Mittwoch, 3. Juli 2024

Die Realität des Absoluten ist die Suche danach.

The Holy Grail                                                       aus Philosophierungen

Der unendliche Raum wird (nach Fichte) so konstruiert, dass an den je gegebenen end-lichen Raum jedesmal wieder ein endlicher Raum angefügt wird. Das absolute Objekt des Strebens wird so konstruiert, dass zu jedem gegebenen Objekt der freien Wahl wieder ein nächstes Objekt der freien Wahl hinzugefügt wird. Die Idee des Endzwecks wäre also der Inbegriff aller möglichen Zweckbegriffe, die indes unendlich viele und als solche nicht be-stimmbar sind. Real ist, was anschaubar ist, die Realität des Absoluten ist die Suche danach.
6. 8. 17

Alle Tätigkeit ist bestimmen. Die Ursache des Bestimmens ist das Wollen. Es ist der Wille zur Selbstbestimmung, eine prädikative Qualität. Sie ist Ursache ihrer selbst und als solche an sich unbestimmt. Als schlechthin unbestimmt ist sie ursprünglich absolut. Ihr sich-selbst-Bestimmen ist daher unendlich.

Bestimmen heißt der Tätigkeit einen Zweck setzen. Unendliche Tätigkeit ist daher unend-liches Zwecksetzen. Setzen eines nie als endlich setzbaren Zwecks. Ein unendlicher Zweck ist ein  absoluter Zweck. Der Weg des Vorstellens führt von einem absolut unbestimmten Wollen zu einem absolut unbestimmten Zweck. Merke: Eine angebrochene Unendlichkeit bleibt so unendlich, wie sie je war. Für einen absolut Wollenden ist ein absolut unbestimm-ter Zweck ein unendlich bestimmbarer Zweck. Er kommt ihm nachträglich vor, als habe er ihn immer schon gehabt.

Nota I. - Das sind keine Begriffsbestimmungen, sondern Vorstellungen, die nur so machbar sind.
20. 4. 19
 
Nota II. - Noch der entschiedenste Skeptiker unterscheidet im Alltag wahr und unwahr.  
16. 3. 20
 
Nota III. -  Der Ort des Absoluten wäre in jedem Fall nicht die reale, sondern die intel-ligible Welt. Es wird ja nicht behauptet, es ließe sich irgendwo im Raum oder in der Zeit antreffen, sondern dass es der Urteilskraft einen gültigen Anhaltspunkt bietet, wenn sie die Vorstellungen nach brauchbar oder unbrauchbar unterscheidet - etwas anderes können wahr und unwahr ohnehin nicht bedeuten. Der Gehalt des obigen Eingangssatzes bedeutet also in concreto: In Verfolgung ihrer Zwecke hat die Vorstellung den ultimativen Zweck - Zwecks der Zwecke - in keinem Augenblick aus dem Auge zu verlieren. Denn nur ein sol-cher kann die Mittel zu den Einzelzwecken rechtfertigen - so als ob er sie alle einschlösse. Seine Annahme ist daher riskant und peiristisch. Wer auf Nummer sicher geht, muss sich enthalten.
 


Dienstag, 2. Juli 2024

Bedenkliches zum Verfahren.

n3po        aus Wissenschaftslehre - die fast vollendete...

Man fasse das Fortschreiten im Bestimmen als Stufengang auf. Auf jeder Stufe hinterlässt das lebendige Vorstellen als ein Caput mortuum, als 'Gedächtnisspur', einen Begriff. Aber nicht auf den Begriff wird aufgebaut, er 'ruht' ja und bewegt sich nicht. Fortgeschritten wird immer nur im lebendigen Vorstellen. Die Begriffe werden jeweils abgelegt - und wie dann daraus im Verkehr der vernünftigen Wesen untereinander ein reelles System als Bild der Welt entsteht, geht die Transzendentalphilosphie nicht mehr an.

Nicht die Begriffe sind das Wahre der Vorstellung, sondern das Vorstellen ist das Wahre des Begreifens.

Die Darstellung muss, das wiederholt Fichte immer wieder, diskursiv verfahren - also in pa-radoxaler Form das lebendige Vorstellen durch Verknüpfung ruhender Begriffe beschrei-ben. Sie kann das Paradox nicht vermeiden, sondern immer wieder nur daran erinnern.

