinung dar.
Er stellt in gewissen Sphären das Monopol her und fordert daher die
Staatseinmischung heraus. Er reproduzirt eine neue Finanzaristokratie,
eine neue Sorte Parasiten in Gestalt von Projektenmachern, Gründern und
bloß
nominellen Direktoren; ein ganzes System des Schwindels und Betrugs
mit Bezug auf Gründungen, Aktienausgabe und Aktienhandel. Es
ist Privatproduktion ohne die Kontrolle des Privateigenthums.
IV. Abgesehn von dem Aktienwesen – das eine Aufhebung der
kapitalistischen Privatin-dustrie auf Grundlage des kapitalistischen
Systems
selbst ist, und in demselben Umfang, worin es sich ausdehnt und neue
Produktionssphären ergreift, die Privatindustrie vernichtet – bietet
der
Kredit dem einzelnen Kapitalisten, oder dem, der für einen Kapitalisten
gilt, eine innerhalb gewisser Schranken absolute Verfügung über fremdes
Kapital und fremdes Eigenthum, und dadurch über fremde Arbeit.*
Verfügung über gesellschaftliches, nicht eignes Kapital, gibt ihm
Verfügung über gesellschaftliche Arbeit. Das Kapital selbst, das man
wirklich
oder in der Meinung des Publikums besitzt, wird nur noch die Basis zum
Kreditüberbau.
Es gilt dies besonders
im Großhandel, durch dessen Hände der größte Theil des gesell-schaftlichen Produkts passirt. Alle
Maßstäbe, alle mehr oder minder innerhalb der kapitali-stischen
Produktionsweise noch berechtigten Explikationsgründe verschwinden
hier. Was der
spekulirende Großhändler riskirt, ist gesellschaftliches, nicht sein
Eigenthum. Ebenso abgeschmackt wird die Phrase vom Ursprung des Kapitals
aus der Ersparung, da jener ge-rade verlangt daß andre für ihn sparen
sollen. ...
Der andren Phrase von
der Entsagung schlägt sein
Luxus, der nun auch selbst Kreditmittel wird, direkt ins Gesicht.
Vorstellungen, die auf einer minder entwickelten Stufe der
kapitali-stischen
Produktion noch einen Sinn haben, werden hier völlig sinnlos. Das
Gelingen und Mißlingen führen hier gleichzeitig zur Centralisation der /
Kapitale, und daher zur Expro-priation auf der enormsten
Stufenleiter.
Die Expropriation erstreckt sich hier von den un-mittelbaren Producenten
auf die kleineren und mittleren Kapitalisten selbst. Diese Expro-priation
ist der Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktionsweise; ihre
Durchführung ist ihr Ziel, und zwar in letzter Instanz die Expropriation
aller Einzelnen von den Produktions-mitteln, die mit der Entwicklung der
gesellschaftlichen Produktion aufhören, Mittel der Pri-vatproduktion
und
Produkte der Privatproduktion zu sein, und die nur noch
Produktions-mittel in der Hand der associirten Producenten, daher ihr
gesellschaftliches Eigenthum, sein können, wie sie ihr
gesellschaftliches Produkt sind.
Diese Expropriation
stellt sich aber innerhalb des kapitalistischen Systems selbst in
gegen-sätzlicher Gestalt dar, als Aneignung des gesellschaftlichen
Eigenthums durch Wenige; und der Kredit gibt diesen Wenigen immer mehr
den Charakter reiner Glücksritter. Da das Eigenthum
hier in der Form der Aktie existirt, wird seine Bewegung und
Uebertragung reines Resultat des Börsenspiels, wo die kleinen Fische von
den
Haifischen und die Schafe von den Börsenwölfen verschlungen werden.
In dem Aktienwesen
existirt schon Gegensatz gegen die alte Form, worin
gesellschaftliches Produktionsmittel als individuelles Eigenthum
erscheint; aber die Verwandlung in die Form der Aktie bleibt selbst noch
befangen in den kapitalistischen Schranken; statt daher den Ge-gensatz
zwischen dem Charakter des Reichthums als gesellschaftlicher und als
Privatreich-thum zu überwinden, bildet sie ihn nur in neuer Gestalt aus.
*)
... „Ein Mann der im
Ruf steht Kapital genug für sein regelmäßiges Geschäft zu besitzen, und
der in seiner
Branche guten Kredit genießt, kann, wenn er sanguinische Ansichten von
der steigenden
Konjunktur des von ihm geführten Artikels hat, und wenn er im Anfang und
Verlauf seiner
Spekulation durch die Umstände begünstigt wird, Käufe bewerkstelligen
von einer geradezu enormen Ausdehnung verglichen mit seinem Kapital“
(ibidem, p. 136.) – „Die Fabrikanten, Kaufleute etc. machen sämmtlich
Geschäfte weit über ihr Kapital hinaus … Das
Kapital ist heutzutage vielmehr die Grundlage, worauf ein guter Kredit
gebaut wird, als die
Schranke der Umsätze irgend eines kommerziellen Geschäfts.“ (Economist,
1847. p. 333.)
______________________________________________________
K. Marx, Das Kapital III, MEGA II/15, S. 429f. [MEW 25, S. 454ff.]
Nota. -
Der Aktienbesitzer hat dem Unternehmen nur ein Darlehen gewährt, damit
es seine laufenden Geschäfte abwickeln kann - im Wert der Aktie, die
er besitzt. Auf diesen Kredit erhält er einen Zins. Man kann sagen, der
Teil des Gesellschaftskapitals, der dem Wert sei-ner Aktie entspricht,
dient als Sicherheit für sein Darlehnen. Diese Sicherheit - und damit
den Anspruch auf einen Zins - kann er weiter verkaufen, und darum gilt seine Aktie so, als ob sie
selber ein Teil des Gesellschaftskapitals wäre. So wird sie gehandelt,
der (Tages-) Wert, zu dem sie gehandelt wird, entscheidet über den
Gesamtwert des Gesellschaftsvermö-gens. Die Aktie ist kein Teil des gesellschaftlichen Reichtums, aber die gilt als solcher auf dem Markt, und damit ist sie es.
Das Wertgesetz ist ad absurdum geführt. Der Bluff, wenn er gelingt, ist soviel wie verge-genständlichte gesellschaftlich notwendige Durchschnittsarbeit.
JE, 12. 1. 17
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