Mittwoch, 17. Juli 2024

Ich und sein Objekt, oder: Intellektuelle Anschauung.

                                      aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Das Anschauen und Wollen geht dem Ich weder vorher noch nachher, sondern es ist selbst das Ich; es geschieht beides nur, inwiefern das Ich sich selbst setzt, es geschieht nur in die-sem Setzen und durch dieses Setzen, dass es geschehe; und es ist nichtig, an ein Geschehen außer dem Setzen und unabhängig von ihm zu denken. Umgekehrt, das Ich setzt sich, in-dem beides geschieht und inwiefern es setzt, dass beides geschieht, und es ist ebenso nich-tig, an ein anderes Setzen des Ich zu denken. Es ist zum mindesten unphilosophisch, zu glauben, dass das Ich noch etwas anderes sei, als zugleich seine Tat und sein Produkt.

Sobald wir von dem Ich als einem tätigen hören, ermangeln wir nicht, sogleich ein Substrat uns einzubilden, in welchem die Tätigkeit als bloßes Vermögen inwohnen soll. Dies ist nicht das Ich, sondern es ist ein Produkt unserer eigenen Einbildungskraft, das wir auf Veranlas-sung der Anforderung, das Ich zu denken, entwerfen. Das Ich ist nicht etwas, das Vermö-gen hat, es ist überhaupt kein Vermögen, sondern es ist handelnd; es ist, was es handelt, und wenn es nicht handelt, so ist es nichts. ...

Das Ich selbst macht durch sein Handeln das Objekt; die Form seines Handelns ist selbst das Objekt, und es ist an kein anderes Objekt zu denken. Dasjenige, dessen Handelsweise notwendig ein Objekt wird, ist ein Ich, und das Ich selber ist nichts weiter als ein solches, dessen bloße Handelsweise ein Objekt wird. Handelt es mit seinem ganzen Vermögen - man muss sich wohl so ausdrücken, um sich überhaupt ausdrücken zu können -, so ist es sich selbst Objekt; handelt es nur mit einem Teile desselben, so hat es etwas, das außer ihm sein soll, zum Objekte. 
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J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 22f.    



Nota. - Das Ich setzt sich, indem es absichtsvoll anschaut: Etwas anderes bedeutet sich-Setzen nicht. Es setzt sich, indem es sich ein/em NichtIch entgegensetzt: aus der unbe-stimmten Menge des Mannigfaltigen dieses herausgreift und zu seinem Gegenstand macht. Zwei Ansichten derselben Handlung. Macht es dagegen sich selbst zu seinem Gegenstand, so fallen beide Ansichten zusammen: als intellektuelle Anschauung.
JE, 30. 12. 18

 


Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE

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