Fichte führt nun stets den Stufengang des Bestimmens als lebendiges Vorstellen vor. Aber sein Vorgehen ist ja ein doppeltes: Das reale Vorstellen ist stets von der idealen Anschauung begleitet - es wird reflektiert. Und beim Reflektieren stößt es - nein: er, Fichte - wieder auf die abgelegten Begriffe. Aber die macht er jetzt doch zum Prüfstein und Maßstab des Vor-stellens, wenn er nämlich jedesmal darlegen will, dass und wie die neue Vorstellung schon in der ihr vorangegangenen Vorstellung unbemerkt angelegt und vorausgesetzt war: Dann de-stilliert er nämlich aus der Definition des vorangegangenen Begriffs die Bestimmung der neuen Vorstellung.

Entsprechend konstruiert wirkt daher manch eine seiner Deduktionen; er entwickelt dann nicht eine Vorstellung aus der andern, sondern kombiniert Begriffe. Das jeweils im einzel-nen Fall auseinanderzulegen ist mühselig, es schwirrt einem der Kopf. Es wäre schon ein Wunder, wenn Fichte sich nicht gelegentlich verheddert hätte; zumal er die Unterscheidung selber nie so scharf ausgesprochen hat.

27. 12. 16 


Eigentlich wollte ich hierfür Beispiele sammeln. Dann kam mir die Idee, einem eingefleisch-ten Philologen die dankbare Aufgabe schmackhaft zu machen, in der Nova methodo nach Beispielen systematisch zu suchen. Dabei würden in F.'s Deduktionen voraussichtlich aller-lei Unsauberkeiten im Detail zutage treten. Immerhin hat er wiederholt gesagt, er wolle sein' Lebtag nichts bewiesen haben, wenn man ihm in seinen Herleitungen auch nur einen Schni-tzer nachweisen könne...

Nun war es Fichtes persönliches Anliegen, die Wissenschaftslehre quasi wasserdicht zu be-weisen. Wir Leser dürfen uns aber fragen: Wozu soll das gut sein? Sie hat überhaupt nur als Ganze Bestand - oder eben nicht. Und einem Unwilligen beweisen kann man sie sowieso nicht: Was für eine Philosophie man wählt, hängt davon ab, was man für ein Mensch ist. Die Brauchbarkeit (und wozu) der Wissenschaftslehre lässt sich überhaupt nicht an ihrer diskursiven Darstellung, die grundsätzlich und immer problematisch sein muss, beurteilen, sondern daran, ob der Vorstellungskomplex, den sie umfasst, den Denkenden, der sie sich zu eigen macht, in die Lage versetzt, sowohl philosophische Sätze als auch Resultate der realen Wissenschaften systematisch auf ihren Bestand zu prüfen.

Bewähren kann sich die Transzendentalphilosophie immer nur praktisch. Und ihre Praxis ist Kritik.

Eine feste Terminologie könne er, solange er noch mit dem Aufbau der Wissenschaftslehre beschäftigt sei, nicht einführen, denn um Begriffe bestimmen zu können, müsse das System bereits abgeschlossen sein (sagt Fichte irgendwo am Anfang der Nova methodo). 

Doch wie soll man sich den 'Abschluss' wohl vorstellen? Den Anfang des Systems - der postulierte Grund-Satz, aus dem alles her- und herausgeleitet werden soll - haben wir (hat er) uns selbst gegeben. Aber ein Schlusspunkt ist schlechterdings nicht zu fassen, nämlich als Begriff: Denn das Verfahren der Vernunft ist unendliches Bestimmen, macht sie an einem Bestimmten Halt, hört sie auf, sie selbst zu sein. Vernunft ist nur actu, anders ist sie nicht.

7. 6. 18

 

 

Montag, 1. Juli 2024

Die intellektuelle Anschauung.

fotocommunity          zu Wissenschaftslehre - die fast vollendete Vernunftkritik

Was ist denn nun die intellektuelle Anschauung selbst, und wie entsteht sie?

Entstehen ist ein Zeitbegriff, ein Sinnliches, aber die intellektuelle Anschauung ist nicht sinnlich, sie entsteht also nicht, sie ist; und es kann nur von ihr gesprochen werden im Ge-gensatz zur sinnlichen.

Zuvörderst kommt die intellektuelle Anschauung nicht unmittelbar vor, sondern sie wird in jedem Denkakte nur gedacht, sie ist das Höchste im endlichen Wesen. Auch der Philosoph kann sie nur durch Abstraktion und Reflexion zu Stande bringen.

Negativ angesehen ist sie keine sinnliche [Anschauung], die Form der sinnlichen Anschauung ist Übergehen vom Bestimmbaren zur Bestimmtheit. Dies muss in jenem Wollen, insofern es intellektuell angeschaut wird, ganz und gar wegfallen, und es bleibt nur ein bloßes Anschau-en unserer Bestimmtheit, die da ist, aber nicht wird. (Die Anschauung der Form nach ver-steht sich von selbst, denn das Ich muss beibehalten werden.) Es wäre sonach ein bloßes Anschauen meiner selbst als eines Bestimmten.

Wie wird nun diese Bestimmtheit erscheinen? Erscheinung passt nur auf sinnliche Wahr-nehmung, wie kommt sie also in der sinnlichen Wahrnehmung vor? Als ein Wollen, aber der Charakter des Wollens ist nach dem Obigen ein Sollen, ein Fordern. Sonach müsste diese Bestimmtheit erscheinen als bestimmtes, absolutes Sollen, als kategorische Forderung. Die-se bloße Form des Sollens, dieses absolute Fordern ist noch nicht das Sittengesetz; dieses wird es erst, in wiefern es auf eine sinnliche Willkür bezogen wird, und davon ist hier noch nicht die Rede.

Man könnte es nennen reinen Willen, abgesondert von aller Bedingung der Anschauung. Dieser müsste es sein, welchen wir jenem Denken, das wir beschrieben, zum Grunde legen.

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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 142
f.  
 

 

Nota I. - Das Denken ist ein idealer Akt, welcher sein Objekt als gegeben voraussetzt. Der Ausgangspunkt ist die Sinnlichkeit, das Gefühl. Soll ich mir als gegebenes Objekt vorkom-men, muss ich mich als Teil des Mannigfaltigen anschauen. Zugleich soll mich aber als das Wollende denken, welches ein Intelligibles ist. - Die Mannigfaltigen stehen zu einander im Verhältnis der Dependenz. Mich als wollend und als Teil des sinnlich Mannigfaltigen auffas-sen kann ich als Kausalität ('das Kausierende') der Dependenz: als absoluter Anfang der Sukzession. - Das kann in unmittelbarer Anschauung nicht geschehen, es muss gedacht werden - nämlich als notwendig anzunehmende Vorausssetzung all meines Tuns; als etwas, das vor dem 'absoluten Anfang' lag. Es ist eine Reflexion, die nicht über sich hinaus, son-dern hinter sich zurück geht.
19. 12. 16
 
Nota II. - Wir sind hier noch (oder wieder) bei der intellektuellen Anschauung: Ich schaue mich an als einen Be-stimmten; einen als wollend bestimmten. Ich soll mich als einen Wol-lenden anschauen - das heißt, ich kann mich als einen nicht Wollenden nicht einmal denken. Was übrigens empirisch zutrifft: Als bloßen Stoffwechsel kann ich mich nicht denken; kann ich entweder nichts denken, oder nicht mich denken.

Das wird von nun an den Fortgang der Wissenschaftslehre bestimmen: Aus dem absoluten Wollen ist ein kategorisches Sollen geworden. 'Du sollst wollen' wäre absurd im Munde eines jeden, der es ausspricht. Ich soll wollen heißt nichts anderes als: Ich bin als ein Wol-lender vorbestimmt. 'Bedingt unfrei'? Weil er seinen ursprünglichen Akt der Freiheit, sein sich-selber-Setzen nicht wirklich anschauen kann, muss er sich (wenn er will) reflektierend "intellektuell" anschauen: ex post, als einen sich selbst voraus-Gesetzten.

Doch recht besehen bedeutet die Aufforderung zur Freiheit, die von der 'Reihe vernünftiger Wesen' an mich ergeht, nicht anderes als: "Du sollst wollen!"
 
21. 7. 18

Nota III. - Die größte Zumutung, die die Wissenschaftslehre dem gesunden Menschenver-stand bietet, ist der Gedanke einer intellektuellen Anschauung. Er liegt ihr allerdings, wenn auch erst nachträglich aufgefunden, zu Grunde. Will sagen: Wer ihn nicht fasst, wird von der Wissenschaftslehre nichts verstehen.

Natürlich nicht; denn sie ist in ihrer Gänze selber intellektuelle Anschauung. 

"Ganz anders verhält es sich mit der Wissenschaftslehre. Dasjenige, was sie zum Gegen-stand ihres Denkens macht, ist nicht ein toter Begriff, der sich gegen ihre Untersuchung nur leidend verhält, und aus welchem sie erst durch ihr Denken etwas macht, sondern es ist ein Lebendiges und Tätiges, das aus sich selbst und durch sich selbst Erkenntnisse erzeugt, und welchem der Philosoph bloß zusieht. Sein Geschäft in der Sache ist nichts weiter, als daß er jenes Lebendige in zweckmäßige Tätigkeit versetzt, dieser Tätigkeit desselben zusieht, sie auffaßt und als Eins begreift. Er stellt ein Experiment an." Zweite Einleitung in die Wis-senschaftslehre, SW Bd. I, S. 453f.

Zunächst fingiert er nämlich ein X, das in nichts anderem als diesem bestimmt ist: dass es zu bestimmen befähigt ist. Im Fortgang wird sich finden, dass es eo ipso zu bestimmen be-stimmt ist. Ihm sieht er zu, was es aus dieser ursprünglichen Bestimmung macht. 'Es' ist ein bloß Gedachtes; "zusehen" wäre ein Sinnliches, Auffindbares. Nicht so hier: Es wird ledig-lich gedacht; aber als ein selbst Tätiges. Tätigkeit ist, wenn sie real ist, anschaubar; nur Tä-tigkeit ist anschaubar! Hier aber sollen wir, nach der Aufforderung des Philosophen F., uns ein wirklich Tätiges lediglich vorstellen.

Und dann ihm eben zuschauen: bei dem, was es macht und nach der einzigen gemachten Voraussetzung nicht anders machen kann.

Wohin es uns immer führt - es wird uns bis zu der Reihe vernünftiger Wesen führen -, ver-lassen wir in keinem Moment das Gedankenexperiment: Es ist eine rein ideelle Operation, der wir so zuschauen, als ob sie wirklich unter unsern Augen geschähe.

Was möchte intellektuelle Anschauung mehr bedeuten? Oder weniger! Weniger als etwa die ganze Wissenschaftslehre von Anfang bis Ende... 

"Zuförderst kommt die intellektuelle Anschauung nicht unmittelbar vor, sondern sie wird in jedem Denkakte nur gedacht, sie ist das Höchste im endlichen Wesen. Auch der Philosoph kann sie nur durch Abstraktion und Reflexion zustande bringen." Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 141f.

Sie wird in jedem Denkakte nur gedacht; aber sie wird in jedem Denkakt gedacht: Sie ist nicht ceterum censeo, sondern das Ich denke, "das alle meine Vorstellungen muss begleiten können"; besonders auch meine Vorstellungen auf der zweiten semantischen Ebene.

PS.  Gegenstand der Wissenschaftslehre ist nicht 'ein toter Begriff, der sich gegen ihre Un-tersuchung nur leidend verhält, und aus welchem sie erst durch ihr Denken etwas macht, sondern es ist ein Lebendiges und Tätiges, das aus sich selbst und durch sich selbst Er-kenntnisse erzeugt' - das kann man auch so ausdrücken: Untersuchungsfeld der Wissen-schaftslehre ist nicht ein vorgefundenes System von Begriffen, sondern der Prozess seiner Entstehung im Fortschreiten des sich-selbst-bestimmenden Vorstellens.
JE 30. 11. 20

Die Realität des Absoluten ist die Suche danach.

The Holy Grail                                                       aus Philosophierungen Der unendliche Raum wird ( nach Fichte ) so...